Ich habe sehr gut geschlafen und das Frühstück ist wie schon gewohnt sehr ordentlich. Mein erster Weg führt mich zu einem Express Friseur, weil ich meine, dass ich es nötig habe. Gerade wenn man witterungsbedingt immer eine Mütze aufhat, werden längere Haare doch störend. Vor 45 Jahren habe ich das wohl noch anders gesehen. Der Friseur ist übrigens in den Schlossarkaden. Hinter der wieder restaurierten Fassade des gewaltigen Braunschweiger Residenzschlosses erstrecken sich Geschäfte, Dienstleistungsunternehmen, Restaurants und Imbisse vergleichbar dem Angebot und auch der Gestaltung der Leipziger Höfe.

Nachdem ich von einer ehemaligen Chemnitzerin, die um die Wende herum mit ihren Eltern die DDR verließ und nach Wolfenbbüttel zog, wieder präsentabel frisiert wurde, beginne ich mit einem kleinen Stadtbummnel. Er führt mich vorbei am sogenannten Rizzi Haus, einer Mischung aus dem Stil von Hundertwasser und Fischer Art, das nach den Entwürfen des amerikanischen Kümstlers James Rizzi nach der Jahrtausendwende gebaut wurde. Das Gebäude ist mit Pop-Art Malereien gestaltet, wobei das häufigste Motiv fröhliche Gesichter sind. Von der Zeitschrift Hörzu wurde es nach einer Leserwahl zu einem der 100 schönsten Bauwerke Deutschlands gewählt.

Von hier geht es einige Meter weiter zu der sehr markanten St. Magnikirche. Sie muss eines der ältesten Bauwerke Braunschweigs sein, denn die Weiheurkunde aus dem Jahr 1031 gilt als erster urkundlicher Beleg der Existenz dessen, was heute die Stadt Braunschweig ist. Die Kirche wurde ab 1252 neu erbaut, allerdings sind Reste der ursprünglichen Kirche in den Fundamenten erhalten geblieben. Die Westseite besteht aus einem quaderförmigen sächsischen Westriegel und darüber zwei kurzen achteckigen Türmen. Zwischen 1873 und 1877 wurde das Gebäude restauriert und unter anderem wieder von dem schon bekannten Hofdedkorationsmaler Adolf Quensen im Stil des Historismus ausgemalt.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Kirche durch einen Bombenangriff sehr stark beschädigt. So standen nur noch der Turm und die Säulenarkaden des Langhauses. Zwischen 1956 und 1964 wurde der Bau in wesentlich veränderter, teilweise moderner Form wiederhergestellt. 1958 wurde am Giebel des Chores eine moderne Plastik mit dem Namen „Der Rufer“ von Bodo Kampmann angebracht, die auf den niedrigeren Teil des Langhauses schaut  und den apokalyptischen Engel symbolisiert, der auf der Trompete zum Jüngsten Gericht bläst. Markanteste Neuerung ist die moderne Nordwand, die aus einem Betongerippe und einer breiten Fensterfront mit moderner Buntverglasung besteht, die den Zug der Israeliten durch das Rote Meer darstellt. Natürlich wurde die Kombination von Altem und Moderne in einem Bauwerk heftig kritisiert. Man mag der Kirche daher auch ihre Anerkennung als ästhetisches Bauwerk verwehren. Dennoch scheint es damit in Braunschweig gelungen zu sein auch architektonisch ein Symbol für die Schrecken und die Absurdität von Kriegen zu errichten, das offensichtlich auch heute noch von der Kirchengemeinde am Leben gehalten wird. So findet man in der Kirche mehrere Ausstellungstücke gegen den Krieg und ein Video, das über die Gräuel des Lagers in Auschwitz- Birkenau berichtet.

Hier im Magniviertel am sogenannten Ackerhof befindet sich auch das älteste inschriftlich datierte Fachwerkhaus Deutschlands mit der angeblich – ich habe sie nicht finden können – eingravierten Jahreszahl 1432. Nun möchte ich mir abschließend noch die Burg Dankwarderode anschauen, die ja Heinrich der Löwe für sich als Stammsitz und Repräsentationsgebäude bauen ließ. Von außen erinnert Dankwarderode schon sehr an die Kaiserpfalz in Goslar und ich würde mal einschätzen, dass sie dem eitlen Heinrich als Vorbild diente. Innerlich hatte er sich wohl nie damit abgefunden, dass er bei der Kaiserwahl nach Konrads Tod dem Herzog von Schwaben, also Friedrich I. Barbarossa, das Feld überlassen musste. Er kompensierte dies durch eine anfängliche Nähe zum neuen Kaiser, durch dessen Versprechen, ihm und damit den Welfen das Herzogtum Bayern wieder zu übertragen und durch einen starken Hang sich als Baumeister und Kunstförderer hervorzutun.

Auf den Besuch der Burg verzichte ich dann doch, weil die Hauptsehenswürdigkeit der Burg, der Rittersaal, nicht öffentlich zugänglich ist. Auch dieser hat übrigens mit 42×15 Metern fast die gleichen Ausmaße wie der Sommersaal in der Kaiserpfalz in Goslar. Übrigens ist auch die Burg Dankwarderode wie die Kaiserpfalz eine Restaurierung des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Auch hier war die ursprüngliche Anlage außer dem Dom zunehmend verfallen, auch hier wurde ein Abriss diskutiert und auch hier übernahm ein Hohenzoller die Initiative im Geist des romantischen Historismus zu restaurieren. So wurde dieser Palas vom Stadtbaurat Ludwig Winter von 1887 bis 1906 auf Kosten des Regenten Prinz Albrecht im Sinne und im Stil des Historismus rekonstruiert. So hat auch die Burg Dankwarderode wohl nur noch wenig mit ihrem früheren Aussehen gemein. Im Übrigen erfolgte die Ausmalung des Rittersaals auch hier bwieder durch Adolf Quensen. Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Burg dann durch die Bombenangriffe auf Braunschweig erheblich Schäden. Insbesondere die Dachbalkenkonstruktion und die Ausmalung des Rittersaales wurden dabei fast vollständig zerstört. Nach dem Krieg wurden die Schäden zunächst provisorisch beseitigt, der Rittersaal wurde erst in den 1990er Jahren aufwendig restauriert, was dadurch erleichtert wurde, dass die ursprünglichen Vorlagen Quensens noch vorhanden waren.

Damit endet nun meine Tour durch den östlichen Teil Niedersachsens mit seinen zum Teil sehr beeindruckenden Bauwerken der Romanik. Die Zugfahrt zurück nach Leipzig verläuft völlig problemlos, was ja auch mal erfreulich ist. Nun stelle ich die weitere Tour auf der Nordroute der Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt erst einmal bis zum Sommer oder Herbst zurück, weil, wahrscheinlich ab 9.  April, meine diesjährige Haupttour bis ans Ende der Welt folgt.

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