29. Tag (6. Oktober 2021): Von Kwidzyn nach Malbork (Marienburg)

Nach einem ordentlichen Frühstück gehe ich noch einmal in den nahegelegenen Supermarkt Zabka, um mich für den heutigen Tag mit Wasser und etwas zum essen einzudecken. Der Himmel hat sich bewölkt und es ist leider auch Regen angekündigt. Vom Supermarkt gehe ich noch einmal kurz zum Kulturzentrum und werfe einen letzten Blick auf die Ordensburg und die Domkirche. Danach kehre ich zurück zum Hotel, befestige mein Gepäck wie gewohnt am Fahrrad und radle los. Nach Malbork sind es rund 50 Kilometer und die Strecke ist weiter flach und ohne Steigungen. Auch auf dieser Strecke gibt es, außer einigen pittoresken Häusern, nicht allzu viel zu sehen. So radle ich vor mich hin und bin bereits am frühen Nachmittag in Malbork.

Malbork ist uns in Deutschland als Marienburg an der Nogat bekannt. Die Nogat ist übrigens kein Nebenfluss der Weichsel, sondern ein Arm der Weichsel, der nicht wie der Hauptarm in die Danziger Bucht, sondern bei Elblag in das Frische Haff fließt. Die Nogat gehört also zum Weichseldelta. Obwohl ich zu früh bin, kann ich in dem Hotel Edmar sofort einchecken. Das Hotel liegt direkt gegenüber der Marienburg auf der anderen Seite der Nogat. Man hat von hier sicher einen der schönsten Blicke auf das majestätische Bauwerk. Nachdem ich mich eingerichtet habe, mache ich mich zu Fuß auf den Weg zu einem Besuch an der Burg und einem Stadtrundgang. Leider hat es kurz nach meiner Ankunft begonnen zu regnen.

1274, vierzig Jahre nach Beginn der Eroberung des Prußenlandes, begann der Ordenslandmeister Konrad von Tierberg d. Ä. am rechten Ufer der Nogat mit dem Bau der Marienburg. Südwestlich der Burg wurde 1276 die gleichnamige Stadt samt Kirche errichtet und mit einer Handfeste ausgestattet. Der Nordflügel des Hochschlosses mit Kirche und Kapitelsaal wurde bis 1280 vollendet. Die Vorburg war ab 1309 in Ansätzen vorhanden. Der Hochmeisterpalast wurde von 1305 bis 1393 erbaut. Seit dieser Zeit waren die Geschicke von Stadt und Burg nicht mehr zu trennen. Im Zusammenhang mit dem Erwerb Danzigs und Pommerellens verlegte 1309 der Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen den Sitz des Ordens von Venedig nach Marienburg. Der Hochmeister Winrich von Kniprode veranlasste im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts die Anlage der Neustadt und gründete eine Lateinschule. 1380 wurde das gotische Rathaus fertiggestellt, und um diese Zeit entstanden die gotischen Stadttore und die Stadtmauer. Nach der verlorenen Schlacht bei Tannenberg im Jahre 1410 ließ der Hochmeister Heinrich von Plauen die Stadt bis auf Kirche und Rathaus niederbrennen, zog sich mit den Einwohnern in die Burg zurück und wehrte die Belagerung der Marienburg ab. Von 1411 bis 1448 entstanden weitere Umfassungsbauwerke, die Plauen-Bollwerke.

Der Orden hatte 1454 die Marienburg mit anderen Ordensschlössern der Gesamtheit der Ordenssöldner zur Sicherheit für ausstehende Soldzahlungen verpfändet. Eine Söldnerschar unter einem böhmischen Ritter brachte 1457 die Marienburg in ihre Gewalt und verkaufte sie umgehend an den König von Polen Kasimir IV. Andreas, genannt der Jagiellone, der am 7. Juni einzog und von ihr Besitz ergriff. Dem Hochmeister war erst am Vortag die Flucht gelungen. Er verlegte anschließend seinen Sitz nach Königsberg. Die Stadt Marienburg hatte im Preußischen Städtekrieg zwischen dem Orden und dem Preußischen Bund auf der Seite des Ordens gestanden und wurde am 27. September von ordenstreuen Söldnern zurückerobert. Sie hielt sich unter dem Bürgermeister Bartholomäus Blume drei Jahre gegen eine Belagerung durch polnische Truppen und preußische Bündler bis zum 6. August 1460, erlitt aber schwere Zerstörungen. Nach der Eroberung der Stadt wurde Blume gehenkt und gevierteilt.

