1. Tag (7. Oktober 2019): Kapstadt

Nun sind wir in Kapstadt angekommen. Die Anreise verlief relativ problemlos, sieht man einmal davon ab, dass wir bereits gestern um kurz nach 9 Uhr in Leipzig die Bahn zum Frankfurter Flughafen nutzen mussten, obwohl unser Flug nach Johannesburg erst um 20:45 Uhr starten sollte. Aber die Bahn prognostizierte für diesen Sonntag so volle Züge, dass wir lediglich zu diesem frühen Zug noch Platzkarten bekamen. Das verlängerte Wochenende durch den Tag der Deutschen Einheit am Donnerstag und der Herbstferienbeginn in mehreren Bundesländern taten hierzu sicher das ihrige.

Der Flug nach Johannesburg verlief dann unproblematisch. Er dauert etwas über 10 Stunden und es sind mehr als 9.000 Km zurückzulegen. Schlafen können sowohl Heidrun als auch ich im Flugzeug nicht so gut, aber immerhin haben wir längere Zeit gedöst. In Johannesburg hatten wir etwa 2,5 Std. Aufenthalt. Aber da wir ein ganzes Stück durch den Flughafen und durch die Sicherheitskontrollen mussten, verkürzte sich die Wartezeit. Die Einreise nach Südafrika ist recht unproblematisch. Bei der Ankunft wird bereits eine Aufenthaltsgenehmigung von bis zu 90 Tagen in den Pass eingetragen. Wie bereits schon in Frankfurt sahen wir auch in Johannesburg immer mehr Reisende, die einen Chamäleon-Kofferanhänger hatten. Es waren aber insgesamt so viele, dass es mehrere Reisegruppen sein mussten.

In Kapstadt kamen wir dann kurz nach 12 Uhr an. Die Passkontrolle verlief hier zügig und auch unser Gepäck konnten wir erfreulicherweise bald wieder in Empfang nehmen. Positiv an einer Reise ins südliche Afrika ist übrigens, dass man keine Zeitumstellung verkraften muss. Südafrika hat die gleiche Zeit wie wir, nur die Jahreszeit ist hier entgegengesetzt. Sind wir in Deutschland im Herbst losgeflogen, kommen wir nun im Frühling an. Das Wetter unterscheidet sich allerdings nicht sonderlich von unserem gestern in Leipzig. Die Temperaturen liegen bei etwas unter 20 Grad und der Himmel ist heiter bis wolkig.

Unser Reiseleiter sollte uns hier in Kapstadt in Empfang nehmen. Da ich von ihm bereits ein Bild im Internet gesehen hatte, wusste ich in etwa, nach wem ich Ausschau halten musste. Zunächst ist aber die Orientierung schwierig, weil am Ausgang Dutzende von Reiseleitern und sonstigen in Empfang Nehmenden mit Zetteln und Namen versehen stehen. Bald sahen wir aber das gelbe Chamäleonschild in der Hand eines großen, stattlichen und stämmigen Mannes mittleren Alters, auf den inzwischen mehrere andere Reisende auch zusteuerten. Er stellte sich als Butz Hoffmann vor und sah schon recht zünftig aus mit Jeans und kariertem Hemd. Er macht einen offenen und fröhlichen Eindruck und ist keinem Scherz abgeneigt. Wir und auch andere Mitglieder unserer Reisegruppe hatten aber nun als ersten Wunsch, hier am Geldautomaten südafrikanische Rand abzuheben. Das nahm einige Zeit in Anspruch, weil ein Automat defekt, ein anderer nur englisch kommunizierte und hier schon deutlich wurde, das einige Mitglieder der Reisegruppe ähnlich wie wir, nicht unbedingt des Englischen allzu mächtig waren. Mir gelang es schließlich am einzigen auch deutsch kommunizierenden Geldautomaten 4.000 Rand, etwa 270 EURO abzuheben.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde, wir sind elf Leute in der Reisegruppe, vier Paare und drei Einzelreisende, machte uns Butz, der gleich das „Du“ mit dem Einverständnis aller zum Gruppenstandard erhob, etwas mit seiner Person vertraut und dann mit dem Ablauf des heutigen Tages. Butz ist ein Mitfünfziger deutschstämmiger Namibier. Obwohl er bisher nur dreimal in Deutschland war, spricht er ein perfektes Deutsch ohne jeglichen Akzent. Er lebt in der dritten Generation in Namibia, sein Großvater kam während der deutschen Kolonialzeit nach Namibia und baute dort eine Farm auf, die sein Vater dann weiterführte. Er meinte dann, über sein weiteres Leben würden wir ja im Laufe unserer Reise noch einiges erfahren in können.

