Tagesstrecke: 46,45 Hm; 11,13 Km/h; 380 Hm – Wanderung zum Mont des Avaloirs ca. 7,7 Km; 110 Hm
Da es erst um 8:30 Frühstück gibt, ich aber wie gewöhnlich schon gegen 6 Uhr aufgewacht bin, packe ich erst mein Sachen zusammen und gehe dann auf die Place du general de Gaulle und schaue, ob der Bäcker schon auf hat. Es ist wieder recht kühl und im Moment zeigt die Wetter-App nicht mehr als ein Grad an. Aber es scheint die Sonne und zumindest auf meiner Strecke soll heute kein Regen fallen. Der Bäcker hat schon offen und nebenan der Metzger ebenfalls und direkt neben meinem Hotel wird gerade eine Gemüsestand aufgebaut. Bin doch erstaunt, was hier an einem frühen Sonntagmorgen schon los ist. Beim Bäcker ist noch nicht viel los. Also kaufe ich dort zwei mittelgroße Baguettes, die ich bequem in einer meiner Taschen transportieren kann. Heute am Sonntag ist es in Frankreich manchmal schwierig etwas zu essen zu finden und da mein heutiges Quartier ohnehin Ruhetag hat, bekomme ich in dem dortigen Restaurant auch kein Abendessen. Vorsichtshalber will ich vorsorgen. Wasser und eventuell ein Bier hoffe ich dann in der nächsten größeren Stadt, Alencon, zu bekommen. Ich will mich nicht gleich zu sehr vollpacken.
Das Frühstück ist auch im Hotel la poste sehr ordentlich. Danach packe ich mein Gepäck wieder aufs Rad und los geht´s. Zunächst fahre ich noch an den künstlichen See. Der Lac du Pays Mêlois ist ein See, der zwischen 1969 und 1975 angelegt und entwickelt wurde und im Frühjahr 1975 mit Wasser gefüllt wurde. Mit einem überwachten Strand und Freizeitaktivitäten wie Segeln, Tretbooten, Angeln, Minigolf, Tennis, Kinderspielen, Camping, etc. ist er offensichtlich eine begehrte Freizeiteinrichtung im Ort geworden. Von hier hat man auch einen schönen Blick auf die Stadt.
In dem Zusammenhang fällt mir ein, dass ich gestern gelesen habe, dass der Ort auch Hauptdarsteller in einem Film geworden ist. Der Film aus dem Jahre 2018 hat den Titel „Ein Dorf zieht blank“. Unter diesem Stichwort kann man die sehr kuriose Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, auch bei Wikipedia nachlesen
Nachdem ich an dem See einen kurzen Stopp eingelegt habe, geht es zurück auf den La Veloscenie, der mich auch auf den nächsten 17 Kilometern über den nun auch weiter sehr ordentlichen Bahntrassenradweg führt. Es ist eine gemütliche Fahrt. Die Landschaft ist sehr eben und insofern gibt es keine nennenswerten Anstrengungen. Die Bäume, die den Bahntrassenradweg flankieren, verhindern auch dass der noch immer recht heftige Wind mich zu sehr ausbremst. Was mir gestern noch nicht klar war, ich bin inzwischen schon in der Normandie und ich fahre auch nicht mehr durch den Regionalen Naturpark Perche, sondern bin inzwischen schon im Regionalen Naturpark Normandie-Maine. Näher ausgewiesen ist aber auch hier nichts.