Im Zweiten Frieden von Thorn kamen Stadt und Burg 1466 vom Ordensstaat an den autonomen Ständestaat Preußens Königlichen Anteils, der sich freiwillig der Oberhoheit der polnischen Krone unterstellt hatte. Es wurde eine Woiwodschaft Marienburg eingerichtet, zu der auch Elbing, Stuhm und Christburg gehörten. Die im Städtekrieg zerstörte Kirche wurde zwischen 1468 und 1523 wieder aufgebaut. Die westpreußischen Städte erhielten sich jedoch viele Privilegien. Während der beiden Schwedenkriege 1626–1629 und 1656–1660 war die Stadt andauernd von schwedischen Truppen besetzt und zur Festung ausgebaut.

Im Rahmen der ersten polnischen Teilung kam Marienburg 1772 zum Staat Preußen, lag ab 1773 in der neugeschaffenen Provinz Westpreußen und wurde zum Verwaltungssitz des gleichnamigen Kreises. Ab der preußischen Verwaltungsreform von 1815 lag Marienburg bis 1919 im Regierungsbezirk Danzig der Provinz Westpreußen. Die ersten Restaurierungen der inzwischen zerfallenen Burg dienten der Nutzung der Burg als Kaserne und der Wiederherstellung der Bausubstanz. Nach Hinweisen prominenter Historiker auf ihren Wert wurde die Burg ab 1817 restauriert und war unter Kaiser Wilhelm II. Schauplatz historisierender Veranstaltungen, welche die Ordensritterzeit verherrlichten.

Nach dem Ersten Weltkrieg stimmte die Bevölkerung im Abstimmungsgebiet Marienwerder über die weitere Zugehörigkeit zu Deutschland oder den Anschluss an Polen ab. Der Landkreis Marienburg stimmte mit 98,9 Prozent für den Verbleib bei Deutschland, in der Stadt Marienburg stimmten 9641 Einwohner für den Verbleib bei Ostpreußen, auf Polen entfielen 165 Stimmen. Das Gebiet wurde daraufhin bei der Aufteilung der deutschen Provinz Westpreußen und der Bildung des polnischen Korridors als Regierungsbezirk Westpreußen dem deutsch gebliebenen Ostpreußen angegliedert. Die Nogat bildete von 1920 bis 1939 die Grenze zwischen Deutschland und der Freien Stadt Danzig. Der westlich der Nogat gelegene Marienburger Stadtteil Kalthof , also dort, wo ich heute untergekommen bin, gehörte in diesen Jahren zur Freien Stadt Danzig.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs eroberte im Zuge ihrer Ostpreußischen Operation die Rote Armee am 25. Januar 1945 das Marienburger Umland. Die Kämpfe um Burg und Stadt dauerten bis zum 9. März 1945, dabei wurde die Altstadt zu 80 % zerstört, und auch die Burg wurde schwer beschädigt. Der größte Teil der über 27.000 Einwohner war bereits zuvor geflüchtet. Es verblieben die Ruinen der auf der Landseite zerstörten Burg, das gotische Rathaus, die gotische Stadtkirche, die beiden Stadttore (Töpfertor und Marientor) und die Stadtmauer. Die Rote Armee unterstellte die Stadt der Verwaltung der Volksrepublik Polen. Diese benannte Marienburg in Malbork um, vertrieb die verbliebenen deutschen Einwohner und besiedelte es mit Polen.
Die Burganlage wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut und saniert. Die Rekonstruktion erfolgte weitgehend im Stil der Erbauungszeit. Das aus dem Mittelalter erhaltene Dach des großen Remters brannte 1959 ab. 1997 hat die UNESCO die Burganlage zum Welterbe erklärt. Die Altstadt wurde unter Aufgabe des historischen Grundrisses neu aufgebaut, so dass unter anderem die malerischen Laubengänge der Patrizierhäuser am Markt („Hohen“ und „Niederen“ Lauben) verloren gingen und das historische Rathaus inmitten der neuen zwei- und dreigeschossigen offenen Wohnbebauung deplatziert wirkt. Die Zahl der Einwohner wuchs von 22.500 (1955) kontinuierlich auf über 38.000.

Soviel zur Geschichte der Stadt und der Marienburg. Mein Rundgang entwickelt sich leider sehr ungemütlich, weil der Regen zunehmend stärker wird. So belasse ich es bei dem Rundgang und kehre nach etwa anderthalb Stunden wieder in meine Unterkunft zurück. Das Wetter hindert mich auch daran, abends noch einmal das Haus zu verlassen und so nehme ich auch mein Abendessen im Restaurant des Hotels ein.

Tagesstrecke: 48,60 Km

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