Nun sind es doch schon wieder fast drei Monate her, seit ich die letzte Etappe auf der Straße der Romanik gefahren bin. Das FrĂŒhlingserwachen an diesem Wochenende, in Leipzig waren strahlender Sonnenschein und Temperaturen ĂŒber 15 Grad, und die Perspektive auf eine weitere recht milde und niederschlagsfreie Woche haben mich spontan bewogen, die Straße der Romanik fortzusetzen. So beginne ich die Tour nun dort, wo ich das letzte Mal aufgehört habe: In der Lutherstadt Eisleben. Freilich der Name sagt es schon, Eisleben steht voll im Banne des Reformators und nicht der Romanik. Dennoch findet man auch hier Kleinodien dieser vorlutherischen Zeit. Freilich kommt man an Luther, der hier geboren und auch gestorben ist, nicht vorbei

Auch heute ist noch einmal ein herrlicher FrĂŒhlingstag. Der Himmel ist blau, die Sonne wĂ€rmt schon ein wenig und so lĂ€dt allein schon dieses Wetter zu Fahrradtouren ein. Die Temperaturen steigen auf 15 Grad! Da ich beim letzten Mal Klostermansfeld ausgelassen habe, fĂŒhrt mich heute der Weg zurĂŒck. Das bedeutet zunĂ€chst etwa 7 Kilometer bergauf fahren zum Teil mit Steigungen von bis zu 15 Prozent. Das Mansfelder Land ist sehr hĂŒgelig und die HĂŒgel sind auch zum Teil recht steil. Ich fahre allerdings heute ohne GepĂ€ck, weil ich das Quartier in Eisleben, die kostengĂŒnstige Pension Stella, fĂŒr zwei NĂ€chte gebucht habe. Es ist kein schöner Weg zurĂŒck nach Mansfeld. Die Landschaft ist geprĂ€gt von den Halden des ĂŒber achthundertjĂ€hrigen Kupferschieferbergbaus. Die Berg- und HĂŒttenwerke sind heute weitgehend stillgelegt. Die von ihnen hinterlassenen Abraumhalden prĂ€gen aber die Landschaft nach wie vor in sehr eigenwilliger Weise. Freilich verschönt die Sonne auch diesen Anblick.

Vom ehemaligen Kloster ist lediglich noch die Klosterkirche erhalten und die klösterliche Vergangenheit spiegelt sich natĂŒrlich im Namen des Ortes wieder. Mich erwartet die örtliche Friedhofsverwalterin, bei der ich mich schon in der vergangenen Woche angemeldet hatte, weil deren Telefonnummer in den einschlĂ€gigen FĂŒhrern zur Straße der Romanik angegeben ist. Sie hat die Kirche bereits fĂŒr mich aufgeschlossen, sagt mir aber gleich, dass sie mir wenig erlĂ€utern könne. DafĂŒr sei jemand anderes zustĂ€ndig, der lĂ€ge aber gerade im Krankenhaus. Ich denke, dass ich auch so zurecht komme.

Um 1170 entstand die Kirche nachtrĂ€glich fĂŒr das schon bestehende Kloster. So erhielt der Bau drei Kirchenschiffe, die Verantwortliche im Laufe der Zeit durch Erweiterungen und Umbauten und nach Zerstörungen stilistisch an die vorherrschende Zeit anpassten. Aus diesem Grund, sind nicht nur romanische Bauteile in der Kirche auszumachen, sondern auch barocke und gotische.

WĂ€hrend der Bauernkriege um 1525 verwĂŒsteten PlĂŒnderer die Kirche und das Kloster. Es wurde als Kloster aufgegeben. Diese Ereignisse zogen die komplette Klosteranlage stark in Mitleidenschaft und fĂŒgten auch dem Bau der Klosterkirche massive SchĂ€den zu. Ganze Kirchenteile, wie die Seitenschiffe, mussten aus SicherheitsgrĂŒnden weichen und das angrenzende Benediktinerkloster diente fortan als grĂ€fliches Amt.

Die Klosterkirche Klostermansfeld erhielt unterdessen den Status einer Pfarrkirche und wurde auch wieder restauriert. Doch von ihrem ursprĂŒnglichen Bau war folglich nicht mehr viel zu sehen. Lediglich der mittlere Teil der Kirche, insbesondere das Querhaus, der Emporenbogen zum Langhaus und einige Fenster blieben aus romanischer Zeit erhalten.

Der Innenraum erhielt im Zuge gesellschaftlicher VerÀnderungen einen Ausbau aus Holz mit zwei Emporen.
Erst zwischen 1960 und 1970 folgten umfangreiche Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten, die den ursprĂŒnglichen Zustand der Kirche aus romanischer und gotischer Zeit annĂ€hernd wiederherstellten. 1989 konnten weitere Baumaßnahmen dank des engagierten, örtlichen Pfarrers erfolgen, die die Kirche auch mit einer speziellen Orgel ausstatteten. Außer der Grundarchitektur und den WĂŒrfelkapitellen, von denen eines sehr schön restauriert ist, ist aber die Innenausstattung nicht mehr romanisch. Der Chor stammt aus dem 14. Jahrhundert, die Haube des Kirchturms ist barock und stammt aus dem Jahre 1739 und der Taufstein stammt aus dem Jahre 1582.

