Ich habe gut geschlafen und freue mich über ein zwar bescheidenes und einfaches, aber dennoch vielseitiges polnisches Frühstücksbuffet. Der Chef des Hostels ist heute morgen anwesend und erweist sich doch nicht als so antikapitalistisch wie es an der Rezeption zu lesen war. Ich kann meine Rechnung nun doch mit der Kreditkarte begleichen.

Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg zur Weichsel. Das Wetter ist sehr schön, blauer Himmel aber auch Temperaturen bis 30°. Ich habe mich nicht für den unbefestigten Radweg durch die Beskiden entschieden, sondern für die Strecke auf Landstraßen am Rand der Beskiden entlang. Der Weg führt über das Dorf Goleszow nach Ustron, wo ich nach etwa 20 Kilometern an die Weichsel gelange. Von hier geht es dann auf dem Weichselradweg noch acht Kilometer Weichsel aufwärts nach Wisla zu meiner Unterkunft in der Willa Jodla. Hier komme ich schon gegen 12:30 Uhr an und obwohl der Check in erst für 14 Uhr vorgesehen ist, werde ich von Pawel, dem Chef des Hauses, freundlich empfangen. Er erklärt mir alles auf englisch und nachdem ich mich in dem sehr kleinen, sonst aber gemütlichen Zimmer eingerichtet habe, erläutert er mir auch noch, dass ein direkter Zugang zu den Weichselquellen nur mit einer Führung erlaubt sei, weil das Gebiet der Weichselquellen Naturschutzgebiet sei. Die Führungen würden aber derzeit wegen Corona nicht durchgeführt. Mit einer Wanderkarte erklärt er mir dann wie ich mit dem Fahrrad und zu Fuß auf die Barania Gora (Widderberg) gelangen könnte unterhalb deren Gipfel am südwestlichen Hang die Bäche Czarna Wisełka (Kleine schwarze Weichsel) und Biała Wisełka (Kleine Weiße Weichsel) entspringen. Diese beiden Bäche münden nach neun beziehungsweise sieben Kilometern in den Stausee Jezioro Czerniańskie. Der abfließende Gebirgsbach trägt dann den Namen Wisełka (Kleine Weichsel) und wird aber schon nach zwei weiteren Kilometern mit der Einmündung der Malinka zur Wisla (Weichsel).

Da es noch früh am Tage ist, mache ich mich heute schon auf den Weg zumindest einen der beiden Gebirgsflüsse zu erkunden und entscheide mich für die Czarna Wiselka. Nun geht es natürlich erst einmal bergauf. Nach etwa 5 Kilometern erreiche ich dann den Stausee Jezioro Czerniańskie. Von der Staumauer hat man einen malerischen Blick in die Beskiden. Sie erinnern mich sofort an den Bayerischen Wald. Nachdem ich mich einige Zeit in dieses Bild vertieft habe, fahre ich nicht den Weg entlang der Czarna Wisełka, sondern mache einen Abstecher zu der ebenfalls sehr malerisch oberhalb des Stausees gelegenen Residenz des polnischen Präsidenten. Nun geht es doch ziemlich steil bergauf, aber natürlich ist die Straße zur Residenz eines Präsidenten sehr gut asphaltiert. Die Residenz liegt am Nordosthang von Zadni Groń (728 m über dem Meeresspiegel). Es dauert seine Zeit bis ich den Residenzkomplex schweißtriefend erreiche. Immerhin steigt das Thermometer heute selbst hier in den Bergen auf fast 30°.

Die Präsidentenresidenz wurde an der Stelle des 1927 niedergebrannten Lärchenjagdschlosses der Habsburger errichtet. Seit dem 15. Januar 1931 ist der Schlosskomplex Eigentum der Zivilkanzlei des Präsidenten der Republik Polen. Ignacy Mościcki war der erste Präsident, der in den Mauern des Gebäudes residierte. Er war von  1936 bis 1939 Präsident. Derzeit umfasst der Schlosskomplex das Obere Schloss – die eigentliche Residenz des Präsidenten der Republik Polen, das Unteres Schloss – Konferenzteil und Hotelzimmer, das Gajówka – Restaurant- und Hotelzimmer sowie die Kapelle St. Jadwiga Śląska von 1909. Man kann das Schloss grundsätzlich auch besichtigen, muss sich aber mindestens eine Woche vorher anmelden. Allerdings ist es jetzt in Corona Zeiten für Besucher nicht geöffnet.

Nach dem Blick auf das Schloss geht es weiter hinauf. Hier findet man Aussichtspunkte mit wunderschönen Blicken in die Beskiden. Bald geht es dann auf einer zunächst noch asphaltierten, dann aber in einen Schotterweg übergehenden Straße weiter hinauf in Richtung Barania Gora. Schließlich erreiche ich über ein sehr steiniges letztes Stück die Berghütte Przylop, die leider weniger wie eine Berghütte ausschaut, sondern mehr wie ein fehlplazierter Plattenbau. Allerdings gibt es ein gutes Imbissangebot, so dass ich hier dann auch erst einmal eine Pause einlege und mich mit einer großen Apfelsaftschorle und einem Stück Kuchen stärke. Von hier aus erreicht man über einen sehr felsigen Weg nach ausgewiesenen 1 1/2 Stunden den Gipfel des Barania Gora. Da es aber inzwischen schon 16 Uhr ist und ich ja auch noch zurückfahren muss und mich auch wegen der Hitze und der Anstrengungen etwas ausgelaugt fühle, verschiebe ich den Gipfelanstieg auf morgen und werde ihn von der  Biale Wiselka in Angriff nehmen. Dennoch gehe ich nach meinem Imbiss noch ein Stück bergauf. Der Weg ist tatsächlich sehr steinig und steil. Aber ich werde mit einem herrlichen Blick über die Beskiden gelohnt.

Die Rückfahrt geht dann erheblich logischerweise erheblich zügiger vonstatten als der Weg hinauf. Sobald die Straße asphaltiert ist, kann man sich mehr oder weniger rollen lassen. Allerdings ist man dabei schon auf gute Bremsen angewiesen. Die Strecke ist teilweise sehr kurvenreich. Nach gut einer Stunde habe ich aber meine Willa Jodla wieder erreicht. Hier zieht es mich erst einmal unter die Dusche. Danach ruhe ich noch ein wenig aus und gehe dann in das nahegelegene Restaurant Oro. Da die Karte nur polnisch ist, bestelle ich eine Pizza, weil das erst mal das einzige Gericht ist, was ich mir, trotz Übersetzungs-App, übersetzen kann. Danach geht es zurück in mein Quartier.

Tagesstrecke: 58,05 Km; ca. 1000 Hm

 

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