3. Tag: 23. März 2017 Eichicht-Bad Lobenstein

Als ich heute Morgen aus dem Fenster blicke sieht es wahrlich nicht nach dem vorausgesagten besseren Wetter aus. Es regnet und ist nass und die Wolken hängen sehr tief. Geschlafen habe ich gut, doch wachte ich ziemlich gerädert auf. Die Anstrengungen von gestern saßen mir noch in den Knochen. Das setzte Ängste und Befürchtungen frei. Als notorischer Hypochonder sah ich natürlich schon eine Herzattacke oder Ähnliches auf mich zukommen. Mir war auch klar, dass es so wie gestern nicht weitergehen kann. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass das Gebirge hier doch einige Anforderungen stellt. Den Saale-Radweg mit 30 kg Gepäck haben wohl auch noch nicht viele aufwärts gemacht. Für heute hatte ich ein Strecke von gut 70 km eingeplant, die ich aber beim Blick auf die Karte wahrscheinlich nicht bis 18 Uhr geschafft hätte. Allerdings stehe ich insofern etwa unter Zeitdruck, dass ich am 14. April in Radolfzell am Bodensee mit Heidrun verabredet bin. Wir wollen uns über Ostern ein Wellness-Wochenende gönnen.

Der bikline weist für heute eine Alternative zu dem Saale-Radweg aus, die etwa 20 km kürzer ist. Da nach meinem Motto der Weg ja nur ein Ziel ist, entscheide ich mich für die Alternative. Auch sie wird es allerdings in sich haben. Nachdem ich ein ausgiebiges Frühstück genossen habe – ich kann die Grüne Eiche nur weiterempfehlen, aber wer kommt schon nach Eichicht -, verpacke ich meine Sachen, wuchte sie auf mein Fahrrad und begleiche meine Rechnung. Der Saale-Radweg führt direkt am Gasthaus vorbei. Mit etwas schummrigen Gefühlen besteige ich mein Fahrrad und radle recht vorsichtig los. Zunächst geht es einige Kilometer auf ebener Straße entlang. Aber nach vier bis fünf Kilometern kommt die erste Steigung von der Talsperre Eichicht zur Hohenwarte Talsperre. Sehr schnell merke ich, dass ich diese im Sattel nicht bewältigen werde. Also steige ich ab und schiebe. Natürlich mache ich mir Gedanken wie das heute weitergehen soll, denn es liegen noch einige im bikline markant markierte Steigungen vor mir.

Ich stellte dann schnell fest, dass ich bis 3 Prozent Steigungen gut pedalen kann. Bei 4 Prozent und mehr sollte ich absteigen und schieben. Der Energieaufwand ist dann überproportional gegenüber dem Schieben. Daran halte ich mich auch den ganzen Tag und bin rückblickend damit gut gefahren, na ja, und gelaufen. Bei Neidenberga kommt dann die erste Steigung, die man absehbar nicht mehr fahren kann. Ich schiebe also. Erfreulicherweise ist auf der Straße wenig Verkehr. Das ist im Sommer sicher anders. Es ist eine Strecke von zwei bis drei Kilometern, die ich von etwa 360 Höhenmeter auf 570 Höhenmeter schieben muss. In Drognitz habe ich es dann geschafft und freue mich darüber. Hier beginnt dann auch die ausgewiesene Alternativstrecke und natürlich freut man sich auch erst einmal, wenn man wieder bergab fährt. Aber so denn doch nicht! Auf den nächsten 3 Kilometern und in weniger als 10 Minuten verliere ich alles, was ich mir vorher in etwa einer Stunde erarbeitet hatte und stehe bei 370 Höhenmeter wieder vor der nächsten Steigung. Ich will es kurz machen. So ging es den ganzen Tag!

Das Gebiet durch das heute fahre ist geprägt durch fünf Talsperren, die der Saale hier abgerungen wurden und die auch als Saalekaskade bezeichnet wird. Sie wurden in den 1930er und 1940er Jahren gebaut, um die Schifffahrt auf der Elbe durch Zuschusswasser auch bei geringem Wasserstand zu ermöglichen. Man fragt sich schon, ob dies den gewaltigen baulichen Aufwand und die Eingriffe in die Natur tatsächlich gelohnt und gerechtfertigt hat. Heute dienen die Talsperren hauptsächlich der Energiegewinnung mit vier Pumpspeicherkraftwerken und natürlich Vattenfall. Inzwischen dienen sie aber auch dem Hochwasserschutz und der Naherholung. Die Saalekaskade ist etwa 80 km lang und weist den nicht ganz unerheblichen Höhenunterschied von 170 Metern auf. Leider bekomme ich durch die Alternativroute wenig von der Saalekaskade mit. Lediglich die Eichicht Talsperre und die Hohenwarte Talsperre fahre ich entlang. Letztere ist die viertgrößte Talsperre in Deutschland und lässt durchaus ihren inzwischen auch landschaftlichen Reiz an diesem trüben Vormittag erkennen. Die etwas oberhalb gelegene Bleilochtalsperre ist sogar die größte in Deutschland. Die Größen machen deutlich, was das seinerzeit für eine Bedeutung gehabt haben muss.

