20. Tag. 7. Mai 2023 – Bialystok (Ruhetag)

Heute ist Sonntag, das Wetter ist schön, obwohl noch immer ein Grundkühle vorhanden ist. Eine Hitzewelle ist auf jeden Fall auch nicht vor dem Hintergrund der Prognosen in absehbarer Zeit zu befürchten. Für Bialystok habe ich mir einen fahrradfreien Tag verordnet. Der Sonntag hat natürlich den Nachteil, das viele öffentlich Einrichtungen geschlossen sind – denke ich. Was mein Frühstück betrifft, weiß ich ja inzwischen, dass viele kleinere Lebensmittelläden in Polen auch sonntags geöffnet haben. So gehe ich erst mal zum nahegelegenen Zabka und hole mir frische Brötchen. Alle übrigen Dinge, die ich zum Frühstück brauche, habe ich mir bereits gestern besorgt: Kaffee, Milch, Wurst, Käse und Marmelade. Danach mache ich erst mal ein wenig Frühsport und Gymnastik mit meiner Personal Trainerin Gabi Fastner. Das tut mir auch auf solchen. Touren gut. Leider sind oft die Zimmer, die ich buche, dafür zu klein. Nach der halbstündigen Gymnastik mache ich es mir mit dem Frühstück gemütlich.

Da ich mir die Kirchen heute von innen betrachten wollte und am Vormittag stündlich Gottesdienste sind, kann ich mir diesbezüglich Zeit lassen. Ich schreibe also nach dem Frühstück erst einmal weiter an meinen Reiseberichten. Dann will ich aber wissen, was von der großen jüdischen Gemeinde in Bialystok noch zu sehen ist. Bisher habe ich über das Schicksal der Juden in Bialystok folgendes bei Wikipedia herausgefunden:

Nach der Besetzung der Stadt durch die deutsche Wehrmacht 1941 errichteten die Deutschen ein Zwangsghetto in dem die circa 43–60 Tausend jüdischen Einwohner gefangen gehalten wurden. Was dann in wenigen Wochen geschah, ist ein weiteres Beispiel für das Grauen, dass die Deutschen unter den Nationalsozialisten bei ihrer Besetzung Polens anrichteten. Am 27. Juni 1941 rückten die Truppen des Polizei-Bataillons 309 in Białystok ein. Diese Polizeibataillone setzten sich aus ganz normalen Polizisten zusammen, die in diese Polizeibatailllone abgeordnet wurden. Es waren nicht unbedingt überzeugte Nazis. Auf Befehl des Bataillonskommandeurs wurde das Ghetto Bialystok durchsucht, um alle jüdischen Männer festzunehmen. Zunächst wurden die Juden auf dem Marktplatz zusammengetrieben. Dabei kam es zu Demütigungen und ersten Erschießungen. Während ein Teil der Juden zu einem Park gebracht und dort gruppenweise erschossen wurde, befahl man einen anderen Teil in die Große Synagoge. Nachdem sich dort 700 bis 800 Juden versammelt hatten, wurde das Gebäude angezündet. Flüchtende wurden erschossen. Nur einzelne konnten tatsächlich entkommen. Das Feuer griff von der Synagoge auf das Ghetto über, in dessen Flammen weitere 1.000 Menschen starben. Insgesamt fielen etwa 2.000 bis 2.200 Juden dem Polizei-Bataillon 309 zum Opfer. Am nächsten Tag wurden 30 Wagenladungen mit Leichen zu einem Massengrab transportiert.

Das war der Auftakt für die systematische Ermordung der jüdischen Einwohner von Bialystok in den nächsten Wochen. So wurden die mehreren Zehntausend Juden in den darauf folgenden Wochen in die Vernichtungslager Treblinka und Auschwitz verbracht und dort ermordet. Das jüdische Ghetto von Bialystok wurde bereits am 20. August 1943 aufgelöst. Die Ermordung der Jüdischen Einwohner war abgeschlossen.

Für die Nachkriegszeit nicht untypisch ist, was mit den Angehörigen des Polizeibataillons 309 nach dem Krieg in der Bundesrepublik Deutschland geschah. So verurteilte das Landgericht Wuppertal 1968 im Wuppertaler Białystok-Prozess tatsächlich einen Kompaniechef und  mehrere Angehörige der Kompanie zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Gegen sechs weitere Bataillonsangehörige wurden Schuldsprüche erlassen, jedoch keine Strafe verhängt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob die Urteile 1971 jedoch weitestgehend auf. Das Landgericht Wuppertal verurteilte im zweiten Prozess 1973 zwei Angeklagte erneut; diese Urteile hatten Bestandskraft. Gegen einen dritten Angeklagten wurde nach der Revision beim BGH das Verfahren durch das Landgericht Darmstadt 1977 eingestellt. Keiner der Angeklagten verbüßte die geringen, ohnehin nur zur Bewährung ausgesetzten Strafen. Viele oder die meisten Mitglieder des Bataillons wurden nach dem Krieg wieder in den Polizeidienst eingestellt.

