Heute werden wir Südafrika verlassen und die Grenze nach Namibia überfahren. Butz hat uns beim Frühstück Formulare gegeben, die wir ausfüllen müssen, um nach Namibia einreisen zu können. Die Adresse unseres ersten Hotels in Namibia hat Butz schon eingestempelt. Vor der Abfahrt machen die Frauen unter Anleitung von Daniela noch ein kleines Gymnastikprogramm. Die Männer beteiligen sich mehr beim Scheibenputzen an unserem Flitzer. Der Himmel ist blau und wolkenlos; es verspricht auch wieder ein sehr heißer Tag und eine lange Fahrt zu werden.
Bis zur Grenze zu Namibia sind es 120 Kilometer. Insgesamt liegen heute etwa 370 Kilometer vor uns. Nach Springbok wird die Landschaft wieder sehr karg und immer wüstenähnlicher. Nur gelegentlich durchbricht mal ein kleiner Baum oder grauer Busch die eintönige graubraune, steinige und sandige flache Landschaft. Gelegentlich locken kleinere Felsenhügel das Landschaftsbild etwas auf. Butz erzählt uns, dass es auch für hiesige Verhältnisse hier inzwischen sehr trocken ist und dass es schon lange nicht mehr ausgiebig geregnet hat. Der Spruch „Wasser ist Leben“ wird bei ihm zum geflügelten Wort. Auch das südliche Afrika scheint zunehmend und schon sehr massiv unter dem Klimawandel zu leiden.
Die Grenze zwischen Südafrika und Namibia bildet hier seit dem Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem vereinigten Königreich über die Kolonien und Helgoland aus dem Jahre 1890 der Fluss Oranje, neben dem Sambesi der längste Fluss im südlichen Afrika. Nachdem wir ohne Probleme aus Südafrika rausgefahren sind, hält Butz noch vor der namibischen Grenzstation an und wir können uns auf der Brücke über den Oranje den Fluss etwas genauer anschauen. Durch die karge Landschaft schlängelt er sich wie ein grünes Band. Aber lediglich 100 bis 200 Meter breit ist die Vegetation auf jeder Uferseite. Danach ist wieder Fels, Geröll und Sand. Im Fluss sehen wir Angler, aber auch zahlreiche Vögel und am Flussrand grasen Kühe, für die der Oranje mit seiner Vegetation wie ein Schlaraffenland wirken muss.
An der namibischen Grenzstation gibt es dann ein kleines Problem. Der von Butz gut gemeinte Stempel unserer ersten Unterkunft in dem Einreisepapier wird nicht anerkannt. Offensichtlich gibt es eine neue Vorschrift, dass alles handschriftlich ausgefüllt sein muss. So müssen wir die Vordrucke noch einmal neu ausfüllen. Ansonsten verläuft der Grenzübergang aber auch hier ohne Probleme und zügig. Die Nationalstraße 7 wird nun in Namibia zur B 1 und durchzieht das Land vom Süden über Windhoek bis in den Norden und geht dann weiter bis nach Angola. Nach 150 Km geht es in Grünau ab von dieser Hauptstraße und wir fahren nun eine Schotterstraße entlang, die recht holprig wird. Namibia soll zwar ein für afrikanische Verhältnisse sehr gutes Straßennetz haben, aber 90 Prozent der Straßen sind Schotterpisten. Zu meiner Überraschung wehrt sich mein Rücken und mein Nacken nicht gegen die ständige Ruckelei. Vielleicht trifft es ja tatsächlich zu, wenn später ein Fahrer in einem Nationalpark Autofahrten auf diesen Pisten „African Massage“ nennt.
Die Fahrt bis zu unserem nächsten Ziel zieht sich allerdings hin. Gegen 15 Uhr erreichen wir dann das Canyon Roadhouse (https://store.gondwana-collection.com/accommodation/canyon-roadhouse), das weit abseits von jeder Ortschaft mitten in der Halbwüste liegt. Die Lodge sticht wegen ihrer eigenwilligen Dekoration ins Auge, so ist sie vor allem mit alten Schrottautos und anderen Gegenständen rund um das Auto dekoriert. Dies soll wohl auch eine Reminiszenz an eine früher hier gestandene Tankstelle sein. Auch die Rezeption ist aus einem alten LKW gebildet. Die Lodge ist übrigens ein Unternehmen der Gondwana Collection Namibia (http://www.gondwana-collection.com), die als größter privater Betreiber von Unterkünften hier in Namibia gilt. Das Unternehmen widmet sich aber auch dem Schutz der Natur und hat mehrere Naturschutzgebiete eingerichtet, in denen zahlreiche Wildtierarten angesiedelt wurden. Daneben unterstützt das Unternehmen aber auch die in Namibia lebende schwarze Bevölkerung, in dem es Arbeitsplätze und vor allem auch eine große Zahl von Ausbildungsplätzen geschaffen hat. Gegründet wurde das Unternehmen 1995 als Naturschutz- und Unterkunftsbetrieb von dem langjährigen Geschäftsführer Manfred Goldbeck, ebenfalls einem deutschstämmigen Namibier, den Butz wohl noch aus seiner Schulzeit kennt.
