Tagesstrecke: 11 Km Stadtrundgang
Vormittags geht es zum Grote Markt, wo mit der Sint-Pieters-Kerk, dem Rathaus und dem gotischen Tafelrond drei der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten von Leuven zu sehen sind. Danach geht es über den Oude Markt (Altmarkt) an der Kirche Sint Antonius vorbei zum Großen Beginenhof. Die Kirche Sint Antonius gedenkt heute dem Pater Damian, der nach Meinung der Mehrheit der Belgier der größte Belgier aller Zeiten ist. Beginenhöfe findet man in älteren Städten in Flandern aber auch in den Niederlanden häufig. Beginenhöfe sind die typische Wohnanlage der Beginen. Beginen und Begarden waren Mitglieder von religiösen Laiengemeinschaften in weiten Teilen Europas vom Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert. Sie richteten ihr Leben am Armuts- und Bußideal in der Nachfolge Jesu Christi aus und verrichteten vor allem karitative Tätigkeiten für Kranke, Arme und Sterbende. Schließlich gibt es noch einen kurzen Abstecher in die Kirche Sint Michiels, die bedeutendste Jesuitenkirche Belgiens. In dem nahegelegenen Sint Donatus Park verweile ich eine Zeitlang. Es ist übrigens sein sehr sonniger Tag geworden, aber mit angenehmen Temperaturen um die 20°.
- Die Sint-Pieterskerk in Leuven
- Der höchste Turm sollte 170 m hoch werden. Doch bei 50 m Höhe stellte man die Bauarbeiten ein, weil die Kirche auf Sand gebaut ist und der Boden eine solche Last nicht tragen könnte. So sieht die Westseite recht unvollendet aus. Auch wenn es sich ansonsten um ein sehr großes Kirchenbauwerk handelt, sticht es nicht sonderlich aus dem Stadtbild hervor. 1541 wurde der Weiterbau der Türme wegen ungünstiger Bodenverhältnisse und schlecht ausgearbeiteter Baupläne gestoppt. Nicht einmal die Hälfte der vorgesehenen Höhe war erreicht worden. Außerdem ließ die Stabilität der Konstruktion, die bereits zahlreiche Risse aufwies, stark zu wünschen übrig. Eine 1569 eingesetzte Kommission empfahl dringend die Vornahme von Stabilisierungarbeiten. Doch schon 1570 stürzte ein Teil der Türme ein. Auch weitere Einstürze in den Jahren 1572 und 1603 konnten nicht verhindert werden. Da dadurch auch umstehende Häuser getroffen wurden, beschloss man 1613 den obersten Teil des Turms abzubrechen. Trotzdem war selbst im Jahre 1776 noch ein weiterer Einsturz zu verzeichnen, der selbst Verletzte hinterließ
- Blick in das Innere der Kirche
- Der spätgotische Lettner gilt als eines der beeindruckendsten Kunstwerke im Inneren der Sint Pieterskirche. Er wurde zwischen 1488 und 1490 gefertigt und ist damit der älteste Lettner Belgiens. Darüber die Kreuzigungsgruppe
- Der Lettner – figurative und florale Ornamentik des mittleren Bogens
- Die Kreuzigungsgruppe datiert vermutlich aus dem Jahr 1490, ist also um dieselbe Zeit entstanden wie der Lettner. Die lebensgroßen Figuren von Jesus am Kreuz, Maria und Johannes wurden aus Eichenholz gefertigt und weisen noch Reste der ursprünglichen Farbgebung auf
- Die imposante Kanzel wurde 1742 vom Brüsseler Künstler Jacques Bergé für die Prämonstratenserabtei in Ninove angefertigt. Nachdem die ursprüngliche Kanzel von Sint Pieter während der französischen Besatzung abhandengekommen war, wurde nach der Wiedereröffnung der Kirche Anfang des 19. Jahrhunderts die heutige Kanzel angeschafft. Sie ist ein typisches Beispiel für die reichverzierten Kanzeln des Barocks der Südlichen Niederlande. Aus Eichenholz geschnitzt, stellt sie einen Felsen und zwei hohe Palmen dar, zwischen denen zahlreiche Tiere und Engel angeordnet sind. Vor dem Felsen befindet sich eine Statue des heiligen Norbert von Xanten, wie er vom Blitz getroffen vom Pferd stürzt und sich zum Christentum bekehrt
- An der Rückseite befindet sich die sitzende Figur des heiligen Petrus. Ursprünglich stellte die Figur den heiligen Augustinus dar, der dort für die Prämonstratenser angebracht worden war. Nachdem die Kanzel in die Sint Pieterskirche verbracht worden war, musste sie an das Patrozinium angepasst werden und die Figur des heiligen Augustinus wurde durch Hinzufügen eines Schlüssels und eines Hahns als Petrus kenntlich gemacht
- Die Statue der Maria Sedes sapientiae aus dem Jahre 1442
- Grabmale von Heinrich I. von Brabant und seiner Frau Mathilde
