Ich habe zwar gut geschlafen, bin aber trotzdem noch etwas erschöpft von der gestrigen Tour. Das Frühstück im Hotel ist ordentlich aber auch nichts Besonderes. Der Tag ist wieder sehr schön und sonnig. Die Temperaturen sollen nun aber deutlich über 25 Grad steigen. Gegen 8 Uhr bin ich dann schon reisefertig, weil ich die Fähre in Altwarp um 10 Uhr erreichen möchte. Ich drehe noch eine Runde durch die Stadt und schaue an der Marienkirche mit ihrem barocken Langbau und dem neugotischen Turm sowie am Schloss der pommerschen Herzöge, das aber bereits seit 1780 als Rathaus genutzt wird, vorbei. Danach geht es aus der Stadt hinaus und auf einem sehr guten mit EU-Mitteln erstellten Radweg die nächsten 18 Kilometer entlang dem Haff und der Landstraße in Richtung Altwarp. Der Weg führt überwiegend durch Waldgebiete. An einigen Stellen hat man einen sehr schönen Blick auf das Haff. Bei Warsin biegt dann der Oder-Radweg Richtung Süden ab.
In Altwarp muss man dann eine Fähre über den Neuwarper See, eine Bucht des Stettiner Haffs nutzen und dann ist man auch schon wieder in Polen. Die Personen- und Fahrradfähre ist ein ausgedienter Fischkutter, die Lütt Matten. Da ich mich vorher im Internet über die Abfahrtszeiten kundig gemacht habe, erreiche ich den Hafen auch fünf Minuten vor der ersten heutigen Abfahrt um 10 Uhr. Das Timing passt also. Der Ort auf der polnischen Seite heißt Nowo Warpno, was früher, als er noch zu Deutschland gehörte, Neuwarp hieß. Altwarp und Nowo Warpno sind idyllische kleine Orte und die Überfahrt, die allerdings nur 10 Minuten dauert, ist ein echter Genuss. Die Orte sind umgeben von tiefgrünen Schilfgürteln und die Landschaft strahlt schon dadurch viel Ruhe aus. Pittoresk ist in Nowo Warpno das im Fachwerkstil erbaute Rathaus.
Die nächsten fünf Km geht es dann auf einem sehr schönen Radweg bis Karczno abseits der Straße nach Stettin durch Feld und Wald bevor es dann aber wieder auf die N 114 geht, die ab hier bis in das etwa 17 Kilometer entfernte Trzebiez keinen begleitenden Radweg mehr hat. Die Straße ist aber nur mäßig befahren und sehr gut und neu ausgebaut und die Fahrt durch den das Haff begleitenden Wald ist sehr angenehm. In Trzebiez mache ich dann eine längere Mittagspause und verzehre meinen letzten Proviant, den ich noch aus Trassenheide mit dabei habe. Belegtes Brötchen und Bananen!
Rückblickend betrachtet würde ich sagen, dass die Strecke von Swinemünde über Ahlbeck, Stolpe, Usedom, Anklam, Ueckermünde bis hier nach Trzebiez der schönste Teil der Rundfahrt um das Stettiner Haff ist. Nun wird es den Rest der Strecke wieder ungemütlicher und unerfreulicher. Die Radwege gibt es nicht mehr durchgehend, man wird über holprige Nebenstraßen von der nun doch vielbefahrenen N 114 weggeführt und vom Stettiner Haff sieht man nun auch nichts mehr. Die Einfahrt nach Stettin ist dann sehr abenteuerlich. So wird hier zur Zeit die N 115, eine der Haupteinfallstraßen von Stettin, restauriert, was sicher gut und notwendig ist. Die Radfahrer werden aber auf einem sehr sandigen Weg durch einen sehr hügeligen Wald geleitet. Irgendwann bleibe ich stecken und schlage mich durchs Unterholz zur Baustelle durch. Die Straße ist zwar gesperrt, aber bereits gut asphaltiert; umso besser kann man hier mit dem Fahrrad vorwärts kommen. Die Polen sind da auch nicht so streng und so hindert mich niemand an der Fahrt durch die Baustelle. Ich bin auch nicht der einzige Radfahrer der hier unterwegs ist.
