Geschlafen habe ich ordentlich und auch das Frühstück ist ansprechend. Es gibt neben Marmelade sogar noch etwas gekochten Schinken. Die zweite Tasse Kaffee muss ich allerdings doch extra bezahlen. Überhaupt wird die Bezahlung dann eine etwas unerfreuliche Überraschung. Denn Madame berechnete mir für die Halbpension nun doch 68 € statt der von mir verstandenen 58 €. Dazu hatte sie noch vier Bier auf ihrem Zettel, obwohl ich nur zwei getrunken hatte. Über die Streichung von zwei Bier konnten wir uns verständigen, was den Preis für die Halbpension betrifft jedoch nicht. Nun es war der Preis für meine mangelnde Sprachkompetenz.
Der Blick aufs Wetter machte auch nicht gerade vergnüglich. Es ist kalt geworden. Die Temperaturen sollen heute nicht über 10° steigen und es soll einige heftige Schauer geben und dazu ziemlich starken Wind von Westen, also der Richtung, in die ich fahre. Insofern nicht sonderlich wohl gestimmt fahre ich dann doch gegen 9:30 Uhr los. Ein Gutes hatte der Tag, die Steigungen waren heute nicht sonderlich ausgeprägt. So kam ich zu mindestens relativ schnell voran. In Fondremand hätte ich gerne schönere Fotos geschossen, allerdings war das Wetter nicht gerade dafür geeignet. Dennoch hoffe ich, dass sie nach meiner Bearbeitung einen guten Eindruck vermitteln. Es ist wirklich ein sehr malerischer Ort.
Danach fuhr ich recht zügig über Maizières nach Gy. Gy war einst eine recht bedeutende Stadt und hat eine lange Pilgertradition, weil sich hier zwei Pilgerrouten kreuzten und neben dem Jakobsweg auch der Pilgerweg Via Francigena, der Canterbury mit Rom verbindet, durch den Ort führt. Nachdem es nun wieder etwas heftiger angefangen hatte zu regnen, legte dich aber erst einmal eine längere Pause in einer Bar ein und genehmigte mir einen Cappuccino. Ich verweilte dort etwa eine halbe Stunde und war dann auch wieder weitgehend abgetrocknet. Die Regen-App ließ für etwa eine Dreiviertelstunde auf weniger Niederschläge hoffen. Diese Zeit wollte ich zumindest nutzen, um mir das Schloss, das einst den Erzbischöfen von Besançon gehörte, zumindest von außen anzuschauen. Ferner wollte ich auch der Stadtkirche Saint-Symphorien einen Besuch abstatten. Sie wurde im 18. Jahrhundert neu erbaut und gilt als einer der ersten klassizistischen Kirchenbauten in der Franche-Comté. In der Kirche lies ich mir etwas Zeit und konnte auch mein Fahrrad in der Vorhalle unterstellen. Als es dann wieder anfängt zu regnen, mache ich in der Vorhalle der Kirche erst einmal meine Mittagspause und verspeise eins der gestern gekauften Baguettes und einen Rest Käse.
Der Regen war doch jetzt recht heftig und an Weiterfahren war im Moment nicht zu denken. So wartete ich dort über eine halbe Stunde, bis ich es wagte nun auch einen kurzen Blick auf das Schloss und auf einen monumentalen Brunnen auf der Place de la Republique zu werfen. Danach hatte ich allerdings die Rechnung ohne Petrus gemacht. Als ich in der Hoffnung nun zu mindestens etwa eine halbe Stunde regenfrei weiterfahren zu können losfuhr, öffnete er wieder Erwarten doch recht früh schon wieder seine Himmelsschleusen. Und es kam recht heftig herunter. Ich suchte also nach eine Unterstellmöglichkeit und fand schließlich in eine offene Toreinfahrt, die genügend Schutz bot.
Hier lernte ich dann eine besondere Art der französischen Gastfreundschaft kennen. Nach einigen Minuten kam eine Dame mittleren Alters aus einem Nachbarhaus auf mich zu. Offensichtlich gehörte die Toreinfahrt zu ihrem Haus. Sie überschüttet mich mit einem freundlichen Wortschwall auf Französisch, den ich leider nur rudimentär verstand. Allerdings wurde schnell klar, dass sie mich auf einen Kaffee einladen wollte. Nun wollte ich aber möglichst bald weiter, bedankte mich und lehnte den Besuch in ihrem Haus freundlich ab. Inzwischen regnet es aber ziemlich aus Kübeln, so dass an Weiterfahren immer noch nicht zu denken war. Nach etwa 10 Minuten kam die Dame dann mit einem Tablett, auf dem ein Becher heißer Kaffee, Zucker und ein kleines Praliné lag. Da konnte ich dann wirklich nicht widerstehen und bedankte mich wortreich und war wirklich etwas gerührt. Den Kaffee konnte ich in dieser Situation gut gebrauchen, mich aber für die neuerliche Einladung noch immer nicht erwärmen. So wies sie mich mit Zeichen darauf hin, dass ich das Tablett nachher in den nebenan gelegenen Schuppen stellen könnte.
