39.-41. Tag: 17.-19. Mai 2019 – Saint-Jean-Pied-de-Port

Waren die ersten drei Tage hier in Saint-Jean-Pied-de-Port sehr sonig, warm und schön, gibt es nun seit Donnerstagabend praktisch Dauerregen und die Temperaturen sind auf 10 bis 11 Grad gesunken. Hätte ich nicht so ein angenehmes Apartment, hätte ich wahrscheinlich die Krise bekommen. Gestern hörte der Regen einige Stunden auf und ich konnte zumindest mal einen längeren Spaziergang machen. Aber schon auf dem Rückweg fing es wieder an zu regnen. Mehrmals bin ich in den letzten Tagen schon nass geworden, wenn ich mich nur zum Einkaufen in die Stadt oder gar nur zum nahegelegenen Lidl begeben habe. Man hat den Eindruck bei gewissen Wetterlagen werden die Regenwolken vom Atlantik kommend hier in der Südostecke des Golfes von Biskaya zusammengedrängt und verharren hier bis sie sich abgeregnet hat. Das dauert meistens länger als die Prognosen voraussagen. Ab morgen soll es aber wieder schöner werden, – wenn die Prognosen stimmen. Ich richte mich schon einmal seelisch darauf ein, den Ibanetapass bei Regen hochzufahren.

Mit Aktivitäten war es daher in den letzten Tagen nicht weit her. Ich habe hier im Apartment gesessen und gelesen. Durch meinen e-Reader habe ich ja genügend Bücher bei mir. Außerdem sind da noch zwei kleine Reclambücher mit dem Pilgerführer aus dem 12. Jahrhundert und dem Kunst- und Kulturführer zum spanischen Jakobsweg. Der Pilgerführer stammt eventuell zumindest teilweise aus der Feder des Papstes Calixit II., dessen Pontifikat von 1119 bis 1124 dauerte und der davor seit 1088 bereits Erzbischof im südlich von Lyon an der Rhone gelegenen Vienne war. Der Pilgerführer beschäftigt sich mit den Orten am Jakobsweg, mit den Straßenverhältnissen, mit den Gefahren, mit den Problemen der Pilger wie sie von Händlern und Fährleuten übers Ohr gehauen werden und würdigt die Namen vieler Baumeister, die sich im 11. und 12. Jahrhundert durch den Bau von Brücken, Straßen, Herbergen und Kirchen um den Ausbau des Jakobsweges verdient gemacht haben.

Sehr interessant ist das Kapitel über „Gute und schlechte Flüsse am Jakobsweg“, in dem der Autor darüber berichtet, bei welchen Flüssen man das Wasser meiden sollte, weil nach dessen Genuss sowohl Mensch als auch Pferde erkranken oder gar sterben. Für die Pilger ist aber auch wichtig, dass er die Flüsse nennt, bei denen sowohl Pferd und Mensch das Wasser unbedenklich genießen können. Ich lese dieses Kapitel mit besonderem Interesse, weil ich gerade auf eine Artikel stieß, der über die zunehmende Versalzung spanischer Flüsse berichtete und dies natürlich auf moderne dramatische Umweltschäden zurückführte. Offensichtlich ist das Problem in Spanien aber doch schon älter und vielleicht dann doch noch ein anderes als nur die heutigen Umwelteinflüsse. Interessant auch das Kapitel „Namen und Landschaften am Jakobsweg und Eigenschaften ihrer Bewohner“. Hier könnte man die Autorenschaft gewisser Rechtspopulisten vermuten. Denn andere Volksstämme als die Franzosen werden doch sehr drastisch als unkultiviert und untergeordnet dargestellt.

Ganz besonders schlecht kommen die Basken und Navarresen weg. Vor ihrer Christianisierung soll es verbreitet gewesen sein, die Pilger auszuplündern und „sogar auf diesen wie auf Eseln zu reiten und sie zu töten“. Aber auch nach ihrer Christianisierung blieben sie suspekt. „Sie sind schlecht gekleidet und sie essen und trinken schlecht. Im Haus eines Navarresen pflegen alle Hausbewohner, Knecht wie Herr und Magd wie Herrin, zusammen die in einem Topf vermischten Speisen zu verschlingen, nicht mit Löffeln, sondern mit den Händen. Ebenso trinken alle aus einem Becher. Wenn man sie essen sieht, glaubt man fressende Hunde oder Schweine vor sich zu haben. Wenn man sie reden hört, erinnert das an Hundegebell. … Es ist ein barbarisches Volk, das sich von allen Völkern in Wesen und Gebräuchen unterscheidet, voller Bosheit, von schwarzer Farbe, unansehnlich, verrucht, schurkisch, falsch, treulos und korrupt, wollüstig, trunksüchtig, erfahren in Gewalttätigkeiten, unerschrocken und wild, unehrlich und verlogen, kurzum: zu jeglichem Guten unfähig, aber Lastern und der Sündhaftigkeit aufgeschlossen. Es ist den Geten und Sarazenen an Bosheit ebenbürtig, unserem französischen Volk in jeder Beziehung feindlich“. Soweit die Beschreibung im Pilgerführer aus dem 12. Jahrhundert. Obwohl ich bereits im Baskenland bin, kann ich diese Erfahrungen nun wahrlich nicht bestätigen. Mal sehen, was mich morgen in Navarra erwartet, dass ich am Ibunetapass erreichen werde.

Den Abend traue ich mich doch noch einmal hinaus in den Ort und ich gönne mir ein gutes Abendessen. Natürlich gehe ich auch noch einmal zum Fluss, der weiter angeschwollen ist, was aber offensichtlich die Anwohner nicht in Aufregung versetzt. Nun hoffe ich nur, dass der Regen morgen langsam aufhört und wieder eine schönere Wetterphase beginnt.

Ein Kommentar

  • Regina Sakowitz sagt:

    Lieber Wolfgang,

    danke für Deine sehr interessanten Reisebeschreibungen. Es ist immer wieder spannend zu lesen. Nun wünsche ich Dir aber besseres Wetter und viel Sonnenschein für die Weiterfahrt. Ich habe totalen Respekt vor dieser Leistung.
    Herzliche Grüße aus der Heimat und überhaupt alles Gute.

    Regina Sakowitz

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