Tagesstrecke: 57,40 Km; Saldo -40 Hm; 13,26 Km/h
Heute ist der Himmel zunächst wolkenlos, dann leicht wolkig und überwiegend scheint die Sonne direkt auf einen herab, wenn man sich außer Haus bewegt. Die Temperaturen steigen heute wieder bis auf 31 Grad. Das Frühstück ist gut und gegen 8 Uhr breche ich auf. Es war eine sehr hübsche kleine und einfache Unterkunft, die Willa Wiosna und ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Als ich meine Wirtin fragte, wo den die ´Volkswagenfabrik sei, bekam sie ganz glänzende Augen und war sehr engagiert mir den Weg zu erklären. Ich vermute, dieses Werk ist eine Goldgrube für den kleinen Ort und ich vermute, dass auch meine Wirtin davon profitiert, das sicher nicht alle Mitarbeiter hier aus Wrzesnia kommen.
Die Fabrik liegt auch nur etwa einen Kilometer von der Willa entfernt mitten auf einer freien Fläche mit Bahnanschluss, nahe der Autobahn und umgeben von einigen anderen Werken, die durchaus Zulieferbetriebe sein könnten. Auf einem Bahngleis steht ein lange Reihe von Wagen beladen mit den VW-Transportern, die hier hergestellt werden. Nachdem ich vorbeigefahren bin und mich so umgesehen habe, finde ich auch nach etwa 10 Kilometern zurück auf meinen geplanten Weg. In Strotzki schaue ich bei einem alten Herrenhaus vorbei. In einer ebenfalls dort stehenden für den Ort mächtigen Barockkirche findet gerade ein Trauergottesdienst statt, sodass ich dort nicht hineinkomme.
Ich fahre auf einer gut asphaltierten Straße zunächst weiter, die schnurgerade über Land führt, dann aber der Asphalt aufhört und sie als besserer Feldweg weiterführt bis in den Ort Gultowy. Hier hatte ich schon bei der Planung einen Stopp eingeplant, weil ich auf einem Bild eine Fachwerkkirche gesehen hatte. Die Kirche ist offen, es scheint aber gerade ein Gottesdienst bzw. die Morgenandacht zu sein, die sich aber dem Ende zuneigt, weil die ersten schon aufstehen und aus den Bänken treten. Es scheinen aber nur fünf Personen an der Andacht teilgenommen zu haben. Nachdem sie sich noch mehrmals verneigt und bekreuzigt haben, wie das halt bei Katholiken so üblich ist, kommen sie heraus und ich gehe hinein. Von den drei älteren Damen, die mir entgegenkommen, werde ich sehr missmutig angeschaut, insbesondere meine kurzen Fahrradhosen scheinen sie bei einem Kirchgang zu schockieren und wenn ich ihre Äußerungen richtig interpretiere, sagen sie mir das auch ziemlich unverhohlen. Aber da ich sie nicht verstehe, gehe einfach weiter in die Kirche hinein und beginne zu fotografieren. Natürlich bin ich bei der Hitze für eine katholische Kirche recht freizügig gekleidet, In der Kirche sind noch der Küster und der Pfarrer im Gespräch mit einer Behinderten, oh Gott wie nennt man das heute doch gleich wieder. Der Küster schaut zu mir rüber und, schaut aber nicht kritisch, sondern eher irritiert.
Nachdem der Pfarrer mit der Gläubigen fertig gesprochen hat und diese die Kirche verlassen hat, kommt er freundlich lächelnd auf mich zu und spricht mich an. Nachdem er merkt, dass ich ihn nicht verstehe und auf englisch versuche ihm das klarzumachen, macht er mit seinen Händen Fahrradbewegungen und als ich das auf englisch bejahe, sprechen wir ab dem Zeitpunkt englisch, was er mindestens so gut kann wie ich, wahrscheinlich besser. Er fragt mich, wo ich herkomme und offensichtlich kann er genauso wenig Deutsch wie ich Polnisch und so wir bleiben beim Englisch. Ich fasse mal zusammen, was ich durch ihn aber letztlich auch auf der Polnischen Wikipedia Seite über die Kirche gefunden habe.