Nach meinem Rundgang innen und außen fahre ich zurĂŒck nach Eisleben, was nun erheblich schneller geht, fahre ich doch nun meistens bergab. Mein nĂ€chstes Ziel ist das Kloster St. Marien zu Helfta, einem Vorort von Eisleben. 1229 grĂŒndeten Graf Burchard von Mansfeld und seine Frau das Zisterzienserinnenkloster St. Marien unweit ihrer Burg Mansfeld. Die offizielle Einweihung fand im Jahr 1258 statt.

ZunĂ€chst siedelten sieben Nonnen aus der NĂ€he von Halberstadt in das neu errichtete Kloster ĂŒber. Die weiteren Jahre manifestierten die BlĂŒtezeit des Klosters. Reiche Schenkungen, eine eigene Klosterschule und bedeutende Besucher hatten die heiligen Hallen des Zisterzienserordens zu verzeichnen. Über das engere Umfeld hinaus bekannt wurde das Kloster zu Helfta durch die drei Frauen von Helfta, die als Mystikerinnen in die Geschichte eingingen und auch heute noch teilweise als Heilige angesehen werden. Es handelt sich um Mechthild von Hakeborn (1241-1299), Gertrud von Helfta (1256-1303) und Mechthild von Magdeburg (1207-1282). Sie machten durch ihre fortschrittliche Arbeit, das Kloster zu einem Zentrum mittelalterlicher Frauenbildung. Lange vor Luther begannen dies Frauen mit der Verdeutschung der Sprache, vermittelnden Ratsuchenden aus dem einfachen Volk das Wort Gottes und erklĂ€rten biblische Szenen. Noch heute werden die Werke dieser Frauen publiziert. So ging das Kloster Helfta spĂ€ter als die „Krone der deutschen Frauenklöster in die Geschichte ein.

Im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert kam es zu PlĂŒnderungen im Kloster, was zur Verlegung des Klosters an die Stadtmauern fĂŒhrte. Mit dieser Maßnahme erhofften sich die im Kloster lebenden Nonnen mehr Sicherheit. Doch der Versuch scheiterte, als es um 1525 aufgrund des Bauernkrieges zu wiederholten VerwĂŒstungen kam. Die Nonnen flĂŒchteten und die SĂ€kularisierung des Klosters folgt wenig spĂ€ter im Jahr 1542.

Über Jahrhunderte hinweg wechselte die Klosteranlage seit der SĂ€kularisierung ihre Besitzer. 1868 ging das Kloster schließlich in das Eigentum der katholischen Pfarrei ĂŒber, die wiederum versuchte es mithilfe von Benediktinerinnen aus OsnabrĂŒck wieder zu beleben. Doch mit dem Verbot des Benediktinerordens durch die ReichsgrĂŒndung im Jahr 1871, blieb auch dieser Versuch erfolglos.

1945 kam die DDR in den Besitz des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters und wandelte es in ein Volkseigenes Gut um. Rund 2000 ArbeitsplÀtze schaffte die DDR auf dem Areal, was jedoch keine vollstÀndige Bewirtschaftung garantierte und den einhergehenden Verfall nach sich zog.

Ab 1988 erreichten PlĂ€ne ĂŒber die Sprengung der verfallenen Klosteranlage die Öffentlichkeit, die aber durch das Engagement vieler BĂŒrger nicht umsetzbar waren. Dank einer Vielzahl von Spenden konnte der Wiederaufbau des Klosters erfolgen. Heute kann das Kloster wieder seiner gewohnten Funktion nachgehen und beheimatet Nonnen des Zisterzienserordens.

Vom romanischen Ursprung kĂŒndet wohl nur noch die Klosterkirche St. Marien, die in ihrer Schlichtheit fĂŒr eine katholische Kirche schon sehr außergewöhnlich ist. Ansonsten zeichnet sich das Kloster durch eine große Offenheit aus. So kann ich ohne weiteres mit meinem Fahrrad durch die Klosteranlage fahren. Es beherbergt neben dem Nonnenstift noch ein Tagungshotel mit eigener Brauerei, ein GĂ€stehaus und ein Alters- und Pflegeheim.

Weiter geht es nun nach Seeburg am SĂŒĂŸen See. Auf halber Strecke mache ich Rast an der „kalten Stelle“. Hier soll sich Luther bei seiner letzten Reise nach Eisleben derart verkĂŒhlt haben, dass er einige Tage spĂ€ter starb. Manche vermuten aber auch, dass er hier einen Herzinfarkt erlitt, von dem er sich nicht mehr erholt hat. Wie dem auch sei, die Stelle ist tatsĂ€chlich bekannt dafĂŒr, dass hier eisige Winde auftreten können, die auch schon andere Reisende verschreckt haben.

