In meinem B&B habe ich hervorragend geschlafen. Das Bett war wirklich sehr gut. So eine Art Boxspringbett, auf denen ich ja inzwischen stehe, nein, gut schlafe. Madame hatte mir um 8 Uhr wirklich ein hervorragendes Frühstück serviert, für dessen Qualität sie auch bei booking.com immer wieder gelobt wurde. Es gab einen Teller mit Wurst und Käse, allerdings alles frisch und nicht abgepackt. Es gab Baguette, es gab vier verschiedene und wohl selbstgemachte Marmeladen. Eine edler als die andere. Es gab frischen Orangen- und Grapefruitsaft und schließlich gab es noch einen Teller mit frischem Obst, das so zurecht gemacht war, dass man es nur noch in den Mund stecken musste, um sich daran zu laben. Es waren Weintrauben, Heidelbeeren, Himbeeren, Mandarinen, Kiwis und Erdbeeren dabei. Als ich dann Madame noch sagte: „Votre petit déjeuner était fantastique, Madame“ war sie begeistert über mein Französisch und wollte mit mir weiter parlieren. Schade, dass das bald an unsere Grenzen geriet. So begann der Tag erfreulich und auch das Wetter spielte hervorragend mit. Es war zwar morgens noch recht frisch, so dass ich erstmals wieder Handschuhe anzog, aber sonnig und nur kleine Wolken am Himmel. So fuhr ich gegen 9 Uhr frisch gestärkt los. Vom gegenüberliegenden Ufer der Vienne machte ich noch Fotos von der noch nebelumschleierten Burg.
Dann ging es weiter. Zunächst einmal musste ich in Chinon einige sehr steile Straßen, auf denen ich das Fahrrad schieben musste, bewältigen. Dann ging es über eine Hügellandschaft in Richtung Huismes und zum Chateau d´Usse. Die ganze Zeit sah ich schon die heute, dank der Windstille, steil aufsteigenden Wolken der Kühlungsanlagen des Kernkraftwerks Chinon. Ich fotografierte dies, obwohl man das Kernkraftwerk selbst nicht sehen konnte. Kurz hinter Huismes gab es dann eine einzige Stille, wo man das Kernkraftwerk in der Ferne sehen konnte. Ich wollte meinen Fotoapparat herausholen, um es zu fotografieren … und er war weg! Wie immer hatte ich meinen Fotoapparat in meiner Jackentasche. Die Schutztasche war noch da, aber der Apparat war weg. Vielleicht kann man sich vorstellen, dass mich leichte Panik ergriff. Ich schaute in den Rucksack und die Fahrradtaschen, ob ich ihn in Gedanken dort vielleicht hineingetan hatte. Aber nichts. Der Fotoapparat blieb verschwunden. Mich überkamen auch wieder Selbstzweifel wie mir so etwa überhaupt passieren kann. Über fünf Jahre trage ich, wenn ich unterwegs bin, eigentlich ständig meinen Fotoapparat in der Jackentasche mit mir herum. Aber nie ist mir so etwas passiert.
Was tun? Ich wusste, dass ich vor einigen Kilometern noch Fotos gemacht hatte. Also blieb nichts anderes übrig als die Strecke noch einmal zurückzufahren und zu schauen, ob er mir irgendwo aus der Tasche gerutscht war. Ich malte mir aus wie er jetzt auf der ziemlich befahrenen Straße liegen könnte und schon mehrere Autos über sich hat fahren lassen müssen. Der Weg bis zum letzten Fotostopp war etwa sechs Kilometer und es war der hügeligste Teil der heutigen Tour. Es brachte beachtliche Höhenmeter. Aber die ganze Strecke fand ich keine Spur von meinem Fotoapparat bis ich zu der Stelle des letzten Fotostopps kam und ihn auf der Straße liegen sah etwa 30 cm vom Straßenrand entfernt und auf den ersten Blick unversehrt. Nach der ersten Betrachtung sah ich aber dann doch, dass er einige Schrammen und Dellen abbekommen hatten, die nicht nur davon herrühren konnten, dass er aus meiner Jackentasche gerutscht und auf den Asphalt gefallen war. So fehlte die Abdeckplatte für die Chipkarte und den Akku. Da aber beide eingerastet sind, war das für die Funktionsfähigkeit nicht entscheidend. Schlimmer fiel dann aber doch der erste Funktionstest aus. Das Display hatte offensichtlich einen Schlag mitbekommen. So konnte man darauf die anvisierten Fotoobjekte kaum noch erkennen, weil sich über das gesamte Display Streifen zogen. Grund genug für mich davon auszugehen, dass der Apparat nicht mehr verwendungsfähig sei. Ich packte ihn daher vorsichtig in seine Schutztasche, machte mich auf den Weg zurück und dachte darüber nach, ob und wie ich morgen in Tours einen vergleichbaren Apparat bekommen könnte und, dass das doch nun schon wieder ein unvorhergesehener finanzieller Aderlass wäre.
Nach einiger Zeit kam mir aber der Gedanke, dass meine Lumix Tz 61 doch auch einen Sucher hat. Den habe ich zwar nie benutzt, weil mir das mit dem Display sinnvoller erschien. Aber ich erinnerte mich in den Kritiken gelesen zu haben, dass dieser Sucher ganz hervorragend sei. Also probierte ich es aus als ich wieder an die Stelle kam, wo mir der Verlust des Apparats aufgefallen war und fotografierte das Atomkraftwerk nun, indem ich es durch den Sucher fokussierte … und siehe da, es funktionierte. Mir fiel ein Stein vom Herzen!
Der Rest der heutigen Tour ist schnell erzählt. Kurz hinter Huismes kam ich wieder an die Loire und damit an die Hauptroute. Ich habe noch drei kleinere Abstecher zu drei Schlössern gemacht. Da man schon wieder an den Parkpforten Eintritt zahlen musste sind leider nur sehr unvollkommene Fotos entstanden. Ansonsten ging es die Loire auf einer asphaltierten aber wenig befahrenen Straße entlang, auf denen in Frankreich immer dafür geworben wird, das Autofahrer und Radfahrer rücksichtsvoll miteinander umgehen und sich die Straße teilen sollen. Tatsächlich scheint das auch zu funktionieren. Auch ich bin oft zur Seite gefahren, um Autofahrer vorbeizulassen. Aber auch Autofahrer bleiben geduldig hinter einem, wenn man gerade mal nicht ausweichen kann. In Deutschland stelle ich mir das schwieriger vor.
Dann geht es noch entlang des Cher, der etwa 20 Kilometer westlich von Tours in die Loire fließt. Man kommt hier von Süden nach Tours, weil die Stadt zwischen der Loire und dem Cher liegt. Meine Unterkunft im Ibis ist in Ordnung und ich wasche nun nach fünf Tagen erstmals meine Wäsche. Sie hat nun zwei Nächte und einen Tag Zeit zum Trockenen. Soviel Zeit braucht man wohl auch.
Tagesdaten: 72,85 km; 5:41:19 Std. Fz; 12,80 km/h; 329 Hm