Aber zunächst mein erster Eindruck: ich war doch sehr überrascht über die Farbenvielfalt, die einem in dieser Kirche entgegenstrahlt. Die Holzdecke ist bunt bemalt und insgesamt strahlt die Kirche zwar einen barocken, aber ich nenne es mal so, nicht pompösen, sondern eher einen dörflichen verspielten Stil aus. Die Kirche des Hl. Kasimir aus den Jahren 1737-1738 ist eine einschiffige Fachwerkkirche mit Schindeldach. Der Bauherr war Marcin Skaławski, der Schatzmeister von Poznań. Im Jahr 1784 wurde neben der Sakristei eine neugotische Grabkapelle aus Backstein der Familie Bniński angebaut, die wohl lange Zeit das Dorf unter sich hatten. Der hölzerne Turm stammt aus dem Jahr 1834. Interieur polychrom von 1750–1760. Die Ausstattung der Kirche gilt als Rokoko (Altar mit einem Gemälde der Jungfrau Maria mit Kind, Kanzel, Beichtstühle). Das passt, weil das Rokoko als spätes Barock betrachtet wird und leichter, verspielter und auch nicht mehr so monumental und dramatisch wie der Barock.
Das Ganze erörtern wir in dem Gespräch mit dem Pfarrer. Er spricht meines Erachtens auch von Barock. Das Gespräch zieht sich so sicher über 10 Minuten hin. Dann streift er sich die Soutane über den Kopf und steht in Jeans da und fragt mich, ob ich mit ihm Kaffee trinken wolle, er wohne im Pfarrhaus gegenüber. Einem Kaffee bin ich nicht abgeneigt, sage aber, dass ich zunächst die Kirche noch von außen fotografieren wolle. Als ich in das wirklich hübsche Pfarrhaus komme, leider habe ich nicht mehr dran gedacht es zu fotografieren, bietet er mir einen Platz in der Küche an und fragt mich dann, ob ich mit ihm frühstücken wolle. Es fällt mir schwer abzulehnen, weil ich weiß, dass ich bis Poznan sicher nichts mehr essen werde, aber andererseits würde das meine Weiterfahrt so verzögern, dass es noch heißer würde bis ich nach Poznan komme. Mit dem Argument bitte ich ihn dann auch um Verständnis, dass ich kein Frühstück mehr wolle. Der Küster ist inzwischen dazu gekommen und macht mir einen Cappuccino mit der gleichen Kaffeemaschine, die wir zu Hause haben, während sich der Pfarrer am Herd in der Pfanne eine aufgeschnittene Tomate brutzelt. Als ich ihn frage, ob ich ihn dabei fotografieren dürfe, findet er das eine ganz tolle Idee und stellt sich gleich in Positur. Dann fotografiert der Küster noch uns beide zusammen. Der Pfarrer heißt übrigens Ks. Jerzy Symczak, wobei auf das Ks. vor seinem Namen wert legt. Es ist wohl eine Abkürzung für Pfarrer. Er ist hier in dem Ort seit 2022.
So wäre es sicher noch länger weiter gegangen. Wir sprachen über dies und jenes und mir floss die Zeit davon, die noch einigermaßen erträglich zum fahren war. Insofern bat ich dann noch einmal um Verständnis, dass ich nun weiterfahren müsse, was ich eigentlich bedauert habe, denn es war eine angenehme Atmosphäre. Aber inzwischen hatte mein Aufenthalt hier schon fast eine Stunde gedauert und es ging auf 11 Uhr zu und vor mir lagen noch 35 Kilometer. Ich wurde richtig gehend freundschaftlich verabschiedet, wir umarmten uns und so verließ ich diesen christlichen Ort. Ich wäre gerne länger geblieben.
Weiter fuhr ich dann auf einer wieder recht gut asphaltierten Straße fast gerade aus, bis ich nach acht Kilometern in das Dorf Czerlejno kam. Hier steht nämlich die zweite Kirche, die ich mir noch anschauen wollte. Sie sieht der ersten sehr ähnlich aber ist doch ganz anders. Zunächst ist sie nicht aus Fachwerk sondern außen eine schlichte Holzkirche. Aber innen sieht man die gleiche Struktur der Hallenkirche wie in Gultowy und dennoch ganz anders wie aus den Fotos sicher deutlich wird. Die Innenausstattung einschließlich des Hauptaltars aus der Zeit vor 1767, der Kanzel und des Taufbeckens ist größtenteils ebenfalls im Rokokostil aus der zweiten Hälfte des 18. Jhdt. gehalten. Dennoch ist die Ausgestaltung viel formaler und damit strenger als in Gultowy. Das wird besonders auch an der Deckengestaltung deutlich. Während hier lediglich eine recht schmucklose Kassettendecke ist, waren es Gultowie filigrane pastellfarbene Malereien auf Holzbalken.
Ich bin übrigens wahrscheinlich nur zufällig in diese Kirche hineingekommen. Sie war nämlich nur deshalb offen, weil am Turm etwas repariert wurde und das Elektrokabel in der Kirche angeschlossen war und man daher die Tür nicht ganz schließen konnte. Die Gelegenheit habe ich mir dann doch nicht entgehen lassen. Ich bleibe wegen meines schlechten Gewissens aber nur wenige Minuten in der Kirche. Es hätte sich sicher gelohnt, hier etwas länger zu verweilen. Aber ich sollte ja ohnehin weiter fahren.
