56. Tag: 28.05.2017 Ráckeve – Kalocsa

Heute beim Frühstück, was nicht so sonderlich gut war, lerne ich ein Schweizer Ehepaar kennen, die mit dem Tandem von Basel ab und die Donau ebenfalls bis zum Schwarzen Meer fahren wollen. Sie sind noch nicht in Rente, haben sich aber eine viermonatige Auszeit genommen. Beide sind richtig gut drauf und es ist ein unterhaltsamer Morgen. Leider haben wir keine Telefonnummern ausgetauscht. Ich würde sie gerne wiedertreffen .Mal sehen, ob man sich doch noch wieder begegnet.

Gegen halb zehn komme ich los und es liegen knapp hundert Kilometer vor mir. Bei Tesco kaufe ich mir noch Proviant für den heutigen Tag. Ich bin schon sehr froh über die liberaleren Regelungen zur Ladenöffnung als bei uns, auch wenn mir das meine Gewerkschaftsfreunde wieder übelnehmen werden. Zunächst fahre ich sozusagen von der Insel auf das Festland und dort für etwa 20 Kilometer an der Kleinen Donau entlang, bis die Donauinsel Csepel aufhört. Interessant ist, dass dieser Streckenabschnitt dicht besiedelt ist, obwohl auf den Karten gar keine Siedlungen oder Häuser ausgewiesen sind. Es ist eine einreihige Bebauung entlang des Donauufers mit Ferienhäusern, Hütten aber wohl auch als fester Wohnsitz genutzten Einfamilienhäusern. Auch hier war wieder der Phantasie architektonisch freien Lauf gelassen. Auch am Ufer herrscht reges Treiben. Im Abstand von 20 bis 50 Metern finden sich Stege in die Donau hinein, meist erweitert durch eine kleine Terrasse, auf der Stühle und Bänke stehen. Viele, meist ältere Männer sitzen hier und angeln. Manchmal sitzen auch gesellige Runden zusammen und trinken schon am Sonntagmorgen ihr Bier. Es ist eine richtige Donauidylle. Übrigens habe ich Vergleichbares schon einmal bei den Tschechien an der Elbe erlebt.

Danach geht die Route weg von der Donau und führt auf ruhigen Nebenstraßen, aber auch auf belebten Bundesstraßen und manchmal auch über Feld- und Wiesenwege weiter nach Süden. Die Donau selbst bekomme ich heute dann auf den weiteren Kilometern überhaupt nicht mehr zu sehen. Dafür kommt nun aber endlich die Puszta mit unendlichen Weiten und riesigen Getreide- und Gemüsefeldern sowie Obstanbaugebieten. Dazwischen auch immer wieder Wiesen und Mohnfelder. Viehzucht scheint es hier dagegen kaum oder überhaupt nicht zu geben. Ich habe weder Schweine noch Kühe gesehen. Gelegentlich grasen einige Pferde. Während ich die Getreidesorten noch kenne, kann ich beim Gemüse nicht mithalten. Was aus den vielen Pflänzchen noch werden soll, bleibt mir bisher verschlossen. Die Weite der Puszta ist wirklich beeindruckend. Wie flach sie ist und damit Weite ermöglicht kann man daran ermessen, dass ich heute auf einer Strecke von über 100 Kilometern noch nicht einmal auf 100 Höhenmeter gekommen bin. Beeindruckend finde ich auch, welche Ruhe die Puszta ausstrahlt. Selbst der Autolärm kann dieser Ruhe nichts anhaben. Man hört lediglich das Zirpen der Grillen und das Zwitschern der Vögel, bestenfalls noch das Rauschen der Blätter im Wind. Ansonsten schluckt die unendliche Weite jedes Geräusch weg. Das mag seltsam klingen, ist aber so.

Ansonsten wird es langsam abenteuerlicher. Oft verfahre ich mich heute. Das liegt nicht immer an meiner Dusseligkeit, sondern es fehlen notwendige Hinweisschilder und einmal ist ein Schild so angebracht, dass es schlicht in die völlig falsche Richtung weist. Das kostet natürlich Zeit und frisst auch zusätzliche Kilometer. Auf den bikeline kann man sich nun auch nicht mehr total verlassen. Oft liegt er mit seiner Ausweisung der Wegebeschaffenheit ziemlich daneben. Da wird asphaltierter Radweg ausgewiesen und Du fährst über eine sandige Holperstrecke, die noch nie Asphalt gesehen hat. Auch die Touren auf den Straßen sind nicht ganz unproblematisch, zumindest wenn die Straßen schon länger nicht mehr saniert wurden. Meistens sind die äußeren Straßenränder, auf denen man als Radfahrer ja nach Möglichkeit fahren sollte, so zerstört oder es haben sich durch die Hitze Wulste gebildet, dass es kaum möglich ist, hier zu fahren. Man strebt also als Radfahren mehr in die Mitte, was natürlich für die Autofahrer nicht angenehm ist. Insbesondere wird das natürlich auf Bundesstraßen problematisch, wenn die Autofahrer bei erlaubten 90 km/h mit 120 km/h an dir vorbeizischen. Aber es ist wieder einmal alles gut gegangen.

Mein Ziel war heute Kalocsa. Kalocsa ist auch eine für Ungarn wichtige und bedeutende Stadt. Es ist auch der Sitz eines Bistums, es war auch von den Türken erobert und zerstört und wurde schließlich wieder befreit und neu aufgebaut. Seine heutige Bedeutung hat Kalocsa, das eben in der Puszta liegt, als Zentrum der ungarischen Paprikaindustrie und als das weltgrößte Anbaugebiet für Paprika. Es hat sogar ein Paprikamuseum. Ich bin daher sicher, dass ich heute schon viel Paprika gesehen, es bloß noch nicht gemerkt habe. Weitere wirtschaftlich bedeutende Standbeine der Region sind Wein, Obst, Flachs, Hanf und Getreide, aber auch der Fischfang.

Ja, nun bin ich bereits in Südungarn und morgen werde ich kurz vor der serbischen Grenze stehen. Aber ganz soweit ist es ja noch nicht.

Tagesdaten: 109,81 km/07:44 Std. Fz/14,18 km/h/84 Hm aufwärts/75 Hm abwärts

2 Kommentare

  • Kathrin sagt:

    Hallo Wolfgang, auf der heutigen Tour bist du etwas aus dem Konzept gefallen oder hast du beim Leiterspiel verkehrt gewürfelt? Denn zwischendurch warst du mal kurz an der Elbe:)
    Ich würde die botanischen Bilder auch der Paprika zuordnen. Aber der weißblühende Busch ist Holunder. Aus diesem zaubert deine Frau im Moment Holunderblütengelee. Also noch ein schöner Grund, sich auf zu Haus zu freuen. Weiterhin gutes Gelingen und bessere Wege wünscht Kathrin

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