Dann ging es erst einmal zum Bus, einem Mercedes-Sprinter mit 13 Sitzen. Der Weg vom Flughafen nach Kapstadt ist natürlich von neuen Eindrücken flankiert.  Mir fällt insbesondere der Tafelberg auf und auf den zweiten Blick ein Township, in denen hier tausende in einfachen Holz-, Papp- und Blechhütten leben und das sich kilometerweit erstreckt. Es sind die in Südafrika während der Apartheitspolitik zunächst angelegten Siedlungen für die schwarze, die farbige oder die indische Bevölkerung, die teilweise Ausmaße von mittleren und großen Städten besitzen. Der erste Eindruck ist bedrückend und man kann sich als Europäer überhaupt nicht vorstellen, wie man hier wohnen kann. Der erste Eindruck ist auch, dass sich nach dem Ende der Apartheid noch nicht viel geändert hat.

Das Township Khayelitsha ist eines der größten Townships in Südafrika. 2011 sollen hier fast 400 Tsd. Menschen gelebt haben, davon rund 98,5 Prozent Schwarze. In den 2000er Jahren versuchte die Regierung durch verschiedene Kampagnen die Lebensbedingungen zu verbessern. Sichtbarer Ausdruck dafür sind die zahlreichen Satellitenschüsseln, die man hier an den Blech- und Holzhütten findet. So wird auch versucht, allen Bewohnern freies Wasser und Elektrizität zu gewähren; weiter gibt es intensive sogenannte Housing-Programme. Für die neuerrichteten Häuser aus Stein gibt es jedoch lange Wartelisten.

Wenn man dann nach Kapstadt hineinfährt, fühlt man sich freilich wie in einer europäischen Metropole, was sicher auch damit zu tun hat, dass hier in Kapstadt der Anteil der Weißen und damit der Nachfahren europäischer Einwanderer mit über 30 Prozent sehr groß ist. Die Schwarzen kommen hier nur auf etwa 16 Prozent und die Mehrheit der Bevölkerung sind mit etwa 45 Prozent sogenannte Couloureds oder Mischlinge, eine Bevölkerungsgruppe die aus diverser kultureller und ethnischer Zusammensetzung besteht.

Unser Cape Riviera Guesthouse (http://caperiviera.co.za) liegt in der Belvedere Avenue, einer ruhigen Straße direkt unterhalb des Tafelberges. Die weiße Gastgeberin Michél Horne empfängt uns sehr freundlich. Die Zimmer sind groß und geräumig und im Kolonialstil, also mit schwerem, dunklen Mobiliar eingerichtet. Wir haben ein Zimmer im obersten Stock und von hier einen phantastischen Blick auf Kapstadt. Hier werden wir nun die nächsten beiden Nächte verbringen. Bevor wir uns aber einrichten können, unterrichtet uns Butz noch über den weiteren Ablauf. Jeder bekommt eine Metallflasche mit der Aufschrift des Reiseveranstalters, auf der wir unsere bereits vorgedruckten Vornamen anbringen. Diese Trinkflaschen sollen einerseits den Plastemüll auf der Reise minimieren, andererseits sind sie ein praktisches Equipment und werden mit dem Trinkwasser, welches Butz in Kanistern immer vorrätig in seinem Reisebus hat, gefüllt.  Es werden weitere kleine Geschenke verteilt, so zum Beispiel ein leinener Wäschesack, der in der Fraueninitiative Penduka, die wir in Windhoek noch kennenlernen werden, hergestellt wird, ein aus Draht geflochtenes Chamäleon, wohl in Anspielung an unseren Reiseveranstalter und ein Fläschchen mit Body-Öl, hergestellt aus der Nara-Pflanze, die in der Namib-Wüste wächst.

