18. Tag (21. August 2019): Von Ahlbeck nach Ueckermünde

Heute geht es also wieder Richtung Heimat. Der Tag verspricht herrlich zu werden. Als ich nach dem Aufstehen aus dem Fenster rausschaue ist strahlend blauer Himmel. Herr Schlatter, der mit seiner Frau die Strandkojen betreibt, kommt um kurz nach 7 Uhr und verabschiedet sich von mir. Ich kann nur sagen, dass ich mich hier in den Strandkojen gut aufgehoben gefühlt habe. Ich kann sie daher nur weiterempfehlen (http://www.usedom-strandkojen.de). Um 7:45 Uhr fährt der Zug, mit dem ich auch heute wieder nach Ahlbeck fahren will, um die Tour dort zu starten. Bis zu meinem heutigen Ziel Ueckermünde wären es sonst über 125 Kilometer. Es bleiben immer noch um die 90 Kilometer und das ist sicher genug, zumal es heute wieder sehr warm werden soll.

Der Weg entlang des Stettiner Haffs führt mich jetzt noch zu den vier letzten Kirchen auf Usedom, die ich mir bisher noch nicht angeschaut habe. Vom Ahlbecker Bahnhof geht es aber zunächst ungewöhnlich steil Hügel auf und Hügel ab. Steigungen von 9 Prozent sind keine Seltenheit. In Garz dann das erste Kirchlein auf meiner heutigen Tour.. Die Grundmauern aus Feldsteinen und darüber Backsteingotik weisen die Kirche schon deshalb als sehr alt aus. Ähnlich wie Liepe stammt auch sie schon aus dem 13. Jahrhundert. Zur Ausstattung der Kirche gehören zwei Votivschiffe sowie die Ausstellung „Der Golm und seine Umgebung“, die einen Einblick in die wechselhafte Geschichte des ehemaligen Hausbergs der Swinemünder gibt. War der Golm früher beliebtes Ausflugsziel mit Cafés und Gaststätten so ist er heute Mahnmal für die tausenden von Opfern des Bombenangriffs auf Swinemünde 1945. Tausende der Opfer waren Flüchtlinge, die vor den herannahenden Russen die Flucht ergriffen hatten und die insbesondere aus Pommern und Ostpreußen kamen und den Angriffen schutzlos ausgeliefert waren.

In Garz beginnt auch eine sehr schöne Fahrradstrecke, die bis Usedom verläuft. Sie führt bald ans Haff und ist auch landschaftlich recht vielseitig. Mein nächstes Ziel ist der kleine Ort Zirchow. Auch hier eine uralte Kirche, die allerdings im Laufe der Jahrhunderte doch zahlreiche Veränderungen erfahren hat. Auch hier wurde der ursprünglich Feldsteinbau backsteingotisch weiterentwickelt und wurde mit seinen über ein Meter dicken Mauern auch als Wehrkirche vor räuberischen Übergriffen genutzt. Im 15. Jahrhundert kam der quadratische Turm hinzu, der später mit einer barocken Haube abgedeckt wurde, nachdem die alte Haube durch einen Blitzeinschlag zerstört worden war. Auch in dieser Kirche waren unter dem Putz Reste mittelalterlicher Wandmalereien, die teilweise freigelegt werden konnten. Eine überregional Berühmtheit erlangte die Kirche vor allem dadurch, das Lyonel Feininger sie mehrfach skizziert hat. Ein Gemälde der Kirche von Zirchow hängt sogar in New York im Brooklyn Museum.

