Nach dem Frühstück verlasse ich Brüssel in südlicher Richtung und komme nach etwa 12 bis 13 Km wieder auf den Hauptweg der Flandern-Route. Nun liegen erst mal wieder fünf Reisetage vor mir. Es ist keine sehr spannende und abwechslungsreiche Route, immer noch hügelig und landwirtschaftlich genutzt, allerdings auch dicht besiedelt. Einige Highlights liegen aber doch auf dem Weg.
Da ist zunächst Das Schloss Colma. Es ist eine Schlossanlage in der Gemeinde Sint-Pieters-Leeuw hier in der Provinz Flämisch-Brabant durch die ich nun fahre. Seit 1690 war das Schloss die Residenz der Barone von Sint-Pieters-Leeuw. Bekanntester Bewohner des Anwesens war Charles Vital Alexandre Coloma (1718 – 1758), Kammerherr der Kaiserin Maria Theresia von Österreich, nach dem das Schloss auch heute noch genannt wird. Angesichts seines frühen Todes konnte die Kaiserin freilich nicht lange die Dienste dieses Kammerherrn in Anspruch nehmen.
Ursprünglich war das Anwesen eine Burganlage für militärische Zwecke. Erst im 18. Jahrhundert ließen die damaligen Eigentümer das Anwesen hin zu einem repräsentativen Schloss im klassizistischen Stil umbauen. Das heutige Schloss Coloma ist ein Backsteingebäude mit vier Ecktürmen und Schilddach. Im Ostgiebel befindet sich das Wappen der Familie. Es handelt sich um ein Wasserschloss, das über eine vierbogige Brücke zu erreichen ist. Das Portal aus Sandstein krönt ein Dreiecksgiebel.
Ist das Schloss an sich schon ein sehenswertes Kleinod, ist es inzwischen aber vor allem wegen seines Rosariums angeblich weltbekannt. Dieses Rosarium wurde erst 1994 angelegt. Mehr als 3.000 verschiedene Rosensorten und etwa 65 Tsd. Rosenarten von allen Kontinenten können auf 2,2 Hektar besichtigt werden. Zunächst wurde ein Rosengarten flämischer Sorten (Vlaamse rozentuin) angelegt, dann folgte ein „rot-weißer“ Rosengarten (De rood-witte tuin) in den Farben der Gemeinde und der Familie Roose, die viele Jahrhunderte das Schloss bewohnte. Das rot-weiße Wappen des Barons Roose ist darin als Rosenbeet angelegt. Im Jahr 2000 kamen ein „Alter Rosengarten“ (De oude rozentuin) mit historischen und primitiven Rosensorten und ein internationaler Rosengarten, nach Ländern geordnet, hinzu. Der Rosengarten ist täglich geöffnet und meistens kostenlos zugänglich.
Ich mache hier einen längeren Stopp und lasse mich von der Faszination des Rosariums verführen. Insbesondere die zahlreichen Namen, die sich auf historische Persönlichkeiten beziehen, finde ich amüsant. Nachdem ich mich umgeschaut habe, mache ich noch eine kurze Rast in der Schlossgaststätte und genehmige mir einen Cappucino. Danach geht es weiter.
Nur wenige Kilometer weiter gibt es einen Abzweig zum Kasteel van Gaasbeek. Schloss Gaasbeek ist eine ursprüngliche mittelalterliche Burg, heute ein Nationalmuseum. Gottfried von Löwen ließ hier vermutlich um 1240 eine Burg zur Verteidigung des Herzogtums Brabant gegen die Grafschaft Hennegau errichten. Während des Ancien Régime war dies das Zentrum des Landes Gaasbeek. 1388 zerstörten die Brüsseler die Burg und machten sie dem Erdboden gleich. Damit rächten sie sich für die Ermordung von Everaard t’Serclaes durch Loyalisten des Burgherrn Sweder von Abcoude, der die Burg danach wieder aufbaute. Es gab eine Reihe wichtiger Familien aus der Geschichte der Niederlande, darunter die Hornes und die Egmonts. Der berühmteste war Graf Lamoral von Egmont, der das Schloss 1565 kaufte, drei Jahre vor seiner dramatischen Hinrichtung.
Die letzte Markgräfin Arconati Visconti, geborene Marie Peyrat, war eine Französin, die das Schloss renovierte und ihm sein heutiges Aussehen verlieh. Sie starb 1923. Sie schenkte die Domäne 1921 dem belgischen Staat bzw. dem belgischen Volk als Hommage an seine Unnachgiebigkeit während des Ersten Weltkrieg, sodass die Gebäude und der Park 1924 der Öffentlichkeit zugänglich gemach wurden. Dank seiner Nähe zur Hauptstadt und seiner märchenhaften Lage ist es zu einer Touristenattraktion für ein internationales Publikum geworden. Ich habe allerdings Pech. Im Moment befindet sich das Schloss wohl in einer umfassenden Phase der Restaurierung, so dass es nicht zugänglich ist. Da es aber auch wegen seiner Hanglage von außen und aus der Ferne sehenswert ist, mache ich eine kleine Rundwanderung.
Die letzten etwa 35 Km bis zu meinem heutigen Zielort bieten dann nicht mehr viel Erzählenswertes. Auch Geraardbergen ist hier nicht weiter erwähnenswert. Der Marktplatz ist ganz hübsch, heute aber kaum zugänglich wegen eines Kinderfests. Einzige Attraktion hier ist ein Manneken Pis unter der Freitreppe des Rathauses, das aus dem Jahre 1455 stammt und somit das Älteste Belgiens sein soll.
Mein heutige Quartier liegt einige Kilometer außerhalb von Geraardsbergen in dem . Es ist eine alte Mühle (Molen Ter Walle), die heute als B&B geführt wird. Ich werde freundlich von einer Dame etwa meines Alters empfangen. Ich hatte das Quartier auch deshalb gebucht, weil es dort eine Waschmaschine geben sollte und meine Wäsche mal wieder eine Reinigung nötig hat. Auf meine Frage schaut mich die Frau etwas irritiert an, aber als ich sie auf die Ankündigung bei booking.com verwies, bietet sie mir sogar an, meine Wäsche kostenlos zu waschen. Mein Abendessen kann ich dann in ein einer kleinen kleinen Gaststätte 500 m von meiner Unterkunft entfernt einnehmen. Die Speisekarte ist allerdings übersichtlich, so dass ein Pastagericht dann das Richtige für heute Abend bleibt.
Tagesstrecke: 76 Km