Heute also Danzig, eine Stadt, die mich immer wieder fasziniert. Heute morgen vor dem Frühstück mache ich mich erst einmal mit dem Gelände meiner Unterkunft vertraut. Es ist wirklich sehr angenehm hier. Ein weiteres Relikt aus der früheren Zeit als Krankenhaus ist die Nachbildung der Grotte von Lourdes im Innenhof. Die hat man natürlich erhalten.

Das Wetter heute bleibt durchwachsen. Früh scheint zwar die Sonne, aber es ist nach wie vor bitter kalt. als ich mich gegen 10 Uhr auf dem Weg in die Innenstadt mache, ist es bereits stark bewölkt und schließlich beginnt es auch wieder zu regnen. Insofern bin ich froh, als ich mein heutiges Hauptziel, das Museum des Zweiten Weltkrieges, erreiche.

Ich gehe mit etwas gemischten Gefühlen in das Museum, denn über seine Ausrichtung gab es erheblich Streit. Ursprünglich wurde das Museum durch die Regierung Donald Tusks 2008 initiiert. Das Museum wurde am 23. März 2017 offiziell eröffnet. Gründungsdirektor war schon weit im Vorfeld ein enger Vertrauter Tusks, der polnische Historiker Paweł Machcewicz, geworden, der dieses Amt bis 2017 ausübte. Laut Machcewicz zeigt die Hauptausstellung des Museums die Besonderheiten der Erfahrungen weiter Bevölkerungsteile in Polen während des Krieges und fügt sie in den europäischen Kontext ein.

Die Museumskonzeption begleitet ein Streit zwischen verschiedenen Behörden und Beteiligten. Die jetzige Nachfolgeregierung unter Führung der nationalistischen und rechtspopulistischen PiS stellt diese auf einer umfassenden Erinnerungskultur basierende Museumskonzeption in Frage. Die in diesem Zusammenhang von ihr angestrebte Zusammenlegung des Museums mit dem Westerplatte-Museum war Gegenstand eines Gerichtsverfahrens. Das Oberste Verwaltungsgericht gab am 5. April 2017 einer Klage des Kulturministeriums gegen das Museum in letzter Instanz statt. Laut Kulturminister Piotr Gliński sollte die Vereinigung beider Museen „sobald wie nur möglich“ erfolgen. Die Vereinigung wurde am 6. April 2017 vom Ministerium für Kultur und nationales Erbe bekanntgegeben und der Historiker Karol Nawrocki übernahm tags darauf die Leitung vom fristlos gekündigten Machcewicz.

Insofern hatte ich schon die Befürchtung, dass sich die Museumskonzeption durch die Einflussnahme der rechtspopulistischen PiS verändert haben könnte. Dies ist aber meines Erachtens nicht der Fall. Ich bin im Gegenteil sehr angetan von der zwar stark in die Erfahrungsgeschichte der polnischen Bevölkerung eingebettete Konzeption, die aber in ausgeprägter Weise den europäischen Kontext mit einbezieht. Dies wird schon daran deutlich, dass hier auch nicht nur die deutschen Verbrechen aufgezeigt werden, sondern auch die der Sowjetunion. Dabei werden aber die Verbrechen auch der Deutschen auch gegenüber der Sowjetunion und ihren Bürgern beleuchtet aber auch die Verbrechen zahlreicher nationalistischer Gruppen sei es in der Ukraine, beispielsweise mit Stepan Banderas Organisation Ukrainischer Nationalisten und der daraus hervorgegangenen Partisanenarmee Ukrainische Aufständische Armee, aber auch einiger Gruppen auf dem Balkan.

Beeindruckend ist auch die Darstellung vieler europäischer Widerstandsgruppen und die Darstellung ihrer Erfolge oder ihres Scheiterns. Interessant ist das auf deutscher Seite nur der Widerstand der Weißen Rose und der Name von Sophie Scholl erwähnt werden, während der militärische Widerstand des 20. Juli, wenn ich es richtig mitbekommen habe, keine Erwähnung findet.

