Das Frühstück im Hotel ist ein ordentliches Hotelbufett. Danach mache ich mich auf den Weg in die Stadt. Heute ist es wieder heiter bis wolkig und es bleibt trocken bei recht angenehmen Temperaturen.

Warschau (polnisch Warszawa) ist seit 1596 die Hauptstadt Polens und die flächenmäßig größte sowie mit über 1,75 Mio. Einwohnern bevölkerungsreichste Stadt des Landes. Als eines der wichtigsten Verkehrs-, Wirtschafts- und Handelszentren Mittel- und Osteuropas genießt Warschau große politische und kulturelle Bedeutung. In der Stadt befinden sich zahlreiche Institutionen, Universitäten, Theater, Museen und Baudenkmäler. Auf beiden Seiten der Weichsel in der Woiwodschaft Masowien gelegen, stellt sie das Zentrum der zweitgrößten Agglomeration Polens mit rund 3,5 Mio. Einwohnern dar. Ihr Stadtgebiet gliedert sich in 18 Stadtbezirke, unter denen Śródmieście (Stadtmitte) die Innenstadt ausmacht und das UNESCO-Welterbe der wiederaufgebauten Warschauer Altstadt beherbergt. Warschau ist eine der jüngsten europäischen Hauptstädte. Nach dem Brand des Krakauer Wawels 1596 entschloss sich Sigismund III. Wasa aus dem schwedischen Hause Wasa die Residenz der polnischen Könige nach Warschau zu verlegen, weil er zugleich König von Schweden war und Ambitionen auf den Moskauer Zarenthron hegte. Der etappenweise Umzug ging einher mit dem Ausbau des Sitzes der masowischen Herzöge zum polnischen Königsschloss ab 1598 durch italienische Baumeister. Nach der Rückkehr vom erfolgreichen Feldzug nach Moskau 1611 blieb Sigismund III. Wasa endgültig in Warschau. Gleichwohl blieb Krakau rechtlich weiterhin Hauptstadt, da es keinen Rechtsakt gab, der den Umzug legalisieren würde. Warschau stand bis 1795 nur der Titel des Königssitzes zu. Mit der Erlangung der Rolle der Hauptstadt begann für Warschau eine Blütezeit im Frühbarock unter der Dynastie der Wasas, die bis zur Zerstörung der Stadt durch die Schweden 1655 andauerte. Nach dem Brand der Altstadt 1607 wurde diese im manieristischen Stil wieder aufgebaut. Warschau wuchs im 16. Jahrhundert weit über die mittelalterlichen Stadtmauern der Alt- und Neustadt hinaus und hatte über 50.000 Einwohner. Es entstanden neue Stadtviertel beiderseits der Weichsel. 1568 bis 1573 entstand die Most Zygmunta Augusta, die erste feste, über 500 m lange Weichselbrücke auf 18 Pfeilern. Es war eine der längsten Brücken im damaligen Europa. Im Jahr 1648 erhielt Praga, der Stadtteil auf dem rechten Weichselufer, die Stadtrechte. Sigismund III. Wasa ließ das Königsschloss das Schloss Ujazdowski und den Kazimierz-Palast im frühbarocken Stil um- und ausbauen. Entlang der Krakauer Vorstadt entstanden am Königsweg prachtvolle Paläste des Adels wie der Koniecpolski-Palast, der Potocki-Palast oder der Krasicki-Palast. Als eines der luxuriösesten Palais Europas galt der 1641 errichtete Ossoliński-Palast.

Warschau hat aber wie Polen überhaupt eine sehr wechselhafte Geschichte. So wurde Warschau öfters zerstört oder niedergebrannt. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war Warschau eines der führenden Zentren der frühen Neuzeit in Europa. In den Jahren 1655–1657 wurde Warschau das erste Mal als Hauptstadt während des Zweiten Nordischen Krieges von den Schweden, Brandenburgern und Siebenbürgern zerstört. Die reichen Paläste wurden ausgeraubt und niedergebrannt und die geplünderten Kunstschätze und Bücherbestände nach Schweden verschifft. Die letzte Zerstörung fand 1944 durch die deutschen Besatzer statt. Auslöser war der Warschauer Aufstand, getragen von der polnischen Heimatarmee, der am 1. August 1944 begann. Er war die größte Erhebung gegen die Okkupanten im besetzten Europa während des Zweiten Weltkrieges. Fast die gesamte verbliebene Stadtbevölkerung beteiligte sich an den Kriegshandlungen, deren Ziel ein von Nazideutschland und der Sowjetunion unabhängiges Polen sein sollte. In den ersten Augusttagen wurden die polnischen Medien und eine Pfadfinderpost wiederhergestellt und die Erhebung hatte zunächst Erfolg, als sich die deutschen Truppen aus weiten Teilen der Innenstadt zurückziehen mussten. Aufgrund mangelnden Nachschubs jedweder Form kam der Aufstand schnell in eine kritische Situation. Die der Wehrmacht zu diesem Zeitpunkt weit überlegene Rote Armee war am rechten Weichselufer stehen geblieben und leistete dem Widerstand keine Unterstützung. Außerdem verweigerten die Sowjets den Westalliierten Flugplätze, von denen aus sie mehr Hilfsgüter und Waffen hätten einfliegen können. Die Heimatarmee musste am 2. Oktober 1944 kapitulieren. Im Warschauer Aufstand, der überwiegend durch Einheiten der Waffen-SS niedergeschlagen wurde, kamen fast 200.000 polnische Soldaten und Zivilisten ums Leben. Als Repressalie wurde die Mehrzahl der noch vorhandenen Gebäude auf dem linken Weichselufer von den deutschen Truppen planmäßig gesprengt und Warschau weitgehend zerstört. Die überlebende Bevölkerung wurde in Konzentrationslager oder zur Zwangsarbeit deportiert.

