18. Tag: 26. April 2018 – La Maison Neuve

Ich habe auch in meinem Schlafsack recht gut geschlafen. Der Blick aus dem Fenster zeigt mir aber, dass der Himmel heute wolkenverhangenen ist und es auch regnet. Erst heute Nachmittag bessert sich das Wetter. Nach meiner Toilette und der Morgengymnastik gehe ich ins Haupthaus zum Frühstück. Collette begrüßt mich. Sie fragt mich, ob ich Kaffee oder Tee wolle und präsentiert mir dann einen Korb mit geschnittenen Brot, offensichtlich gehören sie zu den wenigen Franzosen, die kein Baguette essen, und drei Glasschüsselchen mit Marmelade und Honig. Leider gibt es weder Käse noch Wurst. Aber ich werde natürlich auch hiervon satt.

Daniel bekomme ich heute nicht mehr zu Gesicht. Er scheint noch bei den Kühen zu sein, die morgens gemolken werden müssen. Ich habe den Eindruck, dass es hier in der Franche-Comté viele Kleinbauern gibt, die so gerade ihren Lebensunterhalt mit anderen Zusatzarbeiten bestreiten können. So sieht die gesamte Gegend entwicklungmäßig doch recht zurückgeblieben aus. Das gilt zumindest für die vielen kleinen Dörfer.

Gegen 9:30 Uhr mache ich mich dann auf dem Weg. Es regnet noch immer, es ist recht kühl, so um die 10°, aber es ist ein sanfter Nieselregen. Die Landschaft ist dagegen sehr hübsch und zur Zeit von sattem Grün geprägt. Wenn ich mir die Vegetation beschaue, dann fühle ich mich eigentlich schon in den Monat Juni versetzt und nicht erst Ende April.

In den Dörfern, durch die ich fahre, sind die Häuser meist aus Natursteinen gebaut und die letzten Renovierungen liegen zum Teil schon Jahrzehnte zurück. Auffällig auch die vielen Gemeinschaftseinrichtungen in den Dörfern. So findet man hier Brunnen, Backhäuser und auch Brunnen, die offensichtlich als Waschplätze benutzt werden. Das alles gibt den Dörfern ein sehr ursprüngliches Gepräge. Allerdings sieht man dann wieder in einigen Dörfern, dass mehrere Häuser doch schon vor nicht allzu langer Zeit recht aufwändig renoviert worden sind. Allerdings haben sie die alte Bausubstanz erhalten, so dass du die Renovierungen das Ortsbild nicht beeinträchtigt wird.

Besonders angetan haben es mir die beiden Dörfer Grammont und Marast. Grammont sticht durch die Lage seiner 1865 neu erbauten, auf einem Hügel gelegenen Kirche hervor. Auch einige Häuser und Höfe aus dem 15. und 16. Jahrhundert unterstreichen die malerische Idylle. Auf Maras bietet sich schon von weitem ein malerischer an Blick auf die im Zentrum verbliebenen Reste einer alten Priorei. Diese wurde bereits im zwölften Jahrhundert gegründet und die Kirche aus dieser Zeit ist immer noch erhalten und wird heute offensichtlich aus Konzerthalle genutzt. Sie ist sogar geöffnet und man kann sie besichtigen. Hier sieht man noch die recht ursprüngliche Architektur der Romanik.

Etwas enttäuscht bin ich von Villersexel, dem mit etwa 1540 Einwohnern größten Ort auf meiner heutigen Tour. Da ich wieder zur Mittagszeit hier ankomme, sind natürlich alle Geschäfte geschlossen. Sehenswert soll das Schloss Les Grammont sein. Es wurde ursprünglich 1871 erbaut, aber wenig später im Krieg zerstört und 1882 im Stil Ludwigs XIII. wieder aufgebaut. Das Schloss wird heute als Hotel geführt. Am Eingang steht Radfahrer willkommen. Ich schiebe also mein Fahrrad durch das Tor und gehe auf das doch recht gewaltige Gebäude zu. Ich zücke natürlich auch meinen Fotoapparat, um ein Foto zu machen. Da gestikuliert plötzlich aus dem ersten Stock des Hotels in etwa 50 m Entfernung eine blonde Dame wild herum, was ich zunächst überhaupt nicht begreife. Dann werden ihre Handbewegungen aber deutlicher und ich muss sie wohl so interpretieren, dass sie mich vom Hof verweist. Da diskutieren für mich ohnehin zwecklos ist, versuche ich meinen Irritationen auch mit Armbewegungen Ausdruck zu verleihen. Es nutzt freilich nichts. So verwünsche ich die Dame in Gedanken und mache mich dann doch wieder vom Schlosshof, ohne diese Eskapaden der Dame einschätzen zu können. Aber solche Begegnungen sind mir ja schon gelegentlich widerfahren, nicht nur mit Frauen. So setze ich mich erst einmal auf eine Steinbank vor der Kirche des Ortes und nehme mein Mittagessen mit dem letzten Stück Baguette und einem kleinen Stück Käse ein.

