Ich habe schlecht geschlafen. Vielleicht weil Vollmond war. Madame Karine meint das jedenfalls. Am Bett lag es auf jeden Fall nicht. Das war ein Boxspringbett. Madame und Monsieur bereiten mir für 7.30 Uhr ein gutes französisches Frühstück. Ich will rechtzeitig los, weil über 100 Km vor mir liegen. Das französische Frühstück, denn ich gehe davon aus, dass dies die Originalversion war, besteht aus einem frisch gepressten Orangensaft, Kaffee, einem Korb mit Baguette und Croissants, Butter und Marmelade. Ich komme inzwischen damit zurecht und es hält sogar vor. Gegen 8.15 Uhr verlasse ich meine Gastgeber und ihr Haus. Es ist sehr frisch geworden. Ich ziehe erstmals Mütze und Handschuhe an. Dann geht es los. Die Sonne ist gerade aufgegangen und bescheint den Morgennebel, der über den Flüssen und Feldern liegt.

Ich komme dann Chaumont vorbei, wo auf einem Felsvorsprung das schöne Chateau du Chaumont liegt. Heute liegt es noch im Nebel. Aber vor zweieinhalb Wochen war ich mit Heidrun hier. Von diesem Ausflug stammen die Fotos. Es ist übrigens das Schloss, mit dem Diane de Poitiers von Katharina von Medici für den Verlust von Chenonceau entschädigt worden war. Auch dieses Schloss ist aber ein Kleinod, wobei besonders die Park- und Gartenanlagen sehr reizvoll sind.

Nachdem ich in Blois keine Übernachtung gefunden hatte, lasse ich es sozusagen links liegen. Ich kenne es ja auch schon, weil Heidrun und ich hier eine Woche in einer Ferienwohnung verbracht haben. Blois hat rund 45 Tsd. Einwohner und liegt direkt an der Loire, zieht sich aber über mehrere Hügel, so dass es ein ständiges Auf und Ab ist, wenn man durch die Stadt geht. Blois war im 15. Und 16. Jahrhundert (1498 bis 1589) ständige Residenz der französischen Könige. Besonders bemerkenswert ist Blois nicht. Eigentlich ist nur das Königsschloss hervorhebenswert.  Es liegt auf  einem Bergsporn oberhalb der Loire. Eigentlich sind es vier Schlösser, weil die meisten der hier residierenden Könige sich offensichtlich mit ihrem Residenzschloss zu verwirklichen suchten. So entstand zwischen 1498 und 1501 der Flügel Ludwigs XII., der seinen Geburtsort Blois als Hauptresidenz auserkoren hatte. Über dem Eingangsportal dieses Flügels befindet sich in einer Nische eine lebensgroße Reiterstatue des Königs. Auch Franz I. verwirklichte sich nach seiner Thronbesteigung zunächst mit einem eigenständigen Flügel der ab 1515 entstand. Statisch wurden alte Festungsanlagen der Ringmauer und deren Türme genutzt. Architektonisch wurde das Ganze mit einer durch die italienische Renaissance geprägte Schaufassade mit Rundbogennischen versehen. Man verfolgte damit angeblich in Frankreich erstmals eine Abkehr von der wehrhaften Architektur zugunsten von repräsentativer Offenheit und damit den Übergang von der Burg zum Schlossbau. Der letzte Flügel wurde dann von Gaston d´Orleans im 17. Jahrhundert vorgenommen. Ihm war von seinem Bruder Ludwig XIII. das Schloss Blois überlassen worden, um ihm am Hof möglichst nicht um sich zu haben. Gaston als noch amtierender Thronfolger, der spätere Ludwig XIV. war noch nicht geboren, wollte mit seinem Bauvorhaben frühzeitig etwas Bleibendes schaffen. Ursprünglich sah der Plan einen völligen Abriss der ursprünglichen Gebäude vor, die durch Neubauten im Stil des barocken Klassizismus ersetzt werden sollten. Von diesen umfassenden Plänen kam aber nur ein Wohntrakt zur Ausführung, dessen Bau 1635 begonnen und 1638 beendet wurde. Dann musste Gaston wegen Geldnot die Arbeiten beenden, denn nach der Geburt Ludwig XIV. war seine Thronfolge unwahrscheinlich geworden. Der erste Minister des Königs, der Kardinal Richelieu, strich ihm kurzerhand die finanzielle Unterstützung für sein Bauvorhaben.

Nächste Station auf meiner Tour nach Orleans ist dann Schloss Chambord. Schloss Chambord. Es ist sicher das berühmteste, prächtigste aber auch das merkwürdigste der Schlösser an der Loire. Es liegt etwa 20 Kilometer von Blois und etwa 10 Kilometer von der Loire entfernt. Bis dahin radelt man über eine flache Ebene, die sehr stark landwirtschaftlich genutzt wird. So kommen wir an Mais- und Sonnenblumenfeldern vorbei, die auf ihre baldige Ernte warten. Auch Hirse wird hier angebaut und Gemüse wie Zucchini und Artischocken sowie die diversesten Kohlsorten.