Leider dauerte der Regen dann doch noch länger als gedacht. Es waren zwar nur noch 20 km bis Gray aber die wollte ich dann doch schnell hinter mich bringen, zumal ich noch keine feste Unterkunft hatte. So fuhr ich dann irgendwann los und wurde kräftig nass. Nach etwa einer Dreiviertelstunde hörte dann der Regen endlich mal auf und ich lernte wieder einmal die Vorteile von Funktions Kleidung kennen, die dann wirklich auch relativ schnell trockneten. Zugute kam dem ein sehr unangenehmer und heftiger Westwind, dem ich nun schon den ganzen Tag ausgesetzt war und entgegen fahren musste. Er war zwar nicht gerade stürmisch aber zu mindestens ausgesprochen böig, was das Fahren auch sehr unangenehm machte – und es war kalt.
Dennoch kann ich wegen der recht flachen Strecke relativ schnell voran. Gegen 16:00 Uhr erreichte ich dann Gray. Hier sollte es so eine Art Jugendherberge geben, die es wohl recht verbreitet in Frankreich für jüngere Arbeitnehmer gibt. In solchen Arbeiterwohnheimen sollte man mit einem deutschen Jugendherbergs-Ausweis auch übernachten können. Ich fuhr also dorthin und muss sagen, das Haus machte ein durch aus sehr gepflegten Eindruck. Allerdings erläuterte mir dann die freundliche junge Hausdame, auf Englisch dass man mindestens zehn Tage buchen müsste, um hier eine Unterkunft zu bekommen. Gut, so lange wollte ich in Gray nun doch nicht bleiben. Allerdings ist Gray mit Abstand die größte Ortschaft auf der Strecke zwischen Belfort und Vezelay. So hatte ich hier auch schon einige Hotels ins Auge gefasst. Das erste war aber leider ausgebucht, offensichtlich auch weil man hier Freitagabend immer größere Festlichkeiten veranstaltet. So bin ich dann im Hotel Le Fer a Cheval (Hufeisen) gelandet, was für einen adäquaten Preis ein durchaus anständigen Eindruck macht. Auch wenn es wohl aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts stammt, ist es gepflegt und sauber.
Inzwischen hatte ich auch beschlossen, morgen einen Ruhetag einzulegen. Zum einen ist die Wetterprognose für morgen noch unangenehmer als für heute und zum anderen möchte ich mir doch so einmal in der Woche eine Auszeit vom Radfahren können. Außerdem wollte ich endlich wieder meine Berichte schreiben, die ihr nun gerade lesen könnt. So habe ich mich hier für zwei Nächte einquartiert, allerdings erst als ich geprüft und mich vergewissert hatte, dass es hier ein gutes WLAN gibt. Ferner muss ich wohl noch etwas tiefer in meiner Quartierplanung für die nächsten Tage einsteigen, weil es bis Vezelay nur noch wenige Unterkunftsmöglichkeiten gibt. Dafür braucht man dann auch etwas Zeit. Man sieht doch immer wieder recht deutlich, dass ich nicht gerade durch die belebteste gegen Frankreich Reise.
Mein Hotel liegt nahe der Saône, die hier durch Gray fließt. Die Saone ist bis hierhin sogar schiffbar. Nachdem ich mich eingerichtet hatte, machte ich einen kleinen Rundgang durch die Stadt, aber da es doch unangenehm kalt war, trieb es mich erst mal wieder zurück ins Hotel. Da ich nun hier zwei Nächte bleiben, wagte ich es auch einen Teil meiner Wäsche zu waschen und genoss dann nach der Kälte des Tages ein heißes Vollbad. Am Abend kehrte ich dann auf Empfehlung des Portiers in der Brasserie l‘aurore ein. Da es weder englischsprachige Menükarten noch Englisch sprechendes Personal dort gibt, entschied ich mich dann für ein Menü, was dann auch noch einige Überraschungen mit sich brachte aber dennoch sehr wohlschmeckend war. So gestärkt ging ich über die Brücke über die Saône zurück in mein Hotel und ließ den Abend langsam ausklingen.
Tagesdaten: 54,78 Km; 04:44:17 Std. Fz.; 11,56 Km/h; 545 Hm
Lieber Herr Kohl,
heute zum Sonntag bin ich wieder mal mit Ihnen „auf Reise“ gegangen. Es ist interessant zu lesen, wo Sie gerade sind und wie Sie sich in der unbekannten Region bewegen.
Ich wünsche Ihnen nun als Begleiter wieder wärmende Sonnenstrahlen.
Viele Grüße und weiterhin gute Fahrt
Steffi W.
Liebe Frau Weigl, vielen Dank für Ihren Besuch und Ihre guten Wünsche, über die ich mich sehr gefreut habe. Ja, ich hoffe auch, dass das Wetter wie angekündigt nun wirklich wieder etwas wärmer wird. Schauen Sie ruhig gelegentlich wieder vorbei. Die Tour wird nun immer spannender, je näher ich dem eigentlichen Jakobsweg komme. Herzliche Grüße nach Leipzig Ihr Wolfgang Kohl