12. Tag (17. April 2022): Von Leuven nach Brüssel

Nachdem ich gefrühstückt, zusammengepackt und mein bescheidenes Hotel verlassen habe, fahre ich noch ein wenig durch Leuven, um dann die etwas über 30 Km nach Brüssel zu radeln. Auch der heutige Sonntag ist sehr sonnig und der Himmel bleibt den ganzen Tag wolkenlos. Die Temperaturen liegen wieder bei angenehmen 20°. In Brüssel komme ich schon kurz nach Mittag an, so dass auch heute schon Zeit für einen Stadtrundgang bleibt. Mein Quartier im Hotel Du Congress ist im Gegensatz zu dem in Leuven sehr ansprechend und zweckmäßig eingerichtet. Da ich hier drei Nächte verbringen werde, bin ich sehr zufrieden.

Tagesstrecke: 34 Km

Sonntagmorgen in Leuven

Wie gesagt, zunächst geht es noch einmal durch Leuven. Vor allem wollte ich noch einmal zu einem Denkmal gegenüber dem Bahnhof fahren, zu dem ich bisher nichts gefunden hatte. Nach längeren Recherchen habe ich festgestellt, dass es sich um ein Friedensdenkmal handelt, dass 1925 hier vor dem Hauptbahnhof zur Erinnerung an die deutschen Kriegsverbrechen in der Stadt errichtet wurde. Mehr erfahre ich aber nicht darüber. So verwundert es mich vor allem, dass es in keiner touristischen Broschüre für Leuven erwähnt wird. Man hat fast den Eindruck, dass man aus irgendeinem Grund, den ich nicht nachvollziehen kann, darüber keine Worte verlieren will.

Fahrt nach Brüssel

Auch die Fahrt nach Brüssel ist zunächst relativ unspektakulär, obwohl es einige reizvolle Plätze gibt. Als erstes komme ich im Leuvener Stadtteil Heverlee zum  Schloss Arenberg. Das heutige Gebäude stammt aus dem 16. Jahrhundert, wurde aber in den darauffolgenden Jahrhunderten baulich noch verändert. Die Architektur ist größtenteils traditionell flämisch mit einer Kombination von Backstein und Fenstereinfassungen aus Sandstein. Charakteristisch sind die zwei mächtigen Ecktürme, auf denen jeweils ein deutscher Adler prangt. Das Schloss steht heute im Eigentum der Katholieke Universiteit Leuven und ist das Hauptgebäude der Fakultät für Ingenieurwissenschaften.

Nachdem der letzte Herzog Charles III. de Croÿ 1612 ohne Nachkommen gestorben war, ging das Schloss durch die Hochzeit seiner Schwester an die Familie Arenberg, ein Adelsgeschlecht des deutschen Hochadels, über. Deshalb wohl auch die deutschen Adler auf den Ecktürmen. Diese bewohnte das Schloss bis zum Ersten Weltkrieg. Bereits vor dem Krieg wollte der damalige Herzog das Schloss der Universität übereignen und den umliegenden Park für einen günstigen Preis an sie verkaufen. Doch nach Kriegsausbruch beschlagnahmte der belgische Staat das Schloss, und so dauerte es noch bis 1921, ehe die Universität Schloss und Park erwerben konnte. Das Gelände wurde im Stil eines amerikanischen Universitätscampus zu einem Campus für Natur- und Ingenieurwissenschaften ausgebaut.

Vorbei geht es dann an dem noch heute im Privatbesitz befindendem Kasteel Huldenberg, dem Sitz der Grafen von Limburg-Stirum. Hinter Vossem gelangt man dann in einen sehr schönen Landschaftspark mit einer abwechslungsreichen Seenlandschaft und schaut plötzlich zur Rechten auf ein schlossähnliches Gebäude, was etwas an Schloss Sanssouci in Potsdam erinnert. Hinter der königlichen Fassade verbirgt sich das Königliche Museum für Zentral-Afrika, kurz Afrikamuseum, in der belgischen Gemeinde Tervuren bei Brüssel, früher das Museum von Belgisch-Kongo, das heute gleichzeitig Museum und Forschungseinrichtung ist. Entstanden ist es im Zuge des belgischen Kolonialismus insbesondere auf Initiative des belgischen Königs Leopold II. Nach und nach wurde es modernisiert, so dass auch teilweise die belgischen Kolonialverbrechen im Kongo angesprochen werden. Dennoch bleibt die Ausgestaltung und der Umgang mit der Vergangenheit ein umstrittenes Thema.