Tagesstrecke: ca. 20 Km zu Fuß

Spaziergang durch die Innenstadt von Warschau

Damit erst einmal genug zur Geschichte Warschaus. Meine heutige Stadtwanderung wird sicher noch genügend historische Betrachtungen mit sich bringen. Zunächst gehe ich wie fast alle Besucher, die nach Warschau kommen in die Innenstadt zum Kulturpalast, der immer noch das bedeutendste Wahrzeichen von Warschau ist. Der Kultur- und Wissenschaftspalast ist ein zwischen 1952 und 1955 auf Anordnung Josef Stalins im Baustil des Sozialistischen Klassizismus errichteter 237 Meter hoher Wolkenkratzer im Zentrum von Warschau. In den ersten Jahren seiner Fertigstellung war das damals Stalinpalast genannte 187,68 Meter hohe Gebäude, nach dem Hauptgebäude der Lomonossow-Universität in Moskau mit 240 Metern, das zweithöchste Gebäude Europas und ist heute, nachdem die Antenne 1994 angebracht wurde, mit 237 Metern das höchste in Polen. Inzwischen ist der Kulturpalast aber von einigen Wolkenkratzern umgeben, die ihm in der Höhe kaum noch nachstehen.

Der 44 Etagen zählende Kulturpalast wurde vom russischen Architekten Lew Rudnew entworfen. Rudnew ließ sich vom Empire State Building in New York inspirieren und sammelte zudem Anregungen auf einer Rundreise durch Polen. Nach dem Besuch von Städten wie Krakau, Zamość und Lublin versuchte er eine Synthese aus Sozialistischem Klassizismus und traditioneller polnischer Architektur zu schaffen. Die Grundsteinlegung war am symbolträchtigen 1. Mai, dem Tag der Arbeit, 1952, einem seit 1950 begangenen Feiertag in Polen, und innerhalb von drei Jahren wurde der Palast von 7.000 oder 10.000 Arbeitern, von denen 3.500 sowjetische Arbeiter waren, in 24-Stunden-Schichten in der Warschauer Innenstadt errichtet, die noch fast vollständig vom Zweiten Weltkrieg gezeichnet war und 85 % der Stadt zerstört waren. Die Eröffnung fand am 21. Juli 1955 statt. 

In der Zeit der Volksrepublik Polen war der Palast vor allem ein Ort zum Repräsentieren und Einladen: Das beste Restaurant der Stadt war dort, die Elite Polens, der Staatspartei der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, sowie die Vertreter des Warschauer Pakts trafen sich dort. Als Symbol der totalitären Unterdrückung war der Kulturpalast in Polen zunächst eher unbeliebt bis verhasst und von den Warschauern verspottet, dass der schönste Blick auf Warschau, der vom Kulturpalast sei, weil man von dort eben diesen nicht sehen muss, ist der Palast zwar nicht gänzlich unumstritten. Jedoch wurde er durch seine innere Umgestaltung und Historie bei vielen Einwohnern und Touristen beliebt und zählt zu den Wahrzeichen Warschaus. Heute beherbergt der Kulturpalast in seinen 3.288 Räumen Kinos, vier Theater und drei Museen, eine Schwimmhalle sowie eine Hochschule für Fotografie; dazu gibt es des Öfteren Modeschauen, Messen oder Konzerte in der angrenzenden Kongresshalle. Im 30. Stockwerk befinden sich darüber hinaus in 114 Metern Höhe eine Aussichtsplattform und ein Panoramarestaurant.

Während bei meinem letzten Besuch im Jahre 2011 zwar schon einige den Kulturpalast umgebende Hochhäuser im Bau waren, sind heute noch mehr fertiggestellt. Es ist ein städtebaulich höchst komplexes Arrangement entstanden, dass aber von der Ferne einen ähnlichen Reiz hat wie die Skyline von Frankfurt. Ich wandere einige Zeit – die braucht man schon – um den Kulturpalast herum, besuche auch die die „Goldenen Terrassen“, ein riesiges Handels- und Freizeitzentrum gegenüber dem Kulturpalast.

Danach geht es weiter und mein Weg führt mich zur Nożyk-Synagoge, eine der beiden noch erhaltenen Synagogen in Warschau, die recht versteckt und umgeben von anderen Häusern am Rande der Innenstadt liegt. Hier schaue ich auch für 10 Zloty hinein. Danach komme ich an einer Alten Markthalle vorbei, in der man neben einem Supermarkt eine Reihe von kleinen Ständen und Geschäften besuchen kann. Der eigentliche Markt liegt direkt neben der Halle, hier findet man neben vielem frischem Obst und Gemüse auch andere Lebensmittel, frischen Fisch, Kleidung und weitere nützliche Dinge. Nach einer kurzen Pause an einem der Stände in der Markthalle und einem Cappuccino geht es weiter. Ich komme am Lubormirski-Palast einem heute klassizistisch gestalteten Palast vorbei, der heute Sitz eines Arbeitgeber-Verbandes ist. Der Name geht auf den Fürsten Aleksander Lubomirski zurück, der 1790 Eigentümer des Palastes und der Umgebung geworden war und den Umbau und die Modernisierung des Gebäudes forcierte. Der polnische klassizistische Architekt Jakub Hempel entwarf für den nun im klassizistischen Stil gestalteten Palast einen prächtigen Portikus, der auf zehn ionischen Säulen und einem Arkadenfundament ruht. 1803 erbte Lubomirskis Tochter Rozalie den Palast. Sie verkaufte ihn schon 1816 an den General Izydor Krasinski.