Auf unserem Weg zu den Unterkünften begegnet uns vor den Zimmern ein Oryx, der hier ruhig das Gras auf den Rasenflächen vor unseren Unterkünften frisst. Der Oryx ist eine Antilopenart, deren Bullen bis zu 180 cm groß und bis zu 200 kg schwer werden können. Er ist übrigens auch das Wappentier Namibias. Seine Anwesenheit ist wohl nichts Außergewöhnliches und er verhält sich auch friedlich. Lediglich als ich einmal recht nahe auf ihn zugehe, senkt er den Kopf und lässt mich seine spitzen Hörner sehen. Das sieht zwar nicht aggressiv und bedrohlich aus, aber er sendet doch das Signal: „Störe meine Kreise nicht“. Ich halte mich dann in Zukunft daran. Zur Abkühlung springen einige von uns erst einmal in den Pool und genießen für kurze Zeit das kühle Nass.
Aber der Tag ist noch nicht beendet. Ein besonderer Höhepunkt liegt noch vor uns: Der Fish River Canyon (https://www.namibia-info.net/namibia-reisefuehrer/sued-namibia/fish-river-canyon.html). Gegen 16 Uhr sitzen wir wieder im Bus und fahren die wenigen Kilometer bis zum Ostrand des Canyon. Der Fish River Canyon ist ein mit etwa 160 Kilometer Länge, bis zu 27 Kilometer Breite und bis zu 550 Meter Tiefe vom Fischfluss ausgewaschenes Flussbett. Er ist der größte Canyon Afrikas und gilt nach dem Grand Canyon im Südwesten der Vereinigten Staaten als der zweitgrößte Canyon der Erde. Der Fischfluss ist mit 650 Kilometern der längste Fluss Namibias und mündet in den Oranje. Allerdings führt er durch den Canyon nur in sehr regenstarken Zeiten überhaupt Wasser weil er weiter oberhalb durch den Hardap-Damm aufgestaut ist. So sind auch die Wasserflächen, die man am Grund des Canyon erkennen kann eher durch das Grundwasser gespeist als durch den Fluss selbst.
Butz fährt uns zu den Hauptaussichtspunkten und wir haben phantastische Blicke in den Canyon. Leider ist das Fotografieren um diese Tageszeit recht schwierig, weil wir von Osten in den Westen und damit in die Sonne schauen. Dafür erwarten wir natürlich einen sehr schönen Sonnenuntergang. Vom letzten Aussichtspunkt lässt Butz uns die etwa zwei Kilometer zurück laufen. Es ist zwar nach wie vor sehr heiß, aber wegen der geringen Luftfeuchtigkeit spürt man die Hitze nicht so unangenehm und es tut gut, nach dem vielen Fahren mal wieder ein Stück zu laufen. Es ist eine knochentrockene Landschaft. Nur vereinzelt lockert ein grauer Busch oder ein Köcherbaum die eintönige aber faszinierende Landschaft auf.
Da ich der einzige aus unserer Gruppe bin, der auch schon mal am Grand Canyon war, werde ich gefragt, welcher Canyon denn der Schönere ist. Ich möchte mich da nicht festlegen. Beide Canyons sind schon allein wegen der sichtbar gewordenen Kräfte, die hier gewirkt haben, sehr eindrucksvoll. Geologisch sehen sie sich auch sehr ähnlich. Ich könnte sicher Fotos zeigen, wo man nicht erkennen könnte, um welchen der beiden Canyons es sich handelt. Es gibt aber ein paar Unterschiede. Zum einen habe ich beim Grand Canyon eine stärkere Vegetation in Erinnerung. Zum anderen ist der Grand Canyon wohl leichter begehbar. Am Fish River Canyon darf man nur einige Monate im Jahr hinunterwandern und das auch nur mit geführten Touren Schließlich fließt auch der Colorado als Fluss durch den Crand Canyon. Ansonsten sollte man beide Canyons in ihrer Einzigartigkeit sehen und wahrnehmen. Wir sind uns alle einig, dass der Besuch des Fish River Canyons zu den großen Highlights unserer Reise gezählt werden muss.
Nach unserer Rückkehr hat Butz für uns ein kleines Picknick aufgebaut. Es gibt Gin Tonic, Trockenfleisch und Cracker und wir genießen beim Picknick auch noch den eindrucksvollen Sonnenuntergang. Das Trockenfleisch scheint übrigens eine namibische Besonderheit zu sein. Es wird uns in den nächsten Tagen noch häufiger begegnen und ist als kleiner Imbiss zwischendurch sehr gut geeignet. Den Sonnenuntergang mit einem Becher Gin Tonic zu erleben, ist schon etwas ganz Besonders und war eine tolle Idee von Butz. Nachdem wir unser Picknick beendet haben, ist es schon fast dunkel und wir fahren wieder auf einer ziemlich heftigen Schotterstrecke zurück in unser Lodge. Den Abend verbringen wir dann im Freisitz des Restaurants der Lodge, wo wir sehr vorzügliche Antilopensteaks verzehren.