Das Museum kann heute als Symbol für die dunkelsten Zeiten des europäischen Kolonialismus dienen. 1885 hatte König Leopold II. von Belgien auf der Kongokonferenz in Berlin die übrigen europäischen Mächte und die Vereinigten Staaten dazu bewegt, ihm die Aneignung des rohstoffreichen Gebiets des Kongo zu gewähren. Von Europäern war die Region bis dahin nur wenig erschlossen. Weil die Geschäfte im Freistaat Kongo zu Beginn schleppend liefen, musste Leopold vom belgischen Parlament ein Darlehen beantragen und die Belgier vom Nutzen seines Vorhabens überzeugen. Zu diesem Zweck baute er 1897 im Park von Tervuren mehrere kongolesische Dörfer auf. Dort stellte er – in der Art einer seinerzeit populären „Völkerschau“ – „echte Afrikaner“ aus und präsentierte sie als Attraktion im Rahmen der Weltausstellung. Die Schau besuchten rund 1,2 Millionen Menschen. Im Jahr darauf gründete Leopold das Museum.

Die Kehrseite der Medaille waren die Verbrechen im Kongo, die durchaus in der Verantwortung des belgischen Königs Leopold II. lagen. Leopold war Anhänger kolonialistischer Ideen und gründete in Zentralafrika den offiziell eigenständigen Kongo-Freistaat, dessen absoluter Monarch und persönlicher Eigentümer er von 1876/1885 bis 1908 war. Zu dieser Zeit wurde aus dem Kongo vor allem Elfenbein und Kautschuk exportiert. Die einheimische Bevölkerung wurde dabei grausam misshandelt und ausgebeutet. Wie viele Menschen bei den „Kongogräueln“ ums Leben kamen, ist umstritten. Zum Teil gehen die Schätzungen von „zehn Millionen Opfer“. Andere bezeichnen diese Zahl dagegen als „nicht belegt“, sprechen aber auch von einem „Verbrechen von apokalyptischen Ausmaßen“. 1908 wurde das riesige Territorium Eigentum des belgischen Staates und im Zuge dessen in Belgisch-Kongo umbenannt. Schätzungen für den Rückgang der kongolesischen Bevölkerung reichen von 1,5 bis 13 Millionen. Zu den Ursachen gehörten regelrechte Tötungen, Hungersnöte, Krankheiten und eine sinkende Geburtenrate.

In Gedanken mit diesen Eindrücken beschäftigt erreiche ich dann recht unvermittelt Brüssel, obwohl ich noch gar nicht in Brüssel selbst bin.

 

Fahrt nach Brüssel

Schon bei der Fahrt nach Brüssel hinein ist man beeindruckt von der Vielseitigkeit der Stadt. Prachtvolle Villen, riesige Verwaltungsgebäude, beeindruckende Parkanlagen und eine große Lebendigkeit prägen Brüssel. Dabei gehört der größte Teil, durch den man fährt, gar nicht zur Stadt Brüssel. Die Stadt Brüssel ist eine der 19 Gemeinden der zweisprachigen Region Brüssel-Hauptstadt und die Hauptstadt des Königreichs Belgien mit lediglich 185.103 Einwohnern (1. Januar 2020) im amtlichen Gemeindegebiet. Das Siedlungsgebiet der Region Brüssel-Hauptstadt indessen zählt 1,2 Millionen Einwohner. Wenn man die Gliederung Brüssel beispielsweise auf Berlin übertragen würde hieße das, dass Berlin als Hauptstadt nur Berlin-Mitte mit etwa 104 Tsd. Einwohnern wäre und die Bezirke Wedding, Charlottenburg, Spandau, Pankow eigenständige Städte wären. So ist es in Brüssel mit Anderlecht, Mollenbeek, Saint Gille, Ixelles u.a. Die Stadt Brüssel selbst umfasst aber immerhin sechs Stadtteile mit dem Zentrum, Laken, Neder-Over-Heembeek, Harem und dem Europaviertel. In der Liste der größten Städte Belgiens steht Brüssel aber nur an 5. Stelle nach Antwerpen, Gent, Charleroi und Lüttich.