Wichtiger als der Palast ist sicher das davor stehende Denkmal für Tadeusz Kościuszko. Am 16. November 2010 wurde vor dem Palast ein von der Citigroup finanziertes Denkmal von Tadeusz Kościuszko enthüllt. Das Denkmal ist eine exakte Nachbildung eines Denkmals in Washington, dass dort am 9. Mai 1910 errichtet worden war. Wer war also Tadeusz Kosziuszko, für den selbst im fernen Washington ein Denkmal aufgestellt wurde? Tadeusz Kościuszko (1746 – 1817) war ein polnischer Militäringenieur, der im Russisch-Polnischen Krieg von 1792 und besonders als Anführer des nach ihm benannten Aufstandes von 1794 gegen die Teilungsmächte Russland und Preußen zum polnischen Nationalhelden wurde. In den Jahren 1776 bis 1783 kämpfte Kościuszko auch im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auf der amerikanischen Seite. Er vertrat die Ideale der Aufklärung und unterstützte die weltweite Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei. Der Status eines Nationalhelden wird ihm außer in Polen auch in Belarus, in den Vereinigten Staaten und teilweise in Litauen zugeschrieben. Welche Bedeutung Kosciuszko hat, erkennt man daran, dass für ihn eine ähnliche Anzahl von Denkmäler gibt wie für den Nationaldichter Adam Mickiewicz.

Bald erreiche ich die Marszalkowska. Zunächst sehe ich hier ein großes Polizeiaufgebot und dann einige hundert junge Demonstranten. Als ich ein junges Pärchen anspreche und nach dem Zweck der Demonstration frage, dauert es zwar eine Weile ehe wir uns mit einigen Brocken Englisch und wenigen Brocken Deutsch verständigen können. Aber ich bekomme dann doch raus, dass es sich wohl um eine Demonstration der Friday for Future Bewegung handelt – Gut so, dass es dies auch in Polen gibt! Nach etwa 500 Metern entlang der Marszalkowska erreiche ich einen weiteren Park, den Krasinski-Park. Am Anfang des Parks steht eine eindrucksvolles Denkmal für den heldenhaften Kampf der Polen während der Schlacht am Monte Cassino. In Polen gilt die Einnahme der Ruinen von Monte Cassino als ein nationales Symbol für den Tod tausender polnischer Soldaten, die im Exil auf Seiten der Alliierten für die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus ihr Leben ließen. Das Lied Czerwone maki na Monte Cassino, deutsch Roter Mohn am Monte Cassino, glorifiziert den verlustreichen Kampf des polnischen Korps. In vielen Ländern gilt die Schlacht um Monte Cassino dagegen als Synonym für die Sinnlosigkeit des Krieges; die Zerstörung des Klosters als ein Mahnmal gegen Krieg und für Frieden.

Der Park ist sehr schön als barocker Garten angelegt. Ich wandele ein wenig zwischen den angelegten Rabatten durch zum Schloss am Ende des Parks. Der Krasiński-Palast (polnisch Pałac Krasińskich), auch Palast der Republik genannt, ist ein Barockschloss in Warschau aus dem 17. Jahrhundert. Das Schloss wurde von Tylman van Gameren für die Magnatenfamilie Krasinski von 1677 bis 1683 errichtet. Die Krasińskis schufen neben der Anlage des Schlossgartens im Schloss eine beträchtliche Kunstsammlung mit Werken von Albrecht Dürer, Antonio da Correggio, Rembrandt van Rijn und Peter Paul Rubens. Der deutsche Architekt Andreas Schlüter, der auch das Berliner Schloss, das Zeughaus und das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten vor dem Schloss Charlottenburg geschaffen hatte, führte die Innendekoration aus, insbesondere die beiden Reliefs der Frontspitze der beiden auf den Mittelrisaliten der Vorder- und Rückseite des Schlosses, die die Heldentaten des römischen Patriziers Marcus Valerius darstellen.

Nun gelange ich bald an das für mich wichtigste Zwischenziel der heutigen Wanderung durch Warschau. Das POLIN – das Museum zur Geschichte der Juden in Polen.

 

Besuch des POLIN-Museum zur Geschichte der Juden in Polen

Der Besuch dieses Museums war für mich ein Muss. Als ich das letzte Mal 2011 hier in Warschau war, stand das Museum im Rohbau. Nun ist es fertig und ist ein markantes, futuristisches Gebäude geworden. Das Museum wurde am 19. April 2013 anlässlich des 70. Jahrestages des Beginns des Warschauer Ghettoaufstandes eröffnet. Für mich ist das erste Problem, ob ich in dem Museum die Erläuterungen lesen kann. Schon an der Kasse bekomme ich mit, dass es keinen deutschsprachigen Führer durch das Museum gibt. Aber es gibt Audio Guides, die einen auch auf Deutsch durch das Museum führen. Wen das Ganze übrigens interessiert, dem empfehle ich den Artikel „Geschichte der Juden In Polen“ bei Wikipedia. Obwohl es nicht erwähnt wird, ist dieser Artikel eigentlich ein Führer durch das Museum. Ihm habe ich auch die hier folgende Zusammenfassung der Geschichte der Juden in Polen entnommen, die sehr kurz aber präzise und differenziert die Geschichte zusammenfasst.