Schließlich komme ich in eine Parklandschaft und an einer großen Freilichtbühne vorbei und stehe dann mit einem Male vor einem sehr pompösen Denkmal mit drei riesigen Greifvögeln, was nach der Beschreibung das Denkmal zur Ehrung der Taten der Polen darstellt, das am 3. September 1979 zum 40. Jahrestag des Überfalls von Nazi-Deutschland hier an prominenter Stelle enthüllt wurde. Es sei ein „Symbol der drei Epochen in der Geschichte der Taten von Polen, die von Anbeginn des Bestehens des polnischen Staates tausend Jahre lang die nationale Existenz gestaltet haben, die zur Zeit die Existenz gestalten haben und die sie in der Zukunft festigen werden“. Na gut. Ein Denkmal also auch für die Taten der Zukunft. Angesichts der Erläuterung stellen sich bei mir mehr Fragen ein als ich durch die Erläuterungen Antwort bekomme. Aber lassen wir das an dieser Stelle. Nun geht es erst einmal schnurgerade in die Innenstadt, wo auch mein Quartier liegt.
Es ist die aleja Papieza Jana Pawla II., also die Allee Papst Johannes Pauls II., die sich durch die halbe Stadt zieht und offensichtlich eine der beliebtesten Flaniermeilen ist. Mein Quartier, wohl eine Art Gästehaus einer Bildungseinrichtung mit angeschlossener Eisdiele, in der das Frühstück serviert werden soll, liegt sehr zentral in der Ulica Slaska inmitten der Stettiner Neustadt, die heute, nach der weitgehenden Zerstörung der Altstadt, sich zum neuen Zentrum Stettins entwickelt hat. Der Empfang ist freundlich. Man spricht hier Englisch, ich kann mein Fahrrad sicher im Keller abstellen und mein Zimmer ist einfach aber ordentlich und das WLAN funktioniert auch einwandfrei.
Obwohl ich auch heute ziemlich erschöpft bin, mache ich mich, nachdem ich das Zimmer belegt und mich eingerichtet habe, zu Fuß auf den Weg zu der etwa einen Kilometer entfernten Jakobskathedrale. Ich hatte in Erinnerung, dass man den Turm besteigen kann und denke, dass man von dort oben einen schönen Blick auf die Stadt haben müsste. So zahle ich 10 PLN und kann zu meiner Freude gar nicht hinaufsteigen, sondern muss den Fahrstuhl benutzen. Leider ist die Sicht auf die Stadt nur hinter Glas möglich. Dennoch sind die Ausblicke erwartungsgemäß phantastisch. Ich fotografiere so gut es geht und hoffe, dass man die Schlieren auf den Fenstern nicht allzu sehr auf den Bildern sieht.
Den Abend verbringe ich dann in einem nahegelegenen Lokal, das polnische Küche anbietet. Das Essen ist recht ordentlich, auch wenn ich Wildschweinbraten mit Pfifferlingssauce bestelle und mir dann doch etwas Kalbfleischartiges serviert wird. Was soll´s. Mit der Ankunft in Stettin habe ich meine Rundtour um das Stettiner Haff beendet und bei mir reift nun doch der Gedanke, ob ich hier nicht meine Tour beenden und die Heimreise mit dem Zug antreten sollte. Nach Leipzig schaffe ich es bis Sonntag ohnehin nicht mehr und am Sonntag wollte ich wieder zu Hause sein, um auch noch die Rückkehr von Heidrun am Montag vorbereiten zu können. Die 170 Kilometer der letzten beiden Tage haben mich auch ziemlich geschlaucht. Offensichtlich sind meine Kräfte nach dem Magen-Darm-Infekt noch nicht wieder voll hergestellt. Da es auch noch wärmer werden soll, verspüre ich dann auch wenig Lust noch weiter zu fahren und Kilometer zu schrubben. Ich lasse mir noch Zeit bis morgen, aber ich glaube ich weiß schon wie ich mich entscheide. Da mir Stettin ja sehr gut gefällt, bleibe ich vielleicht noch ein, zwei Tage hier und schaue mich noch in der Stadt um.
Tagesdaten: 75,93 Km; 05:34:09 Std. Fz.; 13,63 Km/h; 183 Hm