Tagesstrecke: 65,45 Km; Saldo -100 Hm; 16,44 Km/h
Eigentlich gäbe es heute von meiner Radtour nicht viel zu erzählen. Aber ich hatte selten so einen wunderbaren Fahrradtag. Ich hatte gut geschlafen und war sehr gut drauf, das letzte Frühstück in Lodz hatte meine Laune nicht verschlechtert, im Gegenteil, das Wetter war herrlich, den ganzen Tag schien die Sonne von einem wolkenlosen Himmel und die Temperaturen stiegen nicht über 25 Grad, die ganze Strecke von Lodz bis Uniejwo verlief auf fast ebener Fläche, die wenigen Steigungen waren so sanft, dass sie kaum spürbar waren, es gab dagegen lange Abfahrten, die aber ebenso sanft waren, und dennoch auch ohne großes pedalen die Geschwindigkeit auf 20 bis 25 Km/h brachten, der milde Wind kam meist von hinten, und der Fahrtwind sorgte für angenehme Kühlung und die Wälder, durch die ich fuhr, sorgten für wohltuenden Schatten, schließlich war die Durchschnittsgeschwindigkeit so, wie ich sie noch nie an einem Fahrradtag mit Gepäck und sehr selten ohne Gepäck hatte. Also, ein wirklich gelungener Tag, und so einen langen Satz wie gerade habe ich auch noch selten geschrieben.
Ich verließ Lodz über die Piotrkowska und vorbei an der Manufaktura. Weiter ging es dann auf sehr guten straßenbegleitenden Radwegen. Am Stadtrand von Lodz kam ich dann an dem riesigen Logistikzentrum der Drogeriekette Rossmann für Polen vorbei. Rossmann hat hier erst jüngst ihr Zentrallager für den polnischen Markt erweitert. Vom Logistikzentrum in Lodz aus versorgt Rossmann ihre 1.200 Filialen in Polen. Rossmann ließ das Zentrallager in Lodz zwischen 2002 und 2011 Schritt für Schritt auf eine Größe von circa 60.000 Quadratmeter Nutzfläche ausbauen. Das Ergebnis ist schon sehr beeindruckend.
Als nächstes erreiche ich nach knapp 20 Kilometern die Kleinstadt Aleksandrów Łódzki. Sie hat etwa 21 Tsd. Einwohner und verdankt ihren Namen der Verleihung des Stadtrechts 1822 mit dem Namen Aleksandrów, zu Ehren des russischen Zaren Alexander I., unter dessen Herrschaft das Gebiet damals stand. Ob sich die Einwohner darüber tatsächlich gefreut haben, ist eher zu bezweifeln. Aber für das Stadtrecht musste man eben in diesen sauren Apfel beißen. 1825 besuchte Zar Aleksander I. die Stadt sogar. Auch Alksandrow Lodz ist als Stadt aus der Textilindustrie hervorgegangen und auch heute noch sind 38 Prozent der registrierten Unternehmen solche der Textilindustrie. Aus welchen Gründen auch immer hat die Stadt nach der Wende nicht einen solchen Bevölkerungseinbruch erlitten wie Lodz, sie ist freilich auch um einiges kleiner. Die Stadt wirkt sehr attraktiv und aus diesem Grunde mache ich dann auch auf dem schön bepflanzten und von Bäumen bewachsenen Stadtpark meine Mittagspause.
Die weitere Fahrt geht dann weiter durch Wälder, Felder, Wiesen und Auen. In Wilkowice gibt es noch einmal eine ins Auge fallende Holzkirche und eine Wassermühle am Fluss Ner, einem Nebenfluss der Warthe. Schließlich gelange ich an meinen heutigen Zielort Uniejwo. Der kleine Ort mit etwa 3000 Einwohnern liegt am Ufer der Warthe und ist ein staatlich anerkannter Kurort. Die Stadt, wie auch die gesamte Gemeinde, haben einen touristischen Charakter. Im Jahr 2008 wurde das Thermalbad Uniejów mit heißer Heilsole eröffnet. Der Komplex besteht aus drei Einrichtungen: Schwimmbädern, Gastronomie und einer Ritterburg. Jedes Jahr findet hier ein großes Ritterturnier und ein Mittelaltermarkt statt. Ich mache einen kurzen Abstecher zu dem Schloss.
Die ursprüngliche Burg wurde in den Jahren 1360-1365 erbaut. Die Burg diente auch als wichtiges Zentrum der Verwaltung der Diözese. In der Burg wurden eine wertvolle Büchersammlung, ein Archiv und eine Schatzkammer der Kathedrale von Gnesen aufbewahrt. Dort fanden wichtige Treffen statt, wie eine Synode 1376 unter Beteiligung des päpstlichen Nuntius. Im Jahre 1836 wurde die Burg mit dem Grafentitel an den für seine Verdienste um die Niederschlagung des Novemberaufstandes aus Estland stammenden General Karol Toll verliehen, der dort nie gelebt hat. Erst sein Sohn Aleksander Toll ließ das Gebäude 1848 klassizistisch im romantischen Stil rekonstruieren, und seine Frau legte westlich der Residenz einen romantischen Landschaftspark mit vielen ein- und ausländischen Baumarten an. Die Tolls wurden polonisiert und beherrschten die Burg bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit wurde die Burg erheblich verwüstet. In den Jahren 1956–1967 wurde das Schloss restauriert und in ein Archiv umgewandelt. Es beherbergt heute ein Hotel mit einem Konferenzzentrum und einem Restaurant.
Die eigentliche Stadt befindet sich auf der anderen Seite der Warthe. Zwei Sehenswürdigkeiten sollte man hier besonders hervorheben. Zum einen Stiftskirche Mariä Himmelfahrt, die heute die römisch-katholische Pfarrkirche des Ortes ist. einen Besuch der Kirche habe ich mir für morgen früh vorgenommen. Zwischen dem sehenswerten, weil schön bepflanzten und gestalteten Marktplatz und der Stiftskirche befindet sich ein freistehender neobarocker Kirchturm aus dem Jahr 1901. Es besteht aus vier Etagen, die durch Gesimse getrennt sind, und verfügt über eine Uhr. Der Turm ist 25 m hoch. Trotz der unterschiedlichen Baustile und -Zeiten bilden die Kirche und der Turm ein originelles aber gelungenes Ensemble. Der Turm ragt auch mit seiner Höhe von 25 Metern weit in das platte Land hinaus.
Nach einer kurzen Besichtigung des Zentrum fahre ich in mein heutiges Quartier, das Hotel Browar Wiatr, was soviel wie Windbrauerei heißt. Was der erste Teil des Namens in diesem Zusammenhang bedeutet, weiß ich nicht. Aber es ist tatsächlich eine Brauerei mit angeschlossenem Restaurant und Hotel. Hier habe ich dann den Abend verbracht und habe mich sehr wohl gefühlt. Ein sehr schöner Tag ging damit angemessen zu Ende.