- Sakramentshaus von Matheus de Layens aus dem 15. Jahrhundert
- Zwei Werke von Dierick Bouts – die Triptychen „Das letzte Abendmahl“
- und „Das Martyrium des heiligen Erasmus“
- Die bekannteste Sehenswürdigkeit Löwens ist das gotische Rathaus, erbaut 1439 bis 1468 von Sulpitius van Vorst und Matheus de Layens. Es gilt als eines der schönsten Bauwerke der Spätgotik in Europa und ist eines der berühmtesten Rathäuser der Welt. Das Rathaus steht am Großen Markt (Grote Markt) direkt gegenüber der Sint Pieterskirche. Vorbild war ursprünglich das Brüsseler Rathaus gewesen, wie Quellen aus dem 15. Jahrhundert belegen sollen
- Die im 19. Jahrhundert in die bereits vorhandenen Nischen eingesetzten Statuen sollten das Vorbild an Figurenreichtum übertreffen
- Eine weitere Sehenswürdigkeit am Grote Markt, links neben dem Rathaus, ist der gotische Tafelrond. Er wurde zwischen 1480 und 1487 von Matheus de Layens erbaut und diente ursprünglich als Versammlungshaus der Gilden der Rhetoriker und Schützen, später auch als Festsaal. Nachdem das Gebäude im 19. Jahrhundert stark heruntergekommen war, wurde es schließlich 1818 abgerissen und durch einen neoklassizistischen Bau ersetzt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde beschlossen, das ursprüngliche Gebäude wieder aufzubauen, was bis 1928 verwirklicht wurde. Danach beherbergte der Tafelrond die Nationalbank. In die Nischen der Fassade wurden Statuen der Bankdirektoren im gotischen Stil gesetzt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude beschädigt, anschließend jedoch wieder vollständig restauriert
- Blick über den alten Marktplatz (Oude Markt). Hier findet man überwiegend Gastronomiebetriebe, was ihm den Spitznamen „längste Theke der Welt“ eingetragen hat
- De Kotmadam (die Zimmerwirtin) auf dem Oude Markt
- Die Klosterkirche Sint Antonius
- Die Kirche dient heute der Verehrung und dem Gedenken an Pater Damian
- Pater Damian erlangte große Bekanntheit und Verehrung als „Apostel der Leprakranken“. Schließlich infizierte auch er sich mit der damals tödlichen Krankheit. 1885 wurde sie diagnostiziert, vier Jahre später starb Pater Damian. Seine sterblichen Überreste wurden 1936 nach Belgien überführt und hier in der Krypta der Klosterkirche St. Antonius in Löwen beigesetzt, die heute zu einer Stätte der Verehrung geworden ist. Am 1. Dezember 2005 wurde Pater Damian von einem breiten Publikum in Flandern zum größten Belgier aller Zeiten gewählt
- Sint-Donatus-Park
- Sint Donatus Park
- Zugang zum großen Beginenhof
- Der große Beginenhof in Leuven
- Ein kleiner Stadteil mit zahlreichen kleinen Straßen und Plätzen sowie drei Brücken über das Flüsschen Dijle, die den Hof durchfließt
- Die letzte Begine starb hier 1988. Im Jahre 1960 erklärte sich die Katholieke Universiteit Leuven bereit, den damals heruntergekommenen Beginenhof zu restaurieren, um dort Studenten und Gastprofessoren unterzubringen. In zwei Phasen wurde in den 1960er/70er Jahren und in den 1980er Jahren der komplette Hof renoviert
- Sint Jan de Doper (deutsch: St. Johannes der Täufer) ist eine frühgotische Basilika mit romanischen Elementen. Sie ist Teil des Großen Beginenhof
- Sint Michiel (deutsch: St. Michael) ist eine barocke Kirche in Löwen. Sie gilt als die bedeutendste Jesuitenkirche Belgiens
- Blick in das Innere von Sint Michiel
- Sint Michiel hatte bis zum Zweiten Weltkrieg eine bedeutende Orgel besessen, die jedoch durch den Bombenangriff zerstört wurde. Seit 1950 hat die Kirche eine neue Orgel – die größte Orgel Löwens
- Spielmannszüge aus verschiedenen Ländern geben sich heute ein Stelldichein in Leuven
- Hier die Gruppen aus Litauen,
- England,
Besuch der Universitätsbibliothek
Nachdem ich mich am frühen Nachmittag etwas ausgeruht habe, steht nun die Universitätsbibliothek Leuven auf dem Programm. In ihrer Bedeutung steht sie den bisherigen Sehenswürdigkeiten nicht nach. Symbolisch hat sie wahrscheinlich noch eine größere Bedeutung. Leuven ist eine bedeutende Universitätsstadt. Das Stadtbild Leuvens wird stark vom studentischen Leben geprägt (2020 58.653 Studierende, davon 16 % ausländische Studierende). Im Stadtinnern befinden sich viele Bars und Kneipen.