Die Geschichte der Juden in Polen beginnt im späten 10. Jahrhundert und reicht von einer langen Periode religiöser Toleranz sowie relativen Wohlstands bis zur fast vollständigen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung während der deutschen Besetzung Polens aber auch bis zu den letzten Judenpogromen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die die verbliebenen Juden dazu brachte, dem Land endgültig den Rücken zu kehren.

Seit seiner Konsolidierung ab 960 galt das Königreich Polen als einer der religiös tolerantesten Staaten Europas. Mit dem 1264 von Herzog Bolesław dem Frommen (1224–1279) erlassenen Statut von Kalisz und der 1334 erfolgten Ergänzung durch König Kasimir den Großen (1310–1370) im Statut von Wiślica, erhielt die jüdische Bevölkerung weitgehende Rechte zugestanden, und Polen wurde zur Heimat für eine der größten und vitalsten jüdischen Gemeinden der Welt. Die Schwächung der polnisch-litauischen Union durch feindliche Invasionen sowie interne soziokulturelle Veränderungen, die protestantische Reformation und die katholische Gegenreformation, beeinträchtigen jedoch die Lage der jüdischen Bevölkerung Polens ab dem 17. Jahrhundert. Nach den Teilungen und der Auflösung Polens als souveränem Staat 1795 wurden die polnischen Juden Untertanen der Teilungsmächte Russland, Österreich und Preußen. Dank der Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1918 in Folge des Ersten Weltkrieges, entstand in Polen erneut eine der größten jüdischen Gemeinden der Welt, deren Platz in der polnischen Gesellschaft allerdings durch wachsenden Nationalismus belastet wurde.

1939 lebten vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Polen schätzungsweise 3.480.000 Juden, etwa 10 Prozent der damaligen Gesamtbevölkerung. Rund 90 Prozent von ihnen wurden während der Besetzung des Landes von den deutschen Nationalsozialisten ermordet, weiteren gelang die Flucht ins Ausland. Viele Polen riskierten das Leben ihrer gesamten Familie, um Juden vor der Vernichtung durch die deutschen Nationalsozialisten zu retten. Der im katholisch geprägten Polen existierende Antisemitismus führte jedoch auch dazu, dass sich einige Polen trotz antideutscher Haltung an der Verfolgung und Ermordung von Juden beteiligten, wie etwa im Massaker von Jedwabne am 10. Juli 1941 bei dem ca. 340 der jüdischen Bewohner der Stadt ermordet wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es im zunächst unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen leidenden und anschließend kommunistisch dominierten Nachkriegspolen wiederholt zu Ausschreitungen gegen Juden, wie etwa 1946 im Pogrom von Kielce. Die meisten der bis zu 240.000 polnischen Juden, die den Holocaust überlebt hatten, wanderten schließlich in Folge der ab 1968 staatlich geförderten antisemitischen Kampagne der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei aus der Volksrepublik Polen aus, viele von ihnen in den neu gegründeten Staat Israel.

Die heutige jüdische Gemeinde in Polen zählt etwa 8.000 bis 12.000 Mitglieder, wobei die tatsächliche Zahl der polnischen Juden höher sein dürfte.

Ich wandere etwa 1 1/2 Stunden durch das Museum, in dem man die Geschichte der Juden in Polen sehr lebendig erzählt bekommt. Es ist auch immer wieder interessant, wie die Polen einerseits insbesondere durch die Könige den Juden weitgehende Rechte zugestanden wurden, andererseits sich aber auch in Polen ein zunehmender Antisemitismus entwickelt hat. In dem Museum gibt es 8 sogenannte Galerien. Die erste Galerie gibt auch Aufschluss über den für Außenstehende merkwürdigen Namen des Museums „POLIN“. Die Kultur und der intellektuelle Ertrag der jüdischen Gemeinde in Polen hatten einen tiefen Einfluss auf das gesamte Judentum.

Einige jüdische Historiker haben festgestellt, dass das Wort Polen im Hebräischen als Polonia oder Polin ausgesprochen wird, und diese Namen für Polen wurden bei der Transliteration ins Hebräische als „gutes Omen“ interpretiert, da Polonia in drei hebräische Wörter geteilt werden kann: po (hier), lan (wohnt), ya (Gott) und Polin in zwei Wörter: po (hier) lin (sollte man wohnen). Die Botschaft besagte, dass Polen ein guter Ort für die Juden sei. Während der Zeit von Sigismunds Herrschaft bis zum Holocaust war Polen ein Zentrum des jüdischen religiösen Lebens.