Seeburg ist leider derzeit nicht zugĂ€nglich. Der gepriesene neue private Investor hat sich – wie das ja hĂ€ufiger der Fall ist – als nicht solvent genug erwiesen und betreibt zur Zeit eine gewinnerhoffende VerĂ€ußerung, die aber wohl auch nicht recht vorankommt. Die Ă€ltesten sicheren Nachrichten ĂŒber die Geschichte der Seeburg sind vom Ende des 9. Jahrhunderts ĂŒberliefert. Der sicher bedeutendste Besitzer war aber Wichmann II. von Seeburg (1116-1192), bekannter unter seinem Namen Wichmann von Magdeburg, einem der bedeutendsten Erzbischöfe von Magdeburg. Er galt zu seiner Zeit nach dem Erzbischof von Köln als der einflussreichste FĂŒrst im Reich zu Zeiten Friedrich Barbarossas.

Unter seiner Herrschaft, er war dem weltlichen Leben durchaus stark zugewandt, wurde die Burg Seeburg bedeutend erweitert. Die 1. Zwingermauer mit FlankierungstĂŒrmen und das „Blaue Haus“, der erzbischöfliche Palast, und das Portenhaus wurden errichtet. 1172 grĂŒndete Wichmann an der westlichen Spitze der Halbinsel ein Kollegialstift. Hier wurden eine neue Kirche und die entsprechenden WohngebĂ€ude gebaut. An der SĂŒdostecke der Anlage entstand ein neuer Zugang mit dem gesonderten unteren Vorhof.

In den Jahren 1182 bis 1184 schenkte Wichmann, weil er keine Nachkommen hatte, die Burg dem Erzstift Magdeburg. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wchselten jedoch noch hÀufiger die Besitzer. Auch die Grafen von Mansfeld waren darunter.

Im Oktober 1933 wurde im Schloss eine nationalsozialistische GaufĂŒhrerschule fĂŒr den Gau Halle-Merseburg eingerichtet. Die EigentĂŒmerfamilie Wendenburg wurde 1945 im Zuge der Bodenreform von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet und musste fliehen. Ein Teil des Schlosses wurde nun Berufsschule und im sogenannten Witwenturm wurde eine Jugendherberge eingerichtet. 

Obwohl es derzeit keinen Zutritt gibt, ist die Anlage ein optischer Leckerbissen, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Der Blick ĂŒber den See auf Schloss und Witwenturm ist schon sehr einmalig, besonders heute bei Sonnenschein.

Schließlich fĂŒhrt mich meine heutige Tour noch nach Unterröblingen, einem Stadtteil von Röblingen am See. Ich hatte mich schon hĂ€ufiger gefragt, warum es Röblingen am See heißt, obwohl rundum bestenfalls TĂŒmpel sind. Aber als ich auf der Straße nach Röblingen fahre, merke ich tatsĂ€chlich, dass ich durch einen ehemaligen, inzwischen aber verlandeten See fahre. Die Uferböschungen sind noch gut sichtbar. Allerdings wird der Grund des Sees inzwischen landwirtschaftlich genutzt bzw. ist durch weite SchilffflĂ€chen bewachsen. Der See hatte ursprĂŒnglich ein FlĂ€che von 8,5 qkm. Er ist offensichtlich auch nicht nur verlandet oder versickert, sondern zum Teil auch bewusst trocken gelegt worden, weil die Gefahr bestand, dass sein Wasser die nahe gelegenen Bergwerke flutet.

In Unterröblingen werfe ich einen Blick auf die Kirche St. Nicolai, die wohl im frĂŒhen 12. Jahrhundert durch hollĂ€ndische Einwanderer errichtet wurde. Leider ist das GelĂ€nde verschlossen und ich kann auch unter den angegebenen Telefonnummern niemanden erreichen. So bleibt nur ein kurzer Blick von außen, der den romanischen Ursprung aber deutlich erkennen lĂ€sst.

Bei meiner RĂŒckkehr nach Eisleben mache ich noch einen kurzen Abstecher zu Luthers Geburtshaus und zu seiner Taufkirche St. Petri und Paul. Beide sind aber bereits verschlossen und Luther wird ja ohnehin noch ein eigenes Thema, wenn ich im NĂ€chsten Jahr die Lutherwege durch Mitteldeutschland erkunden werde. Neben Luthers Geburtshaus gibt es die Lutherschenke, die eine ansprechende Speisekarte aufweist und die ich daher heute Abend ausprobieren werde.

Tagesdaten: 63,12 Km; 5:12:57 Std. Fz.; 12,10 Km/h; 470 Hm

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