Eigentlich war dann mein heutiges Ziel Saaldorf an der Bleilochtalsperre. Leider bekam ich dort kein Quartier mehr, was mich etwas verwunderte. Aber offensichtlich steigen gerade dort die vielen Arbeiter und Waldarbeiter ab, die zurzeit hier tätig sind, um die Landschaft für die kommende Touristensaison aufzuhübschen. So lande ich schließlich im Gasthof&Pension „Zum Alten Forsthaus“ unweit von Bad Lobenstein. Ich erreiche das Quartier schon um 16.30 Uhr. Obwohl ich nur etwa 4 ½ Stunden Fahrtzeit habe, haben die vielen Stopps und Pausen dazu geführt, dass ich insgesamt 6 ½ Stunden unterwegs war. Aber immerhin habe ich mich ja an das Vorhaben, bis 18 Uhr ein Quartier zu beziehen, gehalten Und seltsamerweise habe ich es doch geschafft, einen Tag von den drei Tagen die ich verspätet losgefahren bin wieder einzufahren!  Der Gasthof ist etwas urig aber durchaus ansprechend. Das Essen ist auch ordentlich. Also, was will man nach solch einem Tag mehr.

ÜPbrigens noch ein Wort zu dieser Webseite. Ich freue mich unheimlich darüber, dass offensichtlich einige meine Reiseberichte mit Interesse lesen. Ich freue mich insbesondere auch über wohlwollende und aufmunternde Kommentare oder Eintragungen in das Gästebuch. ich bitte nur um Verständnis, dass ich darauf nicht unmittelbar antworte. Solltet Ihr Fragen haben, so werde ich versuchen sie in meinen täglichen Berichten zu beantworten.

 

Tagesdaten: 40,56 km/4:37:37 Std. Fz/8,76 km/h/754 Hm up/517 HM down

 

4 Kommentare

  • Regina Sakowitz sagt:

    Kommentar zum Bild – ohne Worte:

    Zitat: „Fahrräder mögen sich ändern, aber Radfahren ist zeitlos.“ (Zapata Espinoza, US-amerikanischer Journalist)

    In diesem Sinne – eine erholsame Nacht und als Zugabe noch ein Zitat von einem meiner vielen Lieblingsschriftsteller:
    „Beim Radfahren lernt man ein Land am besten kennen, weil man dessen Hügel empor schwitzt und sie dann wieder hinuntersaust.“ (Ernest Hemingway, US-amerikanischen Schriftsteller, 1899 – 1961)

    Danke für den Tagesbericht und für morgen eine entspannte Tour.

    Regina

  • Lars Baade sagt:

    Erst noch einmal: Respekt!
    Ich wäre jetzt schon wieder Zuhause 😉
    Es ist super interessant zu lesen und ich freue mich auf jeden Bericht und die Fotos.

    Fragen hab ich:
    Bei den absehbaren Steigerungen und dem Gewicht, wäre da nicht ein E-Bike (nur als Unterstützung für die Berge) sinnvoll?
    Was macht man mit den nassen Klamotten, gibt es die Möglichkeit die bis zum nächsten Start zu trocknen?

    Weiterhin viel Erfolg und ab jetzt aber wirklich mal besseres Wetter!

    • Wolfgang Kohl sagt:

      Hallo Herr Baade, das mit dem E-bike kam mir natürlich auch schon in den Sinn und im Saaletal besonders. Aber ich habe beschlossen, nach Möglichkeit erst mit 75 auf E-bike umzusteigen! Bei den Funktionsklamotten, die ich trage ist das Trocknen in der Regel kein Problem. Sie sind am nächsten Morgen in der Regel wieder trocken. Zur Not hilft die Heizung. Herzliche Grüße Ihr Wolfgang Kohl

  • Annett Gräser sagt:

    Ja, Thüringen ist schon ein schönes Fleckchen Erde, eben auch, weil es kein flaches Land ist. Was dem Radreisenden nicht immer entgegen kommt. ? Sie werden uns sicher noch viele schöne Orte auf Ihrer Reise näher bringen und von vielen ähnlichen Herausforderungen berichten. Ab jetzt soll es ja sonniger weiter gehen. Wir wünschen Ihnen, dass das lange so bleibt. Und zwischendurch mal eine kurze Tour tut ja auch gut. Wichtig ist ein gesunder Zwischenstopp am Bodensee. ?

    Viel Spaß auf der ersten Sonnentour mit hoffentlich wenig Gegenwind wünschen Annett Gräser und Wolfram Fischer

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