Dann geht es weiter Richtung Poznan. Die Hitze ist jetzt nur noch erträglich, weil ein ständiger leichter Gegenwind etwa erfrischt. Gegen 13:30 Uhr erreiche ich dann meine Unterkunft. Es ist ein Apartmenthaus wie man sie in Großstädten nun immer häufiger angeboten bekommt. Mit meinem Zimmer bin ich zufrieden, nicht jedoch mit der vorgeschlagenen Unterbringung meines Fahrrades. Dies soll ich nämlich auf einen Autoparkplatz in der Tiefgarage für 50 Zloty pro Tag, bei zwei Tagen wären das umgerechnet ca. 23 €. Ich kann die Frau an der Rezeption schließlich davon überzeugen, dass dies kein geeigneter Abstellplatz für mein Fahrrad ist, weil ich es nirgends anschließen kann, es damit nicht diebstahlsicher untergebracht sei. So wird mir angeboten, mein Fahrrad mit aufs Zimmer zu nehmen. Da die Zimmer eine Größe von etwa 25 Qm haben, wäre das natürlich möglich. Da ich aber sehe, dass vor meinem Zimmer so viel Platz ist, dass ich es gut dort abstellen kann, mache ich das auch, zumal der Gang, auf dem sich vier Zimmer und das meine befinden, nur mit einer Zugangskarte betreten werden kann.
Ich werde in Poznan leider nur zwei Nächte verbringen, ursprünglich hatte ich vier geplant. Da ich aber aus persönlichen Gründen am 21. August wieder zu Hause sein möchte, meine geplante Tour allerdings auch bis Cottbus zu Ende fahren möchte, habe ich mich dafür entscheiden meine Aufenthalte in Poznan und Zielona Gora entsprechend zu verkürzen zu verkürzen.
Als ich mich eingerichtet habe, gehe ich erst einmal im gegenüberliegenden Zapka Getränke einkaufen, dann wasche ich meine Wäsche mal wieder, dann ruhe ich mich aus und schließlich verbringe ich den Nachmittag noch damit meinen Bericht zu schreiben. Abends mache ich noch einen Spaziergang und kehre in einem Lokal am Rynek zum Abendessen ein. Aber dazu später mehr.
Abendspaziergang in Poznan
Nachdem ich mich mehrere Stunden erholen konnte, habe ich auch wieder genügend Energie geladen, um mich noch einmal aufzuraffen. Primär ist es auch der Hunger, der mich dazu treibt. Gegen 19 Uhr mache ich mich auf den Weg. Die Erfahrungen der letzten Tage haben mir gezeigt, dass das eine gute Zeit ist, um noch einmal ins Freie zu gehen, weil um diese Zeit die Temperaturen deutlich angenehmer werden.
Ich mache die Beschreibung kurz. Ich laufe erst zum Rynek, also dem Markt- oder Rathausplatz, dort finde ich ein Lokal, wo ich ein Bigos bekomme, einen polnischen Krauttopf mit Wurst und oder oder Fleisch und den ich bei dieser Tour in Polen noch nicht angeboten bekommen habe. Nachdem ich so gestärkt bin mache ich einen längeren Rückweg rbei am wiedererrichteten Schloss der polnischen Könige, laufe dann über den Plac Wolnosci, also den Freiheitsplatz bis zum Kaiserlichen Schloss, ja tatsächlich, Poznan hat ein kaiserliches Schloss.
Das Residenzschloss Posen, heute polnisch als „Posener Kaiserschloss“ (Zamek Cesarski w Poznaniu) bezeichnet, wurde als einer der letzten großen Schlossbauten Europas im Auftrag des deutschen Kaisers Wilhelm II. nach Plänen des Architekten Franz Schwechten in den Jahren von 1905 bis 1913 im neoromanischen Stil erbaut. Während der deutschen Besetzung Polens betrieben die Nationalsozialisten nach 1940 den Ausbau des Posener Schlosses zu einer „Führerresidenz“. Beide hatten von dieser Residenz wohl eher wenig. Ob und wie Oft Kaiser Wilhelm II. sich hier aufgehalten hat, habe ich nicht herausbekommen. Von Hitler ist überliefert, dass er sich nie in der Residenz aufhalten konnte.
Man muss dazu wissen, das Posen nach der Zweiten Polnischen Teilung 1793 zum Königreich Preußen gehörte und damit ab 1871 bis 1918 zum Deutschen Kaiserreich. Auf die Geschichte Poznan und Posens, wie sie im Deutschen Reich hieß, werde ich aber im Rahmen meines Kurzbesuches nicht viel weiter eingehen.