Im 16. Und 17. Jahrhundert war das Tal der Loire mit seinen Schlössern und Burgen immer noch das gesellschaftliche und kulturelle Zentrum Frankreichs. Unter dem französischen König Franz I. (1494-1547), der sich auch durch sein Mäzenatentum einen Namen machte, etablierte sich die Stilrichtung der aus Italien stammenden Renaissance auch in Frankreich und führte zu zahlreichen Neubauten. Neben Fontainbleau war das Schloss Chambord das aufwändigste Projekt Franz I. Am auffälligsten sind dabei die Dächer bzw. die Dachgestaltung des Schlosses, die in dieser Form als einzigartig gilt. Es sollte einerseits ein Jagdschloss werden und andererseits als Symbol der Macht die Stärke und Leistungsfähigkeit demonstrieren. Letzteres hing auch damit zusammen, dass Franz I. sich zu dieser Zeit noch Hoffnungen machte, Karl V. die Krone des Heiligen Römischen Reiches entwinden zu können. Nachdem sich diese Hoffnungen nicht erfüllten, blieb Chambord nur ein überdimensioniertes Jagdschloss. Weder Franz I. noch ein anderer französischer Herrscher haben es als dauerhafte Residenz genutzt. Chambord wurde vor allem als Jagdsitz des Hofes genutzt und beherbergte während großer Jagden mehr als tausend Personen. Auch Ludwig XIV. nutzte Chambord für opulente Feste. So wurde auch in dieser Zeit Moliéres Ballett „Der Bürger als Edelmann“ im Schloss uraufgeführt.

Im 18. Jahrhundert diente das Schloss von 1725 bis 1733 als Residenz des exilierten polnischen Königs Stanislaus I. Leszcz´nski. Von 1748 bis zu seinem Tod 1750 lebte hier der in französischen Diensten stehende Generalmarschall Moritz von Sachsen, ein illegitimer Sohn Augusts des Starken und der Gräfin Maria Aurora von Königsmarck. Er ließ sich erst einmal Kachelöfen aus Sachsen liefern, um die von ihm bewohnten Räume auch erwärmen zu können. Im Übrigen ließ er die umliegenden Sümpfe trockenlegen, um Seuchengefahren vorzubeugen. Im 19. Jahrhundert soll Schloss Chambord auch Vorbild für den Um- und Neubau des Schweriner Schlosses gewesen sein.

Heute ist Chambord ein sehr beliebtes Ausflugsziel. Es ist übrigens eines der wenigen Schlösser an der Loire, an das man herankommt, ohne schon vor dem ersten Blick darauf Eintritt zahlen zu müssen. Ich radele zunächst durch den Wald und Park, die das Schloss umgeben. Schloss und Park sind von einer etwa 32 Kilometer langen Mauer umgeben. Auf diesem Gelände wurden dann die Jagden durchgeführt, bei denen Wildschweine und Hirsche zu Tode gehetzt wurden.

Ich fahre einmal um das Schloss herum und lege hier auf einer Steinbank auch meine Mittagspause ein. Dann geht es aber weiter. Die Hälfte der Strecke bis Orléans habe ich nun hinter mir, aber die andere Hälfte liegt noch vor mir und inzwischen ist es 14 Uhr. Allerdings wird die Fahrt jetzt auch leichter. Etwa 5 Kilometer nach Chambord kommt man bei Saint-Dye direkt an die Loire und muss sie auch für die nächsten 50 Kilometer nicht mehr verlassen. Der Weg ist eben und es geht leichter Rückenwind. Vorbei geht es erst einmal an dem weithin sichtbaren Atomkraftwerk St-Laurent-de-Eaux. Einen kurzen Zwischenstopp mache ich dann noch in Beaugency, einer kleinen Stadt direkt an der Loire, die besonders durch eine 400 Meter lange Brücke auffällt, deren älteste Teile aus dem 12. Jahrhundert stammen. Auffällig auch ein etwa 40 Meter hoher sogenannter Donjon, also ein Wohnturm einer mittelalterlichen Burg. Er hat geradezu Hochhauscharakter. In einem kleinen Kaffee, dass wir vor zwei Wochen schon einmal besucht hatten, verweile ich noch ein wenig bei einer Tasse Café au lait und einem Stück Kuchen.

Danach geht es die letzten dreißig Kilometer zügig weiter. Der Weg führt weiter direkt an der Loire entlang durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Gegen 18 Uhr erreiche ich dann Orlean und bin froh, dass ich die Strecke so gut bewältigt habe.

 

Tagesdaten: 109,47 Km; 7:55:54 Std. Fz; 13,80 km/h, 349 Hm

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