Was mich natürlich auch für das Museum eingenommen hat, ist die ausgezeichnete Audio Guide Führung, die ich so noch nie erlebt habe. Der Audio Guide nimmt dich buchstäblich an die Hand ohne einen zu bevormunden. So führt er Dich durch die Räume und erläutert die darin enthaltenen Botschaften. Gehst Du aber in einen anderen Raum, registriert er das auch und stellt sich bei Betreten des anderen Raumes darauf ein. Sehr spannend fand ich auch, dass man mit dem Guide auch die Videos verstehen konnte. Wenn ich im Zuschauerraum eines Videos saß, übersetzte er mir gleich die Untertitel des Videos ins Deutsche und zwar egal an welcher Stelle ich zum Video dazu stieß. Das hat mich ebenfalls beeindruckt.

Ich kann also den Besuch dieses Museums nur wärmstens empfehlen, auch wenn ich nach dreieinhalb Stunden ziemlich geschafft war. Für mich kann ich sagen, dass das Museum des Zweiten Weltkriegs eines der ersten ist, zu dem ich sage, hier müsste man eigentlich öfters hineingehen. Was mich persönlich auch beeindruckt oder mehr noch geschockt hat, sind die Parallelen zwischen Hitler und Stalin in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts und den Verbrechen Putins in der Gegenwart. Aber das auszuführen ist an dieser Stelle sicher ein zu weites Feld.

Das Bauwerk des Museums wurde übrigens vom Architekturbüro Kwadrat in Gdynia entworfen, eine international besetzte Jury hatte sich für diesen Entwurf entschieden. Es ist ein etwa 40 Meter hoher, vierseitiger Kubus, der schräg aus dem Boden ragt. Eine der vier Flächen und die Oberseite sind verglast. Die Konzeption soll Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft widerspiegeln: Vergangenheit sind die unterirdischen Ausstellungsflächen, die offenen Flächen rund um das Museum symbolisieren die Gegenwart, der imposante Turm mit Büros und einem Café und Restaurant auf den beiden obersten Ebenen die Zukunft. Die eigentlichen Ausstellungsflächen von 5000 m² befinden sich auf dem untersten der drei  unterirdischen Stockwerke. Das geplante Café und das Restaurant sind bisher noch nicht eröffnet. Lediglich im Untergeschoss gibt es eine kleines Lokal. Hier erhole ich mich erstmal mit Piroggen von dem Besuch, der mich, wie wahrscheinlich die meisten Besucher schon sehr berührt hat.

Nach dem Besuch des Museums mache ich noch einige Spaziergänge durch Danzig. So gehe ich zur nahgelegen Polnische Post in Danzig, die ja am ersten Tag des Zweiten Weltkriegs auch eine Bedeutung hatte und eines der ersten Angriffsziele der Deutschen war. Weiter geht es dann entlang der Motlawa zum Grünen Tor und entlang des Langen Platzes und der Langen Straße bis zum Hohen Tor. Danach mache ich noch einen Abstecher zur und in die Marienkirche. Aber dann reicht es für heute und ich gehe zurück auf mein schönes Zimmer im Hotel Dwór Uphagena Arche Gdansk.

Morgen kommt dann die erste Fahrradstrecke.

Tagesstrecke: 12 Km Spaziergänge durch Danzig

Auf dem Weg zum Museum des Zweiten Weltkriegs

Besuch des Museums des Zweiten Weltkriegs

 

Abstecher zur Polnischen Post

Das Gebäude der polnischen Post wurde am 1. September um 4.45 Uhr von der SS-Heimwehr Danzig und Polizeitruppen der Freien Stadt Danzig angegriffen, gleichzeitig mit dem Angriff des Kriegsschiffes Schleswig-Holstein auf die Westerplatte. Zuvor hatte man schon Strom- und Telefonleitungen gekappt.