Nach etwa 10 Kilometern habe ich ein kleines Malheur. Ein kleiner Stock wird von meinem Vorderrad hochgeschleudert, verfängt sich in der Fahrradkette, was dieser nicht gefällt und sie vom Ritzel springt. Nun hatte ich solche Situationen schon gelegentlich, aber erst einmal muss ich nachdenken, was jetzt zu tun ist. So nehme ich die Gepächträgertaschen ab, damit ich überhaupt an das hintere Ritze und die Kette rankomme. Dann packe ich meine Handschuhe aus, die ich mit dem Werkzeug mitführe, um mir die Hände nicht allzu dreckig zu machen und dann steht unvermittelt ein Mann vor mir, der mit seinem Sheltie spazieren geht, schaut sich die Sache an und greift mit seinen schwarzbehandschuhten Händen zielsicher die Kette, ruckelt ein wenig als sie im Rahmen klemmt und setzt sie sehr gekonnt wieder auf das Ritzel. Er lächelt mir freundlich in mein ziemlich perplex schauendes Gesicht und sagt okay und aurvoir. Er hat das also in 30 Sekunden erledigt, wofür ich sicher 15 Minuten mindestens gebraucht hätte. Ich kann mich gerade noch bei ihm mit meinen mangelnden Französischkenntnissen bedanken und ihm sein Einverständnis abgewinnen, dass ich ein Foto von ihm mache, was er gerne geschehen lässt. So ist die Sache in fünf Minuten erledigt, wovon ich allerdings schon viereinhalb mit meinen persönlichen Vorbereitungen für die Reparatur verbraucht habe.
Nach weiteren acht Kilometern geht der Bahntrassenradweg dann nicht mehr weiter und ich werde durch mein Komoot über Straßen und später aber auch wieder über den Bahntrassenradweg nach Alencon geleitet. Alençon ist die Hauptstadt und mit 25 Tsd. Einwohnern auch die größte Stadt im Département Orne in der Region Normandie. Honoré Balzac siedelt seinen Roman „Die alte Jungfer“ aus dem Werkzyklus „Nebenbuhler“ in Alençon an und vermittelt damit einen Eindruck von einer französischen Provinzstadt um 1830, einer Zeit, in der sich Republikaner und Royalisten verfeindet gegenüberstehen. Wirtschaftliches Highlight im 20. Jhdt. war die in Alencon gegründete Firma Moulinex, ein Name, der ja auch in Deutschland bekannt ist. Moulinex war ein Industrieunternehmen für kleine Haushaltsgeräte. Besonders berühmt auch bei uns wurde die „Gemüsemühle“. Moulinex wurde zum industriellen Herzen der Stadt. Die endgültige Schließung der Fabrik im Jahr 2002, die damals noch fast 1.000 Mitarbeiter beschäftigte und viele lokale Subunternehmer beschäftigte, war ein großer Schock für die Stadt und das Departement.
Eine der Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt ist die gotische Basilika Notre-Dame d’Alençon. Sie steht im Stadtzentrum. Auf sie wollte ich einen Blick werfen und fahre daher ein Stück vom La Veloscenie ab. Der Bau der heutigen Kirche wurde bereits vor dem Hundertjährigen Krieg (1337–1453) begonnen. Um 1470 wurden die Bauarbeiten mit Errichtung der heutigen Seitenschiffe wiederaufgenommen. Die Kirche wurde im flamboyant-gotischen Stil des frühen 16. Jahrhunderts als dreischiffige Basilika auf dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes errichtet. Für diese statt ist es ein wirklich mächtiges Bauwerk.
Auf dem Weg zur Basilika komme ich auch an einem offenen Geschäft vorbei, dass neben anderem sowohl Wasser als auch Bier verkauft. So beschließe ich auf meinem Rückweg aus der Stadt wieder vorbeizukommen, um hier die notwendigen Getränke einzukaufen. Als ich an der Kirche ankomme, endet gerade der Gottesdienst und ich bin schon erstaunt, welche Massen aus der Kirche strömen. Ich mache einige Fotos und gehe auch kurz mal ins Innere der Kirche. Die meisten Gläubigen kommen mit kleinen Palmwedeln aus der Kirche und da wird mir klar, dass ja heute tatsächlich Palmsonntag ist.
Nachdem ich mein Betrachtung für ausreichend befunden habe, setze ich mich auf den Platz vor der Kirche und verspeise ein halbes Baguette und etwas Käse zu Mittag. Danach mache ich mich wieder auf den Weg zurück aus der Stadt. Als ich an dem Geschäft vorbeikomme, wo ich noch Wasser und ein Bier einkaufen wollte, hat es geschlossen. Auf einem Zettel steht geschrieben, dass es um 14 Uhr wieder öffnet. Wahrscheinlich hat es gerade erst zu gemacht, denn es ist 13:05 Uhr als ich vorbeikomme. Also muss ich heute zur Not mit Leitungswasser vorlieb nehmen und ein Bier gibt es auch nicht.