Die zweite Galerie befasst sich mit den ersten Begegnungen zwischen Jude und Polen, die insbesondere durch jüdische Händler zwischen 960 und 1500 zustande kamen. Die dritte Galerie steht unter dem Motto „Paradies der Juden“ und befasst sich mit der großen Toleranz gegenüber Juden zu Zeiten der Königlichen Republik Polen-Litauen. In dieser Zeit wurde Polen-Litauen zur Heimat der größten jüdischen Gemeinschaft auf der Welt und zum Zentrum der jüdischen Zivilisation. Die vierte Galerie zeigt das Leben in einer jüdischen Stadt mit Wohnungseinrichtungen, einem Marktplatz und einer Taverne. In dieser Galerie wurde auch eine hölzerne und sehr malerische jüdische Synagoge aus dem heutigen Weißrussland nachgebaut. Die fünfte Galerie steht unter dem Motto „Begegnung mit der Moderne“ und stellt das jüdische Leben zur Zeit der polnischen Teilungen dar. Hier wird dargestellt wie die Industrialisierung zwischen 1772 und 1914 die Entstehung einer modernen jüdischen Kultur beeinflusst haben. In der sechsten Galerie wurde eine jüdische Straße nachgebaut, in der man mit Multimedia Schauen das pulsierende jüdische Leben in der zweiten polnischen Republik zwischen 1918 und 1939 nachempfinden kann. Die siebte Galerie erinnert dann an den Holocaust zwischen 1939 und 1945. Hier entdeckt man noch einmal die Grauen, die insbesondere die Deutschen den Juden durch Trennung, Isolation und Massenmord angetan haben: Dokumentiert wird hier auch das Leben und der Tod im Warschauer Ghetto. In der achten Gallerie werden schließlich die Nachkriegsjahre von 1944 bis in die Gegenwart dargestellt. Es schildert die Pogrome von Polen an der verbliebenen jüdischen Bevölkerung, die dann auch nach dem Krieg keine andere Möglichkeit sahen als Polen zu verlassen.

Nach der Besichtigung der Ausstellung muss ich mich erst einmal ausruhen und das, was ich aufgenommen habe, verarbeiten. Ich begebe mich also in den Museumsimbiss und stärke mich mit einer Suppe und etwas Brot. Danach schlendere ich durch den Museumsshop. Nachdem ich das Museum verlassen habe, verweile ich noch einige Augenblicke am gegenüberliegenden Denkmal für die Helden des Aufstands der Juden im Warschauer Ghetto. Hier fand am 7. Dezember 1970 der berühmte Kniefall des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt statt. Willy Brandt war damals zur Unterzeichnung des des deutsch-polnischen Vertrages nach Warschau gereist und legte auch an dieser Gedenkstätte einen Kranz nieder. Im Verlauf der Kranzniederlegung sank Willy Brandt zur allgemeinen Überraschung auf die Knie. Willy Brandt hat dazu später in seinen Erinnerungen ausgeführt: „Immer wieder bin ich gefragt worden, was es mit dieser Geste auf sich gehabt habe. Ob sie etwa geplant gewesen sei? Nein, das war sie nicht. Meine engen Mitarbeiter waren nicht weniger überrascht als jene Reporter und Fotografen, die neben mir standen, und als jene, die der Szene ferngeblieben waren, weil sie »Neues« nicht erwarteten. […] Ich hatte nichts geplant, aber Schloß Wilanow, wo ich untergebracht war, in dem Gefühl verlassen, die Besonderheit des Gedenkens am Ghetto-Monument zum Ausdruck bringen zu müssen. Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt.“ Heute ist man sich wohl einig, dass dieser Kniefall von Warschau eine wichtige Rolle bei der Entspannung zwischen den Blöcken gespielt hat.

Inzwischen gibt es auch zu diesem Kniefall ein Denkmal. Etwa 150 Meter nordwestlich des Ehrenmals und bis zum Bau des Museums der Geschichte der polnischen Juden von dort aus sichtbar, wurde dem Kniefall im Jahr 2000 ein Denkmal aus Backstein mit einer Bronzetafel errichtet. Das Areal um dieses Denkmal heißt inzwischen offiziell Skwer Willy’ego Brandta (Willy-Brandt-Quadrat). Obwohl ich um das Museum gehe und vor dem Denkmal auch auf einer Bank Platz nehme, erkenne ich es nicht, weil es durch Hecken verdeckt ist. Ich bin der Meinung, dass ich auf dem Willy-Brand-Platz sitze und freue mich, dass dieser Kniefall inzwischen auch in Polen gewürdigt wird. Das liegt auch an der Übersetzung. Der Begriff Skwer bedeutet eben nicht Platz, sondern Quadrat und das Denkmal steht tatsächlich auf einem Plattenquadrat. Freilich finde ich aber bei Wikipedia auch hierzu ein Foto. Nicht nur das Foto ist sehenswert, sondern auch der entsprechende Artikel bei Wikipedia über den „Kniefall von Warschau“ ist lesenswert.

Nachdem ich meinen Rundgang beendet habe, geht es zurück in die Altstadt.

 

Zum Denkmal des Warschauer Aufstands und zurück in die Altstadt

Auch der Weg zurück in die Altstadt ist gespickt mit Sehenswürdigkeiten. Zunächst geht es auf den Krasinskiplatz vorbei an dem modernen Gebäude des Obersten Gerichts in Polen, vergleichbar unserem Bundesgerichtshof. Das Oberste Gericht wurde bereits 1917 gegründet und hatte seinen Sitz damals bis 1939 im gegenüberliegenden Krasinski-Palast. Seit 1999 hat das Gericht seinen Sitz wieder am Krasinski-Platz in dem nun neuen Gebäude, das insbesondere durch seine 86 lateinischen Inschriften bekannt ist. Berühmter als das Gericht ist allerdings das Denkmal des Warschauer Aufstandes (polnisch Pomnik Powstania Warszawskiego), das an die Kämpfer des Warschauer Aufstandes von 1944 erinnert. Es wurde auf dem Krasiński-Platz vor dem Gebäude des Obersten Gerichts in Warschau nach Entwurf von Wincenty Kućma und Jacek Budyn erbaut und am 1. August 1989 enthüllt. Wie so viele Denkmäler in Polen ist auch dieses Denkmal sehr figurativ und damit sehr anschaulich. Es besteht aus zwei bronzenen Figurengruppen, die durch Steinmonumente symbolisiert wie aus dem Untergrund hervorsteigen. Obwohl das Denkmal an den Aufstand von 1944 erinnern soll, wurde es erst 1989 aufgestellt. Die kommunistischen Regierungen waren stets negativ zu einem solchen Vorhaben eingestellt. Man fürchtete wohl die Geister, die man rufen könnte, dann nicht mehr los zu werden. Was sich ja dann auch später in Polen durchaus bestätigte. Gegenüber des Denkmals geht es vorbei an der Feldkathedrale der polnischen Armee über die Ulica Dluga vorbei auch an der Heiliggeistkirche des Paulinerordens und durch die Barbakane in die Altstadt.