Nachdem ich dies recherchiert hatte, reicht es mir und ich mache mich auf den Weg durch die Stadt. Es ist immer noch zu früh, um sich das Domensemble von innen anzuschauen, Die Menschen stehen bei dem gerade laufenden Gottesdienst bis vor der Tür des Domes. also wandere ich noch ein Stück weiter. Am großen Tor zum Branicki Palast stelle ich fest, dass hier doch eine Touristeninformation geöffnet hat. Innen werde ich von ein gut Deutsch sprechenden Mitarbeiterin angesprochen, die mir allerdings mitteilen muss, dass es über Bialystok außer einigen Kirchenflyern wenig mit deutschen Erläuterungen gibt. Sie händigt mir aber eine Karte mit den verschiedenen Sehenswürdigkeiten und Themenrouten aus. Dabei ist auch eine Route zu ehemaligen jüdischen Stätten. Da die Karte in ihren Einzeichnungen recht ungenau ist, erkenne ich auf meiner anschließenden Erkundungstour keine der  eingezeichneten Synagogen. Hinterher stellt sich heraus, dass diese Gebäude, in denen die Synagogen ansässig waren, heute eben für andere Zwecke und auch nicht für die Erinnerung an das Schicksal der Juden genutzt werden. Hinter den Mauern einer Kunstgalerie, habe ich nun wirklich keine ehemalige Synagoge vermutet. Leider finde ich auch den Platz des Denkmals für die in Brand gesetzte Synagoge nicht. Wahrscheinlich war ich zu diesem Zeitpunkt schon zu genervt, von den vergeblichen Versuchen, Spuren der jüdischen Vergangenheit in Bialystok zu finden.

Ich wandere dann zurück zum Domensemble, denn mein Zeitfenster für einen gottesdienstfreien Besuch ist nun erreicht. In den Dom komme ich ohne weiteres rein, die allte Kirche ist aber mit einem Gittertor verschlossen. Hier kann ich nur durch das Gittertor ein Foto auf die üppige barocke Innenausstattung machen. Der Dom ist durchaus moderner gestaltet als der Stil der Neougotik vermuten lässt. in den Altären, die ebenfalls erst aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts stammen findet man durchaus Elemente der neuen Sachlichkeit. Das gilt sowohl für den Hauptaltar mit seinen Szenen aus dem Leben Christi, als auch für die Kanzel und insbesondere für die Orgel.

Ich verweile hier eine Weile dann geht es weiter zu der sicher auffallendsten Kirche von Bialystok, der römisch-katholischen Sankt-Rochus-Kirche. Mit ihrem hohen Turm aber auch ihrer eigenwilligen Architektur ist sie ein Blickfang in der ganzen Stadt. Die Kirche entstand als Denkmal der Dankbarkeit für die Wiedergewinnung der Souveränität Polens im Jahre 1918. Die Umsetzung des Vorhabens brauchte aber Zeit. Erst 1927 konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden, sie mussten aber aus finanziellen Gründen ständig unterbrochen werden. Kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs wurde mit den Wandputzarbeiten und der Fenstermontage begonnen. Als dann die deutschen Soldaten zum ersten Mal Bialystok einnahmen, richteten sie das Gebäude für die kurze Zeit der Besetzung als Kaserne ein. Als dann die Sowjetarmee kurze Zeit darauf die Stadt übernahm, hatten sie vor wegen der besonderen Rundform der Kirche hier einen Zirkus einzurichten. Um dies zu verhindern, hat die Pfarrgemeinde entschieden in der noch nicht fertigen Kirche Gottesdienste abzuhalten. Die Kirche wurde dann 1946 unter dem Namen von Maria, Königin Polens, Christus und dem Heiligen Rochus geweiht. Die letzten Einrichtungsarbeiten dauerten bis 1966. Als ich die Kirche erreiche, ist sie sogar geöffnet. Hier scheinen heute auch nicht so viele Gottesdienste stattgefunden zu haben wie im Dom. Ins Auge fällt der Hauptaltar mit seiner Statue des Christus als König. Die schlichte Form wurde 1945 angefertigt. Der Heiligenschrein im Altar enthält die Reliquien zweier Heiliger.

Bei meinem Rundgang um die Kirche stelle ich fest, dass ich auch auf den Turm steigen kann. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen, weil die Aussicht von da oben auf die Stadt durchaus verlockend zu sein scheint. Also steige die knapp 100 Treppenstufen hoch. Leider schützen hier dickglasige Scheiben, vor der Gefahr Selbstmörder anzulocken. Leider sage ich daher nur, weil es natürlich die Fotoqualität beeinträchtigt. Der Blick auf die Stadt ist schon sehr schön.

Als ich wieder hinuntersteige, beschließe ich das Besichtigungsprogramm für Bialystok abzuschließen. Ich habe dabei wieder einmal kein gutes Gefühl, weil man damit einer Stadt, die man vermutlich nur einmal in seinem Leben besucht, nicht gerecht wird. Das geht mir leider bei vielen Städten so.

Den Abend lasse ich wieder im gleichen Lokal ausklingen wie gestern, bin aber mit der Pizza nicht so zufrieden, weil der Teig hart wie ein Brett ist. Danach trolle ich mich wieder in mein Apartment.

Spaziergänge durch Bialystok ca. 10 Km

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