Ich wachte nicht gerade zuversichtlich auf. Die Erfahrung, dass ich den Bus am Freitag nicht zu sehen bekommen hatte, die Unmöglichkeit von jemandem am Busbahnhof beraten zu werden oder eine Auskunft zu erhalten, also insgesamt eine Ungewissheit, ließ mich skeptisch in den Tag blicken. Ich verspürte auch wenig Lust noch einmal eine Tour zu unternehmen, obwohl einige Klöster in der Umgebung von Tulcea durchaus reizvoll gewesen wären. Ich ließ mich daher nach dem Frühstück durch die Stadt treiben. Auch in Rumänien ist der 1. Mai ein Feiertag, dennoch haben vor allem die Lebensmittelgeschäfte geöffnet. Ich schlenderte durch mir bisher unbekannte Teile der Stadt und gelangte schließlich zum Lacul Ciuperca, einem Stadtsee in Tulcea, der so eine Art städtisches Naherholungsgebiet ist, mit einem Radweg drum herum, zahlreichen Sport- und Freizeitanlagen sowie Restaurants und Cafés. Und es wird, wie so oft in Rumänien, aber auch in den anderen Ländern, durch die ich gefahren bin, geangelt. So saßen auch am Ufer des Lacul Ciuperca an diesem Vormittag hunderte Angler und hofften auf den großen Fang.
Nach dem ich den See etwa 3 Kilometer umrundet hatte, kam ich zum Bahnhof von Tulcea, einem postmodernen Gebäude, dass mir bisher noch gar nicht aufgefallen war. Davor an prominenter Stelle noch einmal ein Denkmal für Mircea cel Bartran, den wohl bedeutendsten Fürsten der Walachei. Den Nachmittag ließ ich dann wieder im Restaurant Central ausklingen. Gegen 15 Uhr ging es dann zurück in die Pension. Ich verstaute mein Gepäck auf dem Fahrrad, verabschiedete mich von meinen Vermietern und fuhr zum Busbahnhof, weil ich hoffte, doch noch etwas über die Ankunft meines Busses herauszubekommen. Dies erwies sich aber als zu optimistisch. Als ich bei der Information meine Fahrkarte zeigte, zuckte die Dame nur mit den Schultern und auch meine Frage, wo der Bus denn ankomme, verstand sie offensichtlich nicht. Auch die Fernbus-Agentur war heute mit der gleichen Dame besetzt, die mir schon am Freitag keine Auskunft geben konnte und schloss im Übrigen um 17 Uhr. Gegen 18:15 Uhr war noch immer kein Bus zu sehen, der in Richtung Deutschland fahren könnte. Allerdings sah ich die Tür der Agentur offenstehen und schaute hinein und sah einen Mann, der offensichtlich hier noch etwas zu erledigen hatte. Mit ihm konnte ich mich auf Englisch verständigen. Er wusste allerdings nichts von einem Bus von Touring/Eurolines, der um 18:30 Uhr fahren sollte. Er telefonierte dann aber freundlicherweise und teilte mir mit, dass der Bus nach Deutschland um 20:30 Uhr käme. Das war für mich zwar unverständlich, aber ich hatte zumindest eine Perspektive.
So wartete ich weiter und konnte mal das Treiben auf dem Busbahnhof beobachten. Busse scheinen in Rumänien ein wichtiges Transportmittel des Personenverkehrs zu sein. So herrschte hier am Busbahnhof den ganzen Tag ein viel regeres Treiben als auf dem Bahnhof, der eigentlich meistens menschenleer war. Bis 20 Uhr trafen in wenigen Minuten Abstand Busse ein oder verließen den Busbahnhof. Kurz nach 20 Uhr traf dann auch ein Kleinbus von Eurolines mit Gepäckanhänger ein, der allerdings vorne ein Schild „Flixbus Romania – Germania“ in der Frontscheibe hatte. Offensichtlich arbeiten beide Busgesellschaften in solch abgelegenen Gegenden schon zusammen, so machte ich mir keine weiteren Gedanken. Der Fahrer des Busses stieg dann aus und außer mir schien es keinen weiteren Fahrgast zu geben. Allerdings machte er ein skeptisches und irritiertes Gesicht als er mich sah, was ich auf mein Fahrrad und Gepäck zurückführte. Leider sprach er außer rumänisch aber auch keine andere Sprache, so dass die Verständigung auch nur mit Händen und Füßen ging. Er wollte mein Ticket sehen und als ich es ihm zeigte, wies ich ihn gleich darauf hin, dass bei Touring/Eurolines 60 kg Gepäck zugelassen seien und ich ja nicht mehr hätte. Er schüttelte den Kopf und ich dachte schon er glaube mir nicht und wollte schon ungehalten werden. Bis er mir mit Hilfe des Bahnhofswartes, der schon vorher mein Fahrrad bewundert hatte, unter Hinweis auf meine Abfahrtzeit 18:30 Uhr und unter Hinweis auf Eurolines/Touring klarmachte, dass sein Problem meine Abfahrtzeit und die Tatsache sei, dass er doch für flixbus führe. So macht er mir dann klar, dass ich gar nicht auf seiner Liste stünde und er mich daher auch nicht mitnehmen könne. Bei mir machte sich langsam Frustration breit. Er führte dann noch einige Telefonate und lange Rede kurzer Sinn war: Er könne mich nicht mitnehmen, weil ich bei flixbus nicht gemeldet sei. So setzte er sich wieder in seinen Kleinbus, ließ mich etwas entgeistert zurück und fuhr davon.
Nun stand ich da auf dem inzwischen leeren Busbahnhof von Tulcea und überlegte, was ich tun könne, während der Bahnhofswart mich bedauernd anschaute aber nun den Bahnhof verschloss. Zunächst schob ich mein Fahrrad zum nahe gelegenen Hotel Esplanade und fragte nach einem Zimmer. Da mir der Preis aber doch zu hoch erschien, fuhr ich zurück in meine Pension und hoffte, dass noch ein Zimmer frei sei. So war es dann auch und meine Vermieter, die natürlich auch verwundert ob meiner Rückkehr waren, gaben mir das letzte freie Zimmer. Die Pension ist nämlich wegen ihrer guten Lage aber auch wegen des guten Preis-Leistungsverhältnisses stark frequentiert. So zog ich mich erst einmal mit zwei Dosen Bier auf die Kammer zurück, telefonierte und beratschlagte mit Heidrun, verfiel in tiefes Nachdenken und danach in tiefen Schlaf.