Während des Warschauer Aufstands 1944 wurde die Altstadt stark umkämpft. Viele Häuser stürzten im Bombenhagel ein. Nach der Niederlage der polnischen Heimatarmee wurde die gesamte überlebende Bevölkerung vertrieben, in der menschenleeren Stadt zerstörten SS-Einheiten mit Flammenwerfern und Sprengsätzen daraufhin die noch übriggebliebenen Bauten. Auch das 1939 ausgebrannte Königsschloss wurde 1944 vollständig zerstört. Die Warschauer, die nach dem 18. Januar 1945 zurückkehrten, fanden fast nur unbewohnbare Ruinen vor. Von den 957 als historisch klassifizierten Gebäuden der Vorkriegszeit waren 782 komplett zerstört und 141 teilweise zerstört. In der Altstadt standen noch die massiven Erdgeschossmauern, aber die Obergeschosse waren vielfach eingestürzt. Doch bald begann der Wiederaufbau. Zunächst mussten etwa 100.000 Minen entschärft werden. Am einfachsten wäre es gewesen, die Ruinen zu räumen und neue Häuser serienmäßig zu errichten. Aber man entschied sich, die Altstadt und das Königsschloss annähernd originalgetreu wiederherzustellen. Sie sollten ein Zeichen des Triumphes über die Besatzer darstellen. Der Wiederaufbau stand unter der Leitung von Jan Zachwatowicz.

Schon am 14. Februar 1945 entstand das Büro für den Wiederaufbau der Hauptstadt. Beim Wiederaufbau konnten Vermessungszeichnungen aus der Vorkriegszeit verwendet werden, die im Archiv der Architekturfakultät des Polytechnikums gerettet worden waren. Für die Fassadenrekonstruktionen nutzte man insbesondere detailreiche Stadtansichten aus dem 18. Jahrhundert von Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, den wir ja aus Dresden kennen. 1945 bis 1947 wurden die Bürgerhäuserruinen um den Marktplatz vom Schutt befreit. Gleichzeitig wurden archäologische Ausgrabungen durchgeführt. Unter dem bröckelnden Putz erschienen Fragmente gotischer Backsteinmauern und sogar ganze Spitzbögen. 1949 wurden die wiederaufgebauten Häuser der Nordseite des Marktplatzes dem Historischen Museum von Warschau (heute Museum von Warschau) übergeben und die gestürzte Sigismund-Säule wiedererrichtet. Mit dem Bau der neuen Ost-West-Straße, die am Rande der Altstadt verläuft, wurde 1948 begonnen. Sie wurde neben dem Schlossplatz im Tunnel kollisions- und lärmfrei geführt.

Am 22. Juli 1953 wurde die Warschauer Altstadt feierlich eröffnet. Die Häuser erhielten weitgehend das originalgetreue Aussehen, aber im Inneren wurden kleine Wohnungen nach dem damaligen Standard eingerichtet. Einige Wohnungen wurden bekannten Künstlern zur Verfügung gestellt. Manche Bereiche, überwiegend in der historischen Neustadt, die vor dem Krieg vielfach vier- bis fünfstöckig bebaut waren,  wurden auf zweistöckige Bebauungshöhe zurückgeführt und erhielten so einen kleinstädtischen Charakter. Aus heutiger Sicht gingen dadurch wertvolle Bauten des Historismus und des Jugendstils verloren und wurden zum Teil bewusst geopfert.

Der Wiederaufbau der Altstadt wurde erst um 1955 endgültig beendet. Der Wiederaufbau des Königsschlosses wurde wegen Geldmangels auf eine unbestimmte Zeit verschoben. Der Schutt wurde entsorgt, die Fundamente mit Erde verschüttet und mit Rasen bedeckt. Als der neue Parteisekretär Edward Gierek an die Macht kam, schlug er 1971 vor, den Wiederaufbau aus Spendengeldern zu finanzieren, was ihm eine allgemeine, aber kurzzeitige Sympathie brachte. Der Wiederaufbau dauerte etwa 17 Jahre. Es wurden die 1939 geretteten Details wiederverwendet. Im Königsschloss werden heute Kunstwerke aus den alten Sammlungen ausgestellt. Darunter die für den Wiederaufbau Warschaus sehr wichtigen Vedute der Stadt von Bernardo Bellotto sowie auch neu gespendete Kunstobjekte.