Die Bedeutung der Universität liegt aber nicht nur in der Größe der Gegenwart, sondern Leuven ist auch historisch begründet. Die Katholieke Universität Leuven ist die älteste Universität Belgiens und der Benelux-Staaten. Seit ihrer Gründung im Jahre 1425 gehört sie zu den bedeutendsten europäischen Universitäten und brachte durch die Jahrhunderte zahllose namhafte Wissenschaftler und Persönlichkeiten wie Adriaan van Utrecht (Papst Hadrian VI.), Matthias Wesenbeck, Erasmus von Rotterdam, Justus Lipsius, Andreas Vesalius, Gerhard Mercator, und Georges Lemaître hervor. An dieser Universität wird auch der Nachlass des Philosophen Edmund Husserl verwaltet.
Im Jahre 1968 wurde Leuven eines der Zentren des belgischen Sprachenstreits, in dem die gegenüber der dominierenden frankophonen Oberschicht wirtschaftlich und politisch aufholenden niederländischsprachigen Provinzen politische und kulturelle Autonomie innerhalb Belgiens forderten. Obwohl die Universität zu dieser Zeit offiziell zweisprachig (französisch/niederländisch) war, wurde am Anfang des Zeitalters der Massenuniversität der De-facto-Zustand wachsender französischsprachiger Studentenzahlen von den niederländischsprachigen Studenten zunehmend als unzumutbar empfunden. Nach zum Teil heftigen Auseinandersetzungen zwischen Studenten und den Behörden kam es schließlich zu einer Aufteilung der K.U. Leuven in eine niederländischsprachige (KUL) und eine französischsprachige (UCL) Universität. Löwen blieb daraufhin Sitz der niederländischsprachigen KUL, während die französischsprachige Université catholique de Louvain in den neu gegründeten Ort Louvain-la-Neuve im wallonischen Landesteil etwa 20 Km südlich von Leuven verlegt wurde.
Nun aber zur Universitätsbibliothek, deren eindrucksvolles Gebäude noch heute das Stadtbild prägt. Von der Gründung der Universität im Jahre 1425 an bis 1636 gab es keine Zentralbibliothek. Erst 1636 wurde eine solche in der ehemaligen Tuchhalle eingerichtet. Im Ersten Weltkrieg wurde die Bibliothek in der Nacht vom 25. zum 26. August 1914 ein Raub der Flammen, als deutsche Truppen in der von ihnen am 19. August besetzten Stadt Löwen etwa ein Sechstel aller Gebäude niederbrannten. Auslöser dieser Zerstörungsaktion war, dass in der Stadt Schüsse fielen; diese wurden irregulären Heckenschützen zugeschrieben. Etwa 1000 Handschriften, 800 Inkunabeln und 300.000 Bücher verbrannten. Dieses Ereignis spielte in der Folge sicher nicht ganz zu Unrecht eine große Rolle in der Kriegspropaganda der Entente gegen die Mittelmächte. Deutschland wurde bezichtigt, nicht einmal unwiederbringliches Kulturgut unversehrt zu lassen („Ici finit la culture allemande“).