Weiter geht es nun über Vallerois-le-Bois, mit seinen auf einem Fels gelegenen Chateau und der Kirche. Eine meiner letzten Stationen auf dem heutigen Weg vor meinem Ziel La Maison Neuve ist Dampierre-sur-Linotte-sie-Linotte, das mit seinem 800 Einwohnern auch schon für hiesige Verhältnisse eine beachtliche Größe hat, die auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass es hier immerhin eine Bäckerei gibt. Sie hat zwar bis 16:00 Uhr geschlossen und ich bin etwa eine viertel Stunde zu früh. Aber offensichtlich werde ich bemerkt und eine junge Verkäuferin schließt mir auf. Es sind noch einige Baguettes vorhanden und so kaufe ich zwei, um für die nächsten Tage vorgesorgt zu haben. Die Kirche des Ortes soll eigentlich ganz interessant sein, aber wie so einige ist auch sie geschlossen.

So steuere ich nun mein heutiges Ziel das Hotel Charmotte in La Maison Neuve an. Es geht noch durch die beiden malerischen Dörfer Vy-lès-Filain Und Authoison. Als ich nach einer noch drei Kilometer langen Fahrt auf einer viel befahrenen Nationalstraße La Maison Neuve habe nicht den Eindruck dass der Ort aus viel mehr Häusern als diesem Hotel besteht. Das Hotel ist offensichtlich primär eine Fernfahrerquartier an der Nationalstraße. Die Besitzerin ist recht hemdsärmelig und damit angemessen für ihre Klientel. Ich werde freundlich empfangen, sie zeigt mir mein einfaches aber ausreichendes Zimmer (es gibt wieder Bettwäsche!), bietet mir in der Garage einen Platz für mein Fahrrad an und kündigt das Abendessen für 19:00 Uhr an. Auf der Terrasse sitzen zwei Frauen, deren Aufenthalt in dieser Herberge mich etwas erstaunt. Es stellt sich aber bald heraus, dass auch sie aus Deutschland kommen und den Pilgerweg nach Santiago in Etappen laufen wollen. Allerdings geht ihre diesjährige Etappe nur von Thann bis Gy und sie sind jetzt schon fast eine Woche unterwegs.

Natürlich kommen wir schnell miteinander ins Gespräch und essen dann auch gemeinsam zu Abend. Katrin und Christine sind zwei Mitfünfzigerinnen, die das Projekt unabhängig von ihren Familien für sich entwickelt haben. Da zumindestens Katrin noch berufstätig ist, während Christine das Kleinunternehmen Familie führt, gehen bei Ihnen nur immer Etappen an Wochenenden oder mal für eine Woche.

Katrin leidet bei dieser Tour offensichtlich sehr unter ihrem neuen Schuhwerk und hat sich Blasen gelaufen, die natürlich erhebliche Beschwerden bereiten. Die beiden Frauen kommen aus dem schwäbischen Weinstadt, einem Ort an der Rems, an dem ich ja auch schon bei meiner Fahrt von Rothenburg ob der Tauber nach Mössingen vorbeigekommen bin. Weil ich durch die heutigen Höhenmeter doch wieder recht geschlaucht bin, begebe ich mich allerdings recht früh auf meinem Zimmer, freue mich dass heute wieder Bettzeug da ist und falle dann bald in einen tiefen Schlaf. An meinen Reisebricht brauche ich heute ohnehin nicht zu denken, denn hier gibt es überhaupt kein Internet mehr.

Tagesdaten: 67,03 Km; 05:56:38 Std.Fz.; 11,27 Km/h; 791 Hm

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