Für die Leistung dieses Wiederaufbaus wurde die Warschauer Altstadt und das Königsschloss 1980 auch in die Liste des Welterbes aufgenommen. Zur Begrünung hieß es recht enthusiastisch: „Die Einführung eines zusammenhängenden Wiederaufbaus im Maßstab einer gesamten historischen Altstadt war ein einzigartiges europäisches Experiment und trug dazu bei, dass die Regeln und die Praxis der Rekonstruktion und Denkmalerhaltung überprüft wurden. … Die Altstadt von Warschau – das historische Zentrum – ist ein außergewöhnliches Beispiel einer umfassenden Rekonstruktion einer Altstadt, die absichtlich und vollständig zerstört worden war. Die Basis der materiellen Wiederherstellung war die innere Stärke und Entschlossenheit der polnischen Nation, der es gelang, das historische Erbe auf eine einzigartige Weise in der Weltgeschichte wiederherzustellen“.

Ich schlendere durch einige Gassen kreuz und quer und gelange dann schließlich wieder auf dem Marktplatz, auf dem sich natürlich um diese Zeit recht viele Menschen tummeln. Er ist der historische und geografische Mittelpunkt der Altstadt, in dessen Mitte die Skulptur der Seejungfrau steht. Sie steht auf dem Areal, auf dem sich seit dem Mittelalter das Rathaus befand, das 1817 abgerissen wurde. Der Marktplatz wurde im 13. Jahrhundert auf einer Fläche von 90 × 73 Meter angelegt. Um ihn herum wohnten vor allem Kaufleute und Handwerker. Später siedelten sich auch viele Künstler hier an. Der Großteil der Patrizierhäuser wurde nach dem Stadtbrand von 1607 wiederaufgebaut. Hier gilt mein heutiges Interesse besonders der Skulptur der Warschauer Seejungfer. Die Warschauer Seejungfer, die in der linken Hand einen Schild und in der rechten ein Schwert hält ist, eine Symbolgestalt von Warschau und ziert in dieser Gestalt auch das Warschauer Stadtwappen. Die Figur hier auf dem Marktplatz wurde 1855 auf dem Altstadt-Marktplatz (Rynek) aufgestellt. Im Zeitraum 1928–2000 wurde sie an verschiedenen Orten aufgestellt und von Vandalen oft beschädigt. 2000 kehrte sie auf den Marktplatz zurück. Um die im Zweiten Weltkrieg nur gering beschädigte Skulptur auch vor Witterungseinflüssen dauerhaft zu schützen, fertigte man im Jahr 2008 einen Abguss aus Bronze, der nunmehr auf dem Marktplatz steht. Am 1. Juni des gleichen Jahres erhielt die Originalfigur einen dauerhaften Platz im Historischen Museum.

Vom Marktplatz aus gehe ich über die Swietojanska in Richtung zum Königlichen Schloss. Hier steht auch die Johanneskirche, von der man aber vom außen nur eine neugotische Fassade sehen kann, weil die nebenstehenden Häuser unmittelbar an die Außenseiten heranreichen. Die Johanneskathedrale, auch Johannesdom, in der Altstadt der polnischen Hauptstadt Warschau ist seit 1798 Domkirche des Erzbistums Warschau und zugleich älteste Warschauer Kirche. Das Gebäude selbst, das dem heiligen Johannes dem Täufer geweiht. Auch sie wurde in Folge des Warschauer Aufstandes oder besser ausgedrückt der daraufhin entfachten Zerstörungswut der deutschen Besatzer völlig zerstört. So stellt sie sich heute als gotischer Neubau aus den Jahren 1948 bis 1956 dar. In diese Kirche schaue ich nun natürlich hinein und stehe doch angesichts der nicht so beeindruckenden Außenfassade ziemlich überwältigt in einem riesigen Kirchenschiff.

Da von der alten Kirche kaum etwas übrig geblieben war, konnte der Wiederaufbau ohne Anlehnung an das neugotische Aussehen erfolgen. Unter Leitung des Architekten Jan Zachwatowicz begann der 1947 grundlegende Wiederaufbau, der 1954 abgeschlossen wurde. Von der alten Kirche wurde nur der Grundriss, die Lage der Frontfenster und die Höhe des Dachansatzes übernommen, das ganze Gebäude wurde in Nachahmung der Masowischen Gotik neu ausgeführt. An Stelle der alten im 19. Jhdt. neugotisch geschmückten Fassade, trat ein Treppengiebel aus Backstein, dessen einzelne Felder weiß verputzt wurden. Der Innenraum wurde auch neu konzipiert, so dass zwar die alten gotischen Sterngewölbe nachgeahmt, die Mauern jedoch neben kleineren Backsteinelementen größtenteils weiß verputzt wurden. Die frühere üppige Ausstattung und die vielen Bürgerepitaphien aus der Renaissance und des Barock konnten nicht vollständig wiederhergestellt werden.

Nicht ganz so wie der Wawel in Krakau ist aber auch die Johanneskathedrale eine wichtige polnische Begräbnisstätte. Die Kirche beherbergt neben den Grabmälern der Warschauer Bischöfe (u. a. Stefan Wyszyński und Józef Glemp) und der Masowischen Herzöge auch Gräber zahlreicher wichtiger Persönlichkeiten Polens. So ruhen in ihrer Krypta unter anderem der letzte polnische König Stanislaus II. August, dessen sterbliche Überreste aus Grodno überführt wurden, der Literaturnobelpreisträger Henryk Sienkiewicz, der Komponist und Politiker Ignacy Jan Paderewski sowie die beiden ersten polnischen Präsidenten Gabriel Narutowicz und Ignacy Mościcki. Die Krypta erspare ich mir und wandere nun weiter zum Königlichen Schloss.