Mein nächster Stopp ist dann in Stolpe. Die Kirche hat nicht viel zu bieten, aber ein Blick auf das Stolper Schloss lohnt immer, zumal es inzwischen sehr schön rekonstruiert und restauriert wurde. Das Gut Stolpe war bereits seit Anfang des 13. Jahrhunderts Sitz der Stolper Nebenlinie der Familie von Schwerin. Im 16. Jahrhundert wurde das Schloss im Stil der Hochrenaissance errichtet und im 19. Jahrhundert im historistischen Stil umgebaut. Das Schloss blieb bis nach dem 2. Weltkrieg im Besitz der Familie von Schwerin. Die letzte adlige Besitzerin musste Stolpe dann aber nach der Bodenreform 1945 verlassen. Stolpe reizt mich aber noch aus einem anderen Grund. Hier gibt es einen phantastischen Bäcker. In meiner Erinnerung geblieben sind vor allem die substanzhaften Rosinenbrötchen, die ich immer gerne zu Frühstück verzehre. Bessere als die aus Stolpe habe ich nie mehr bekommen. Allerdings brauche ich heute leider keine Rosinenbrötchen. Dennoch kann ich in Stolpe nie vorbeifahren, ohne in Langhoffs Backstube einzukehren und so gönne ich mir um gerade einmal 11 Uhr einen Cappucciono und einen Streuseltaler und verliere noch etwas mehr Zeit bei der Bewältigung der heutigen Strecke.

Nächste Station ist dann natürlich der Ort Usedom, wo ich mir vor allem die Marienkirche etwas näher anschaue. Erstmals erwähnt wurde sie 1337. Ihr heutiges Aussehen verdankt sie allerdings einer Komplettsanierung 1891. Hinter Usedom geht es dann auf einer Nebenstraße ziemlich nah am Stettiner Haff entlang. Hier komme ich dann in Mönchow zur letzten Station meiner Usedomer Kirchentour. Auch diese Kirche wurde zunächst aus Feldsteinen und dann darüber aus Backsteinen errichtet. Ihre Ursprünge reichen wohl mindestens ins 15. Jhd. zurück. Sie hat als eine der wenigen Kirchen auf Usedom den Dreißigjährigen Krieg unbeschadet überstanden. Dafür fiel dann 1817 bei einem Sturm der Turm um. Der heutige Fachwerkturm wurde 1827/28 erbaut. Das Innere kann ich nicht betrachten, weil die Kirche verschlossen ist.

Weiter geht es nun über Karnim. Die dortige Fähre, die den Weg nach Ueckermünde um 30 Kilometer reduziert hätte, fährt allerdings seit diesem Jahr wegen technischer Mängel nicht mehr. Man kann hier aber die nicht allzu häufige Konstruktion einer Eisenbahnhubbrücke bestaunen. Sie war Teil einer 360 Meter langen Eisenbahnbrücke zwischen dem pommerschen Festland und der Insel Usedom. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges sprengte die Wehrmacht die Brücke, um den Vormarsch der Roten Armee zu erschweren. So ragt heute nur noch der Hubteil der Brücke aus dem Peenestrom. Nun ist es nicht mehr weit bis zur Straßenbrücke, auf der man über die B 110 die Insel Usedom verlässt. Der Weg führt zunächst durch eine markante Schilflandschaft in dem erst 2011 gegründeten Naturpark Flusslandschaft Peenetal. Das Peenetal gilt als das größte zusammenhängende Niedermoorgebiet Mitteleuropas. Dort wurden 156 Vogel- und 37 Fischarten gezählt, weshalb die Peene auch als der vermutlich artenreichste Fluss Mecklenburg-Vorpommerns bezeichnet wird.

Der Fahrradweg führt nach der Brücke über den Peenestrom gut ausgebaut entlang der B 110 bis Libnow. Von dort geht es dann über 6 Kilometer über Feld und durch Wald auf einem nach wie vor gut asphaltierten Radweg bis Relzow und dann die letzten 5 Kilometer wieder entlang der B 110 nach Anklam. Von hier hat man teilweise einen sehr eindrucksvollen Blick auf die Silhouette von Anklam. Kurz vor Anklam geht es dann wieder durch weite Schilffelder.

