Heute gehe ich es nun etwas ruhiger an. Das Wetter verspricht wieder phantastisch zu werden. Schon früh ist der Nebel verschwunden und die Sonne scheint, ohne durch Wolken daran gehindert zu werden. Man merkt den Herbst aber dennoch. Morgens, wenn ich losfahre, liegen die Temperaturen noch bei 10 Grad und ich setze mir eine Mütze auf und ziehe die Handschuhe an. Als erstes kann ich dann die Handschuhe ausziehen, etwas später folgt dann die Mütze und spätestens zur Mittagspause, so gegen 13 Uhr, wechsle ich mein Shirt und ziehe das einzige Kurzärmlige an, das ich dabei habe und zippe mir die Beinlinge von meinen Hosen. Es sieht so aus, dass dies noch einige Tage so geht.
Das Frühstück in meiner Domaine war angenehm und sehr Französisch, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Madam Trude versorgt zwei weitere Gäste und mich mit allem, was zu einem französischen Frühstück gehört. Mein heutiges Ziel ist Paray-le-Monial, etwa 70 Kilometer vom Ausgangspunkt entfernt. Einziger Grund für dieses Ziel ist eine halbwegs preisgünstige Unterkunft.
Gegen 9.15 Uhr komme ich los. Es geht zunächst zurück über die Loire zum EuroVelo 6, der dann aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen weit entfernt von der Loire und ihrem Seitenkanal auf Nebenstraßen durch eine hügelige Landschaft führt, die aber sehr reizvoll und wieder voller Rindviecher ist. In Cronat gerate ich in eine Trauerfeier hinein, bei der offensichtlich der gesamte Ort auf den Beinen ist. Dennoch gibt man mir wohlwollend freies Geleit durch die Menschenmenge, schließlich trage ich ja auch schwarz.
Bis Bourbon-Lancy geht es nun hügelauf und hügelab. Der mittelalterliche Ort, der wegen seiner Thermalquellen wohl auch schon in römischer Zeit bekannt war, reizt mich nicht sonderlich. So stoppe ich nur bei Intermarche, um mich noch etwas für den Sonntag zu rüsten. Wasser und Bananen brauche ich vor allem und noch ein Sandwich für morgen. Von Bourbon-Lancy führt dann ein hervorragender Radweg nach Diou hinunter an die Loire und hinüber zum Loire-Seitenkanal. Auf dem Weg liegt eigentlich die einzige immer wieder hervorgehobene Sehenswürdigkeit der Gegend, das Chateau de Saint-Aubin. Als ich dort vorbei komme erlebe ich nun wirklich Groteskes. Ich glaube, dass ich schon darauf hingewiesen hatte, dass es in Frankreich recht schwierig ist, Schlösser überhaupt zu Gesicht zu bekommen, wenn man keinen Eintritt zahlt und wenn ein Schloss gerade geschlossen ist, kommt man auch nicht in den es umgebenden Park. Man sieht also nichts. Was macht man nun im Chateu Saint-Aubin? Dass es geschlossen ist, wusste ich schon vorher. Aber es liegt an einer exponierten Stelle auf einem Hang, so dass es eigentlich sichtbar sein müsste. Aber als ich dort ankomme verdeckt ein etwa vier Meter hoher undurchsichtiger Palisadenzaun die gesamte Sichtachse. Damit man auch durch die zwei schmiedeeisernen Tore nichts erkennen kann, hat man dahinter noch einmal eine Hecke gepflanzt. Ich dachte wirklich ich sei im Tollhaus!
Ansonsten ist die Situation ähnlich wie gestern. Kaum Siedlungen, viele Felder, viele Rindviecher und ab und zu natürlich auch etwas Wald. Der Loire-Seitenkanal ist an den Rändern ohnehin mit Baum- und Buschwerk bewachsen. Das dient sicher dazu, den Verkehr auf dem Kanal etwas wetterunempfindlicher zu machen, für den Radwanderer hindert es aber auch oft den Blick in die Weite des Landes. Erwähnenswert auf dieser Strecke ist allerdings noch die Durchfahrt durch Digoin. Zum einen überquere und tangiere ich hier letztmalig die Loire. Zum anderen ist hier doch ein beachtliches Wasserkreuz, weil hier einerseits der Canal de Roanne ankommt, der die Städte Roanne und Digoin verbindet und wohl eine Verlängerung des Loire-Seitenkanals darstellt. Zum anderen endet hier der Loire-Seitenkanal bzw. geht in den Canal du Centre über, der die Saone mit dem Gewässersystem der Loire verbindet. Diesen Kanal entlang werde ich dann morgen meine nächsten 100 Kilometer folgen, denn so lang führt er nach Chalon-sur-Saone.
Schon heute fahre ich ihn etwa 15 Kilometer entlang, bis ich zu meinem Quartier etwas außerhalb von Paray-le-Monial komme. Das Delfotel (?) ist ein schon etwas älteres motelartiges Hotel mit angeschlossenem Restaurant, in dem ich heute Abend schon mit einem Menü gut versorgt wurde. Die Zimmer sind in Ordnung, wenn auch schon etwas in die Jahre gekommen. Insgesamt war es aber auf jeden Fall richtig, hier Station zu machen.
Tagesdaten: 72,25 Km; 5:48:59 Std. Fz; 12,42 Km/h; 305 Hm