 

Auf dem Königsweg

Zunächst mache ich noch einmal wie bereits gestern auf dem Schlossplatz halt. Die Sonne steht inzwischen schon recht tief und ich befürchte etwas, dass ich den Königsweg wieder im Dunkeln absolvieren muss. Aber mal sehen. Die Wurzeln des in der Altstadt im Bezirk Śródmieście am Schlossplatz gelegenen Gebäudes gehen auf ein befestigtes Holzgebäude mit einem Wehrturm der Herzöge von Masowien aus dem 13./14. Jahrhundert zurück. Nachdem Warschau zur ständigen Tagungsstätte des Sejm bestimmt worden war, entstand in den Jahren 1570/1571 ein neues königliches Hauptgebäude im Renaissancestil. König Sigismund III. verlegte im Jahre 1596 die Hauptstadt Polen-Litauens von Krakau nach Warschau und ließ zwischen 1598 und 1619 ein neues fünfeckiges Schloss im Stil des Barock errichten. Im 18. Jahrhundert wurde das Königsschloss mehrfach umgebaut. Unter dem Wettiner König August III. wurde 1737–1746 zur Weichselseite ein Rokokoflügel errichtet, der über die barocken Schlossgärten ragte. Wie schon gesagt fiel auch dieses Schloss der Zerstörungswut der deutschen Besatzer zum Opfer, wurde aber in den 1970er und 80er Jahren wieder rekonstruiert.

Leider schaffe ich es auch diesmal nicht, mir das Schloss von innen anzuschauen. Dafür bräuchte man sicher einen längeren Aufenthalt in Warschau. Dennoch scheint der Besuch lohnend zu sein. So gibt es hier in dem kleinen Thronsaal mit einem epochalen Kronleuchter und einen kopierten Thronsessel, der auf einem Podium steht. Viele Ausstattungsstücke in diesem Raum sollen im Original erhalten sein: Türen, Holzpaneele, Skulpturen. Hinter dem Thron schmücken symmetrische Reihen des silbernen reliefierten polnischen Wappenadlers die rote Wand. Offenbar hat man hier vieles zumindest nach dem durch das Bombardement der Deutschen ausgelöstem Brand von 1939 doch noch retten und sichern können. Dann gibt es die Schlosskapelle, in der sich zur Erinnerung an das wechselvolle Schicksal des Landes eine Kapsel mit dem Herzen des Freiheitskämpfers Tadeusz Kościuszko befindet. Weiter sehenswert ist sicher der Ballsaal mit seien zahlreichen Spiegelflächen. Auch eine umfangreiche Gemäldegalerie befindet sich seit Ende der 1990er Jahre im Schloss. Große Teile davon gehen auf eine Schenkung der Widerstandskämpferin und Kunsthistorikerin  Gräfin Karolina Lanckorońska (1898-2002) zurück, die das Erbe ihres Vaters der polnischen Nation vermachte. Beachtenswert sind die Originalgemälde Rembrandts: Das Mädchen im Bilderrahmen (1641) und Gelehrter an seinem Schreibtisch (1641). Ein weiterer Teil der Lanckoroński-Sammlung befindet sich im Schloss Wawel in Krakau. In der Galerie fanden auch zahlreiche Ansichten Warschaus von Canaletto ihren Platz.

Wie gesagt, die Besichtigung spare ich mir, statt dessen spaziere ich noch etwas über den Schlossplatz. Natürlich wird mir nun auch der Grund und die Bedeutung der Sigismundsäule in Warschau klar. Die barocke Säule wurde im Jahr 1644 von König Władysław IV. Wasa zur Erinnerung an seinen Vater Sigismund errichtet, der Warschau 1596 zur Hauptstadt erklärt hatte. Dann fällt mein Blick auf den Turm der Annakirche und ich sehe dort oben Menschen herumlaufen. Es scheint ein Aussichtspunkt zu sein und so beschließe ich auch zu versuchen, dort hinaufzukommen. Gegen die Gebühr von 10 Zloty gelingt das auch und von hier oben hat man zwar keinen weiten Blick, dazu ist der Turm doch etwas zu niedrig, aber einen sehr schönen Blick auf die Altstadt und über die Dächer der näheren Umgebung. Gerade jetzt im Abendlicht werden die Aufnahmen sehr pittoresk.

Als ich wieder hinabgestiegen bin, verspüre ich langsam eine gewisse Erschöpfung. Seit etwa acht Stunden bin ich nun unterwegs. Insofern geht es nun etwas schneller über den Königsweg und dann wieder in Richtung meines Hotels.  Morgen ist ja auch noch ein Tag in Warschau. Stationen sind jetzt noch das Adam-Miciewicz-Denkmal, der Präsidentenpalst mit dem Poniatowski-Denkmal, das Denkmal für den Kardinal Wyszynski und  das Kopernikus-Denkmal vor dem Gebäude der Warschauer Wissenschaftsgesellschaft. Dann biege ich wieder vom Königsweg ab, kehre in einer nahegelegenen Pizzeria Ave! Pizza in der Topiel 1 ein, weil ich inzwischen auch einen heftigen Hunger verspüre, lasse mich nicht abweisen und mache dabei wahrscheinlich so ein entschlossenes Gesicht, dass man mich 10 Minuten vertröstet und mir dann einen kleinen Tisch zuweist. Die Pizza ist ausgezeichnet, das Bier schmeckt heute besonders gut und so endet ein für mich sehr ereignisreicher Tag in Warschau.

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