Zunächst fahre ich mehrere Kilometer auf einer Allee. Diese elf Kilometer lange doppelbahnige Allee wurde von Leopold II. anlässlich der Weltausstellung im Jahre 1897 angelegt. Sie führte von der Brüsseler Innenstadt direkt zum damaligen Kolonienpalais (dem späteren Kolonialmuseum) und gilt bis heute als eine der längsten Alleen Europas. Auch wenn hier ein reges Treiben herrscht, lässt es sich auf inzwischen auch gut angelegten Fahrradwegen sehr schön nach Brüssel hineinfahren. Zu meiner heutigen Unterkunft im Zentrum der Stadt, dem Hotel Du Congress, sind es mehr als zehn Kilometer, die ich hier zu fahren habe. Im folgenden nun die Ersten Impressionen.

 

Spaziergang in das Zentrum von Brüssel

Meine Unterkunft für die nächsten Tage liegt sehr günstig. Die Hauptsehenswürdigkeiten von Brüssel wie der Grote Markt, die Kathedrale und natürlich Manneken Pis aber auch die Symbole der belgischen Unabhängigkeit und Staatsgründung nach der belgischen Revolution 1830 sind fußläufig schnell zu erreichen. Wenn ich aus dem Haus trete, öffnet sich gleich zur rechten ein grüner Platz mit einem Denkmal, dass an den Kampf um die öffentlichen Freiheiten  1824-1830 und an die provisorische Regierung des National Kongresses von 1830-1931 erinnert. Geht man die Straße weiter fällt dann der Blick auf eine das Stadtbild prägende 47 m hohe Säule, die an die Staatsgründung durch den verfassungsgebenden Nationalkongress erinnert, der 1831 Belgien als konstitutionelle Monarchie gründete. Nicht zufällig zeigt die Statue auf der Spitze der Säule den ersten belgischen König Leopold I. Am Fuße des Denkmals befindet sich heute das Grabmal des unbekannten Soldaten mit dem der ewigen Flamme.

Nicht weit davon entfernt steht man dann vor der mächtigen Kathedrale St. Michael und St. Gudula, die Hauptkirche der Stadt Brüssel und Sitz des Erzbischofs von Mecheln-Brüssel. Der heutige Bau wurde 1226 begonnen und Ende des 15. Jahrhunderts mit Fertigstellung der 69 Meter hohen Türme vollendet. Am 16. Dezember 1960 fand in dieser Kirche die Hochzeit von König Baudouin und Königin Fabiola statt.  Für den König wurde zu dieser Gelegenheit im Park vor der Kirche ein Denkmal aufgestellt. Ich habe Glück und die Kathedrale ist gerade noch offen, so dass ich zumindest einen kurzen Rundgang machen kann.

Dann geht es zum Grote Markt, der um diese Zeit sehr gut besucht ist. Der Grote Markt ist der zentrale Platz der belgischen Hauptstadt Brüssel und sicher eines ihrer Wahrzeichen. Mit dem gotischen Rathaus gilt er als einer der schönsten Plätze Europas und wurde 1998 als Ensemble in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. Heute will ich mir nur einen ersten Eindruck verschaffen und mir den Platz morgen früh noch einmal genauer anschauen. Nun schlendere ich noch ein wenig durch die Altstadt u.a. vorbei an dem unvermeidlichen Manneken Pis. Manneken Pis ist sicher das bekannteste Wahrzeichen Brüssels und es ist ständig umlagert von täglich tausenden Touristen.  Die lediglich 55,5 cm große Bronzebrunnenskulptur im Zentrum von Brüssel, stellt einen Puer Mingens (nackten kleinen Jungen) dar, der in das Becken des Brunnens uriniert. Obwohl seine Existenz bereits im 15. Jahrhundert bezeugt ist, wurde es in seiner heutigen Form vom brabantinischen Bildhauer Jérôme Duquesnoy dem Älteren entworfen und 1618 oder 1619 errichtet. Manneken Pis wurde im Laufe seiner Geschichte wiederholt gestohlen oder beschädigt. Die aktuelle Statue ist eine Replik aus dem Jahr 1965, wobei das Original im Brüsseler Stadtmuseum aufbewahrt wird. Heutzutage ist es eines der bekanntesten Symbole Brüssels und Belgiens und inspiriert viele Imitationen und ähnliche Statuen. Die Figur wird oft auch verkleidet und ihre Garderobe besteht aus rund tausend verschiedenen Kostümen.

Nach dem Spaziergang durch das Zentrum kehre ich wieder in mein Hotel zurück  und gehe abends auf den benachbarten Platz der Freiheit, wo ich in einem kleinen Lokal ein Abendessen einnehme.

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