Nachdem wir uns eingerichtet haben, geht es dann unter Führung von Butz zu einer fußläufig erreichbaren Bushaltestelle, wo wir dann für etwa 15 € pro Person eine Stadtrundfahrt durch die Innenstadt von Kapstadt mit einem auch aus unseren Gr0ßstädten bekannten roten Hop on/Hop off Doppeldeckerbus unternehmen. Obwohl in dem Bus auch über Kopfhörer in deutscher Sprache Erläuterungen gegeben werden, verstehe ich wegen meiner Hörprobleme wenig und finde die Rundfahrt daher etwas unergiebig. Natürlich ist es auch recht schwierig, aus dem Bus heraus zu fotografieren. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass ich nun nach dem langen Flug recht müde bin. Lediglich vom Rathausplatz und dem von der Terrasse des Rathauses winkenden Nelson Mandela gelingt mir ein zuordenbares Foto. Das ebenfalls hier ansässige südafrikanische Parlament habe ich leider nicht gesehen aber Heidrun hat es vor die Linse bekommen. Die Statue Nelson Mandelas auf der Terrasse des Rathauses erinnert übrigens an seine berühmte Rede, die er am 11. Februar 1990 hielt, nur wenige Stunden nach seiner Freilassung und in der er den Beginn einer neuen Ära in Südafrika ankündigte.

Kapstadt und Südafrika haben sich sicher seit dem Ende der Apartheid grundlegend verändert. Die Grundstückspreise sollen rasant gestiegen sein, das Stadtzentrum soll sicherer geworden sei und viele Stadtviertel wurden mittels großzügiger Sanierungsprogramme entwickelt. So hat Kapstadt im Stadtzentrum auch ein sehr modernes Gesicht. Trotzdem wird schon hier am ersten Tag klar, dass die Mehrheit der Einwohner nach wie vor unter denselben wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Problemen leiden. Auch Butz erzählt davon, das abgesehen von einer sich bildenden kleinen und farbigen finanziellen Oberschicht die erhofften sozialökonomischen Verbesserungen nach wie vor auf sich warten lassen. Probleme wie AIDS und die hohe Kriminalitätsrate sind nach wie vor ungelöst. So sollen nach 1990 in Südafrika über 3.000 Farmer ermordet worden sein.

Abends fahren wir dann noch einmal mit „unserem“ Bus nach Kapstadt hinein in ein afrikanisches Restaurant mit dem einladenden Namen „Gold“ (http://goldrestaurant.co.za) das nicht nur mit seinen afrikanischen Spezialitäten, sondern auch mit  afrikanischer Folklore wirbt. Man hat den Eindruck, dass das Restaurant Anlaufstelle für viele Reisegruppen ist, denn wir sind nicht die einzigen. Auf einer Bühne werden Tänze in für uns fremden aber sehr bunten Kostümen aufgeführt. Es ist ein schöner Einstieg in unsere Reise. Ein näheres Kennenlernen der Mitglieder unserer Reisegruppe ist hier freilich nicht möglich. Dazu ist es zu laut. Heidrun und ich, aber wahrscheinlich auch die meisten anderen sind durch die lange Anreise dann auch froh, als wir gegen 22 Uhr wieder in unserem Guesthouse sind. Vielleicht können wir etwas von dem Schlafmangel der vergangenen Nacht wieder etwas wettmachen.

 

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