Auch dieser Tag verspricht schöner zu werden als angekündigt. Das Fahrrad hat heute Pause und ich mache mich zu Fuß auf den Weg die Romanik in Halberstadt zu erkunden. Zunächst liegt leichter Nebel über der Stadt, der sich aber im Laufe des Tages immer weiter auflöst und der Sonne die Möglichkeit lässt, durch dünne Schleierwolken hindurch der Stadt ein herbstlich goldenen Glanz zu verleihen. Halberstadt hat sich in den letzten beiden Jahren prächtig entwickelt. So weiche ich immer wieder von der Romanik ab und betrachte auch anderes in der Stadt. Besonders hat mich das wieder restaurierte ehemalige jüdische Viertel beeindruckt. Obwohl es kein aktives jüdisches Leben und auch keine jüdische Gemeinde in Halberstadt mehr gibt, wird hier in an mehreren Stellen der 400 deportierten und ermordeten Halberstädter Juden gedacht. Vielleicht wäre es auch einmal ein Gedanke, eine jüdische Route durch Mitteldeutschland zu entwickeln, um die Erinnerung wach zu halten und der Verantwortung Rechnung zu tragen.

Heute ist im Übrigen ein besonderer Tag. Der 9. November scheint ja für die Deutschen ein Schicksalstag im Positiven wie im Negativen zu sein. Heute jährt sich zu 100. Mal der Tag, an dem die Republik in Deutschland ausgerufen wurde. Zwei weitere höchst unterschiedliche Ereignisse sind auch noch mit dem 9. November verbunden. Zum einen steht der 9. November für die Novemberpogrome der Nazis gegen die Juden und zum anderen steht der 9. November natürlich auch für den Mauerfall und die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze. Ersteres führt in eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte, die hier in Halberstadt durch den Denk Ort der von den Nationalsozialisten geschändeten und später zerstörten barocken Synagoge in Erinnerung gehalten wird. Letzteres hat das Leben vieler Menschen nicht immer einfach aber zumeist doch positiv verändert. Meines übrigens auch.

Dem 9. November 1918 und dem 9. November 1938 gedenkt man übrigens auch hier in Halberstadt.

Als heutiger Wahlleipziger möchte ich aber auch auf einen spezifischen 9. November für diese Stadt hinweisen. In der Nacht vom 9. auf den 10. November entfernen die Nationalsozialisten das Denkmal des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy vor dem damaligen Leipziger Gewandhaus. Der Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler, der sich zu diesem Zeitpunkt auf einer Auslandsreise befindet, erklärt daraufhin unter Protest seinen Rücktritt. Dieser Schritt führt den deutsch-nationalen Politiker schließlich in den Widerstand. Er gehörte zu den führenden zivilen Köpfen der Widerstandsbewegung und sollte nach einem geglückten Attentat am 20. Juli 1944 das Amt des Reichskanzlers übernehmen. Nachdem das Attentat gescheitert war, wurde auch Goerdeler verhaftet und nach einem Schauprozess vor dem Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und im Februar 1944 in Berlin Plötzensee hingerichtet.

Nun aber zurück zur Straße der Romanik.

Liebfrauenkirche

Auch wenn es den Dom zu Halberstadt gibt, empfiehlt es sich, zunächst mit der Liebfrauenkirche zu beginnen. Sie ist auf jeden Fall noch heute erkennbar unzweifelhaft ein romanischer Bau.

Die Basilika mit vier Türmen entstand um 1005 in Halberstadt. Bischof Arnulf, von dem die Kirchengründung ausging, plante in den heiligen Hallen ein Chorherrenstift, was er in die Tat umsetzte. Bereits im fünfzehnten Jahrhundert erlangte das Kollegiatstift einen bedeutenden Ruf und war in Halberstadt und über die Grenzen hinaus bekannt.

Nach dem Tod Bischof Arnulfs im Jahr 1023, übernahm Bischof Rudolf die Hauptverantwortung bezüglich der Kirche und ordnete weitere bauliche Maßnahmen an. Unterdessen, begrub der neue Bischof seinen verstorbenen Vorgänger in der Krypta der Kirche, wie dieser es sich einst wünschte. Hinsichtlich der neuen Baumaßnahmen, kam es zur Erbauung des Langhauses und der östlichen Türme, die Bischof Rudolf bis zu seinem Tod um 1149 leitete.