Nun geht es auf den nächsten Abschnitt des Bahntrassenradwegs. Der Weg ist weiter sehr gut steigt nun moderat aber kontinuierlich höher und höher. Leider holt mich Komoot dann etwa drei Kilometer vor meinem heutigen Quartier von dem Weg weg, schickt mich wieder etwa 100 Hm tiefer auf eine Nationalstraße und dann auf eine Nebenstraße, auf der ich die 100 Meter wieder hoch muss und zwar zum großen Teil schiebend. Als ich dann an meinem Quartier ankomme, bekomme ich fast einen Wutanfall als ich sehe, dass der Bahntrassenradweg genau am Haus vorbeiführt. Bin also nun schon ein zweites Mal Opfer der Algorithmen von Komoot geworden.
Meine Unterkunft in dem kleinen Weiler Lalacelle ist primär ein Restaurant mit einem angeschlossenen kleinen Hotel. Ich habe das Hotel heute für mich alleine, weil Ruhetag ist und mich daher auch niemand empfängt. Ursprünglich war mein Besuch ja vor vier Tagen geplant. Die Zimmer sind von außen zugänglich, meines ist offen und der Schlüssel hängt von innen im Schloss. Auf dem Tisch liegt der Schlüssel zum Fahrradraum und so klappt der Check in wie vereinbart. So richte ich mich erst einmal ein.
Wanderung zum Mont des Avaloirs
Ich habe aber heute noch ein Ziel, das ist der Mont des Avaloirs, der mit 416 Metern höchste Berg hier in der Gegend. Welche Gegend das eigentlich genau ist, habe ich aber noch nicht herausbekommen. Vom dortigen Aussichtsturm soll man aber einen wunderschönen Rundblick auf die Landschaft haben. Da ich keine Lust mehr habe, heute weiter Fahrrad zu fahren, beschließe ich also zu Fuß zu gehen. Tut ja auch mal ganz gut. Es sind etwa 3,9 Km hin und die gleiche Strecke dann wieder zurück.
Das Laufen tut mir gut, der Blick von der Aussichtsplattform ist allerdings nicht so toll heute. Dass liegt vor allem daran, dass viele Wolken die Landschaft verdunkeln und es heute auch recht diesig ist. Ich mache einige Fotos, muss aber erst einmal schauen, ob sie etwas geworden sind. Als ich dann zurück in meiner Unterkunft bin, beginnt mein letztes Abenteuer des heutigen Tages, mein Abendessen. Der Besitzer des Hotels hatte mir geschrieben, dass eine Alternative für das Abendessen eventuell eine Pizza von einem Pizzahändler sein könnte, der die Pizza auf seinem Parkplatz zubereite und verkaufe. So hatte ich es zumindest in der Übersetzung verstanden. Als ich nachfragte wie lange der Pizzahändler denn da sei, wurde mir etwas irritiert mitgeteilt na 24 Std. und an 7 Tagen, dass sei doch ein Pizzabackautomat. Und tatsächlich auf dem Parkplatz vor dem Hotel steht ein Pizzaautomat. Die Pizzen bereitet das Restaurant vor und man kann sie entweder kalt oder gebacken kaufen. Kalt dauert 30 Sekunden und warm drei Minuten. Die Auswahl ist beträchtlich. Wenn man ausgewählt hat, muss man erst bargeldlos bezahlen und dann, da ich natürlich warm bestellt habe, drei Minuten warten. Die Uhr läuft mit und nach drei Minuten, kommt die Pizza verpackt durch einen entsprechend großen Schlitz heraus zum Mitnehmen. Ich war nicht ganz begeistert, aber das lag wohl primär an meiner Auswahl. Ich hätte etwas Würzigeres bestellen sollen. Aber für das Abendessen hat es gereicht.
So, nun reicht es aber für heute.