Die Universitätsbibliothek wurde nach dem Ersten Weltkrieg 1921–1928 nach Plänen des amerikanischen Architekten Whitney Warren (1864–1943) im Stil der flämischen Renaissance und mit charakteristischem Glockenturm mit amerikanischer Finanzhilfe – der amerikanische Handelsminister 1920-1928 und spätere Präsident (1929-1939) Herbert Hoover spielte dabei eine besondere Rolle – an neuer Stelle wieder aufgebaut. Auch die alte Tuchhalle wurde wieder rekonstruiert und heißt heute Universitätshalle und beherbergt das Verwaltungszentrum der Universität. Die neue Bibliothek wurde 1928 am amerikanischen Unabhängigkeitstag, dem 4. Juli, eröffnet. Während des Zweiten Weltkriegs brannte die Bibliothek am 16. Mai 1940 erneut aus – diesmal beschuldigten sich die abziehenden Briten und die vorrückenden Truppen der Wehrmacht gegenseitig. 900.000 Bücher verbrannten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bibliothek erneut originalgetreu rekonstruiert und 1987 unter Denkmalschutz gestellt.
Die 1968 bis 1970 erfolgte Teilung der Universität Löwen in einen flämischen und einen französischsprachigen Teil und die damit einhergehende Umsiedelung des letzteren nach Louvain-la-Neuve betraf auch die Universitätsbibliothek. Zum Glück wurden die Bücher nun nicht mehr verbrannt, sondern es fand eine Aufteilung des Buchbestandes statt, die überwiegend einvernehmlich erfolgte; für den strittigen Teil wurde schließlich – einem zunächst scherzhaft gemeinten Einfall folgend – nach geraden und ungeraden Signaturen aufgeteilt. Absurd, aber zumindest nicht zerstörend.
Ich hatte mir vorgenommen, die Universitätsbibliothek etwa genauer anzuschauen. Deshalb lasse ich mir den Einlass erläutern und erhalte auch einen Audioguide, der mich durch das Haus führen soll. Der Audioguide ist zwar nur bedingt funktionsfähig und mit meinem iPhone tut er sich besonders schwer, aber nach mehreren Fehlversuchen funktioniert es, auch wenn ich immer wieder in Funklöcher gerate und dann einige Zeit ziemlich absurd hin und her laufe, um eine Funkverbindung zu suchen. Dennoch hat sich der Besuch gelohnt und so lerne ich viel über die Geschichte des Hauses kennen, kann den eindrucksvollen Lesesaal besuchen und kann schließlich auf den Turm steigen und von dort die Aussicht auf Leuven genießen. Nach etwa einer Stunde verlasse ich das Rathaus und mache noch einmal einen Schlenker über den Gote Markt und kehre dann erst einmal zurück in mein wenig einladendes Hotel.
- Die neue Universitätsbibliothek
- Die Universitätsbibliothek von der Südseite
- Die Turmspitze der Universitätsbibliothek
- Gemälde in der Vorhalle zum Lesesaal
- Der große Lesesaal
- Der Aufgang zum Turm
- Blick vom Turm auf Leuven. Hier Blick zum GroteMarkt. Man sieht aber nur die Sint-Pieters-Kerk deutlich
- Die Brauerei Stella Artois
- Das flämische Regierungsgebäude
- Die Universitätshalle. Hier war früher die Universitätsbibliothek untergebracht
- Blick zurück auf die Universitätsbibliothek mit dem Totem nach einem Entwurf des Künstlers Jan Fabre zum 575 Bestehen der Unversität. Der Käfer soll eine Homage an Schönheit, Wissenschaft und Wissen sein. – Nun ja! Das wissen wir nun auch
- Das städtische Kunstmuseum
- Eingang zum Museum
- Das Rathaus
- Das Tafelrond
Abendspaziergang
Hier gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Nach dem Abendessen drehe ich noch eine Runde. Die Gebäude sind ja inzwischen bekannt. Aber natürlich muss man noch ein Wort zu Fonske verlieren.
- Das ist noch Fonske. Fonske hält in der linken Hand ein Buch und gießt sich mit der rechten Hand ein Glas Bier in den Kopf. Der Name dieses Studenten kommt aus dem Lateinischen: Fons Sapietiae und bedeutet Quelle der Weisheit. Ein Geschenk der Universität anlässlich ihres 550-jährigen Bestehens im Jahr 1975