In diesem Moment befanden sich in dem Gebäude 57 Personen: 40 Postbeamte aus Danzig, zehn aus Gdingen und Bromberg delegierte Postbeamte mit Wehrausbildung, ein Angestellter der polnischen Eisenbahn sowie der dort wohnende Hausmeister samt Frau und zehnjähriger Adoptivtochter.

Der Angriffsplan, vorbereitet im Juli 1939, sah vor, die Post mit Hilfe von drei Sturmgruppen zu erobern, wovon eine zur Ablenkung den Haupteingang angreifen sollte, wobei zur Deckung drei (ehemals österreichische) Steyr ADGZ-Radpanzer dienten, beschriftet mit „Sudetenland“, „Ostmark“ und „Saar“. Das Kommando hatte Willi Bethke von der Danziger Polizei.

Der erste deutsche Angriff wurde aufgehalten, obwohl man kurzzeitig am Eingang eindringen konnte, wobei allerdings einige Angreifer getötet und verletzt wurden (zwei Tote, sieben Verwundete). Der Angriff vom Seitengebäude aus durch die Wand wurde auch abgewehrt, dabei starb der polnische Kommandant Konrad Guderski durch seine eigene Handgranate.

Um 11 Uhr wurde mit Unterstützung von zwei nun eingetroffenen 75-mm-Geschützen angegriffen, jedoch ergebnislos. Ein zweistündiges deutsches Ultimatum um 15 Uhr wurde von den Verteidigern ignoriert, während die Angreifer inzwischen das Gebäude unterminierten und eine Sprengladung unter dem Eingang platzierten.

Um 17 Uhr sprengte diese ein großes Loch in die Fassade und ein nächster Angriff folgte, nun auch mit einem 105-mm-Geschütz. Das Gebäude wurde dabei teilweise erobert und die überlebenden Verteidiger zogen sich in den Keller zurück. Um 18 Uhr wurde von der Danziger Feuerwehr Benzin in den Keller gepumpt und angezündet, wobei drei polnische Verteidiger getötet wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren somit sechs Polen im Kampfgeschehen gestorben.

Um 19 Uhr entschieden die 50 am Leben gebliebenen Verteidiger, sich zu ergeben. Die ersten zwei Personen, die aus dem Gebäude mit weißer Flagge heraustraten, waren Direktor Jan Michoń und Kommandant Józef Wąsik. Michoń wurde erschossen, Wąsik mit einem Flammenwerfer bei lebendigem Leib verbrannt. Sechs konnten fliehen, die restlichen 44 wurden gefangen genommen. 16 Verletzte wurden ins Krankenhaus gebracht. Sechs davon starben, darunter das zehnjährige Mädchen. Von den sechs Flüchtigen wurden zwei später gefasst.

Am 8. September standen 28 unverletzte Verteidiger vor dem Kriegsgericht, am 30. September die restlichen zehn. Alle wurden als Partisanen bzw. für die Zugehörigkeit zu einer illegalen Kampfgruppe zum Tode verurteilt. Die Verurteilten wurden wahrscheinlich am 5. Oktober erschossen.

Das Urteil wurde im Jahr 1997/1998 vom Landgericht Lübeck als widerrechtlich revidiert. Die Große Strafkammer des Landgerichts begründet das damit, dass der Vorsitzende des Feldkriegsgerichts sich einer Verletzung seiner Amtspflichten zu Schulden habe kommen lassen. Es handele sich um eine Rechtsbeugung, weil die Kriegssonderstrafrechtsverordnung, auf der das Urteil basierte, erst mit Wirkung zum 16. November 1939 in Danzig in Kraft getreten sei. Die an diesem Justizmord beteiligten Juristen – Kurt Bode (Gerichtsvorsitzender) und Hans-Werner Giesecke (Ankläger) – wurden nie zur Verantwortung gezogen. Beide machten in der Bundesrepublik Deutschland erneut Karriere.

Spaziergang zurück in die Altstadt, über den Langen Platz und die Lange Straße und kurzer Besuch in der Marienkirche

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