Da die Zeit schon recht fortgeschritten ist, in Anklam komme ich gegen 15:30 Uhr an, und immer noch fast 40 Kilometer auf zum Teil sehr schlechter Wegstrecke vor mir liegen, will ich nicht lange hier verweilen. Allerdings habe ich inzwischen gewaltigen Hunger und verzehre auf dem Rathausplatz mein mitgebrachtes und belegtes Brötchen sowie zwei der gestern erworbenen Bananen. Der Eindruck von Anklam ist schon interessant. Obwohl auch dieser Ort inzwischen schön herausgeputzt ist, hat man doch den Eindruck, dass hier die Kaufkraft erheblich schwächer ist als in den Bädern auf Usedom. So ist der Rathausplatz von Billigketten wie NKD, EuroShop, Family, Mac Geiz und anderen geprägt.

Die ersten 10 Kilometer nach Anklam geht es noch über gute Radwege. Danach geht es aber über eine betonplattenbelegte Ruckelpiste zwar lediglich etwa 5 Kilometer entlang der schilfbewachsenen Niedermoorlandschaft, aus der immer wieder wie Lanzen abgestorbene Bäume herausragen, die den Eindruck untergegangener Armeen erwecken. Es ist eine Strecke, die mich ziemlich strapaziert. Mein Gleichgewichtsorgan und mein Cochlea Implantat mögen diese Erschütterungen überhaupt nicht und so bin ich doch gezwungen, meine ohnehin nicht hohe Geschwindigkeit noch weiter zu reduzieren. Am Ende der Rüttelstrecke ist dann ein Aussichtsturm, an dem ich eine Pause einlege. Die Aussicht von hier oben auf die Vogelwelt in den Tümpeln des Moores ist schon einmalig. Leider ist inzwischen der Akku von meinem Handy leer, so dass ich von hier oben keine Fotos mehr machen kann. Ich bin auch inzwischen zu erschöpft, um mir etwas anderes zu überlegen. Immerhin habe ich ja ein zweites iPhone als Navi dabei, mit dem ich auch fotografieren könnte. Aber der Elan ist dahin.

Hier oben auf dem Aussichtsturm komme ich mit einem Ehepaar aus Kempten im Allgäu ins Gespräch. Sie fahren den auch hier entlang führenden Oderradweg seit Görlitz und kommen zum ersten Mal in ihrem Leben an die Ostsee. Sie sind nicht wesentlich jünger als ich. Der Mann hat seine Altersgrenze wohl im nächsten Jahr erreicht, seine Frau muss aber wohl noch etwas länger arbeiten. Es ist ein nettes Gespräch, was sich entwickelt.

Dann geht es für mich weiter. Der Weg bis Bugewitz ist nun wieder asphaltiert. Nach Bugewitz geht es auf einem gut befahrenen Waldweg über Leopüoldshagen, der bis zum Erholungsort Mönkebude führt. Von hier geht es dann die letzten acht Kilometer auf einem wieder gut ausgebauten Fahrradweg meist entlang der Straße nach Ueckermünde. Als ich beim Lidl vorbeikomme kann ich nicht widerstehen und besorge mir neben dem Wasser für morgen auch noch ein Flasche Rotwein. Im Hotel am Markt komme ich nun doch recht erschöpft an. Ich bekomme aber ein schönes Zimmer und nach einer intensiven Dusche begebe ich mich in das hoteleigene Restaurant mit Freisitz auf dem Marktplatz und lasse mir ein Schnitzel mit Pfifferlingen schmecken. Bei der Reflexion des Tages komme ich für mich zu dem Ergebnis, dass die Strecke von Ahlbeck nach Usedom eine der vielseitigsten Strecken war, die ich bisher in Deutschland gefahren bin. Trotz aller Strapazen des heutigen Tages hat es sich sehr gelohnt. Zu mehr Reflexion bin ich aber heute Abend nicht mehr fähig.

Tagesdaten: 96,75 Km; 07:34:17 Std. Fz.; 12,77 Km/h; 358 Hm

 

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