Es folgten weitere Änderungen an der Kirche, wie der Ausbau der südwestlichen Kapelle, welche nach ihrer Fertigstellung für Taufen diente.

1179 kam es zur teilweisen Zerstörung der Kirche, die Heinrich der Löwe mit seinen Angriffen zu verantworten hatte. Die Kirche erhielt daraufhin einen erneuten Aufbau, der auch die zwei quadratischen Türme betraf.

Die Innenausstattung der Kirche ist, der romanischen Zeit entsprechend schlicht gehalten. Aufgrund der vielen Umbauten, weist sie dennoch verschiedene Stilelemente auf. 2003 endeten wiederholte Restaurierungsarbeiten, die beispielsweise Langzeitschäden aus dem Zweiten Weltkrieg ausglichen.

 

Dom St. Stephanus und Domschatz

Wie schon beim Magdeburger Dom stellt sich auch beim Halberstädter Dom die Frage auf, was eine hochgotische Kathedrale in der Straße der Romanik verloren hat. Diejenigen, die seinerzeit über die Straße der Romanik entschieden, führen wohl drei Aspekte an, die den Dom auch aus romanischer Sicht interessant werden lassen: der Vorgänger des gotischen Bauwerks, die Baugeschichte und nicht zuletzt der weltberühmte Domschatz. Die Vorgeschichte des Doms beginnt bereits um das Jahr 800 mit einer karolingischen Missionskirche. Ihre Erweiterung zum ersten Dom verbirgt sich hinter einem 859 geweihten Gotteshaus. Allerdings stürzte dieses etwa 100 Jahre später, nämlich 965, teilweise ein. 992 erfolgte dann die Weihe des wieder errichteten ottonischen Doms. Ab 1239 dieser allmählich dem prächtigen gotischen Bau weichen.

Der Dom in Halberstadt dominiert seit über 1200 Jahren das Stadtbild von Halberstadt und präsentiert sich seit fast 800 Jahren in gotischer Gestalt. Dies gründet auf der Geschichte dieses andächtigen Gebäudes, dessen Errichtung schrittweise zwischen 1236 und 1491 geschah.

Schuld für diese intensive Bauphase war der Konkurrenzkampf des Bistums Halberstadt mit dem Erzbistum Magdeburg. Letzteres beschloss im dreizehnten Jahrhundert den Bau eines neuen Doms nach gotischen Vorbild, was das Bistum Halberstadt dazu veranlasste ebenfalls einen neuen Dom zu errichten. Problem war jedoch, dass Halberstadt bereits einen neuen Dom erbaut hatte, welcher dem vorromanischen Stil folgte und 992 fertig erbaut war.

Für den zweiten, gotischen Dom waren demzufolge kaum finanzielle Mittel verfügbar, weshalb sich der Bau um Jahre hinauszögerte. Die Knappheit der Finanzen war vor allem der steten Neuplanung des neuen Doms geschuldet, da Verantwortliche diesen immer größer und breiter dachten, als ursprünglich vorgesehen.

Dem Zweiten Weltkrieg konnte der massive Bau mit seinem 27 Meter hohen Mittelschiff jedoch nicht trotzen und erlitt folglich schwere Schäden. Nach Ende des Krieges begann vorerst die DDR mit der Restauration des zerstörten Doms, was sich als Sisyphusarbeit herausstellte. Erst 2010 endeten die letzten Arbeiten an dem Dom.

Besonderheiten, die sich heute noch in dem Dom finden lassen sind unter anderem die romanischen Fenstermalereien aus Glas und der Domschatz. Dieser bewahrt rund 650 mittelalterliche Werke in diversen Formen und Stilen auf. Darunter befinden sich beispielsweise Plastiken aus Bronze, liturgische Gewänder oder die romanischen Bildteppiche, die weltweiten Ruhm genießen.

Da im Domschatz fotografieren verboten war, könnten diese Links von Interesse sein:

 

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