15. Tag (19. Juli 2021): Wusterhausen-Kyritz und kreuz und quer durch die Mark

von 19. August 2021Aktuelles

Das Frühstück hier im Parkhotel war sehr ordentlich. Ich konnte mir auch schon gestern aussuchen, was ich wollte. Also gab es Müsli mit Fruchtjoghurt, ein Roggen- und ein helles Brötchen, Wurst und Käse für das Roggenbrötchen und Marmelade für das helle Brötchen. Dazu gab es natürlich noch ein Glas Orangensaft, etwas Fruchtsalat und drei Tassen Kaffee. Das ist dann ein Frühstück nach meinem Geschmack! Heute zum ersten Mal seit über einer Woche wieder etwas kühler. Die Temperaturen steigen kaum über 20 °. Heute morgen musste ich im Souterrain sogar die Heizung aufdrehen.

Ich mache heute wieder einmal eine der für den Fontaneradweg vorgeschlagenen Tagestouren. Es geht in einer großen Runde von Wusterhausen aus um den Bantikower See. Die Runde verändere ich dann im Laufe der Fahrt. Aber das ändert nicht viel an den vorgeschlagenen Zwischenzielen. Danach kehre ich nach Neustadt (Dosse) zurück.

Erstes Ziel ist natürlich Wusterhausen, wo die eigentliche Rundtour beginnt und hier ist es insbesondere die evangelische Stadtkirche St. Peter und Paul, die schon gestern mein Interesse geweckt hat. Sie bestimmt mit ihrem gewaltigen Dach das Stadtbild von Wusterhausen und besitzt eine reiche, teils künstlerisch auch wertvolle Ausstattung. Der Kirchenbau erstreckte sich in mehreren Phasen von der Mitte des 13. Jhdt. bis zum Anfang des 15. Jhdt. Es ist eine gotische Backsteinkirche, die allerdings auch Feldsteinanteile enthält.

Der Raumeindruck der Kirche wird von den nachmittelalterlichen Ausstattungsstücken und einer Restaurierung in den Jahren 1965 bis 1972 geprägt. Das Langhaus ist jetzt weiß mit grauen Rippen ausgemalt. Der Chor ist durch auffallend vielgliedrige Pfeiler gekennzeichnet, die rot gegen die weißgetünchten Wand- und Gewölbeflächen abgesetzt sind. Neben spätgotische Wandmalereien aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts sind Hauptstücke der Innenausstattung der Altaraufbau aus Holz, der 1776 zwischen die beiden östlichen Chorpfeiler eingefügt wurde. Das Altargemälde zeigt eine Darstellung des ungläubigen Thomas von Christian Bernhard Rode. Darüber sind Grisaillemalereien, Putten als Allegorien der christlichen Kardinaltugenden und eine abschließende Strahlenglorie angeordnet.

Die hölzerne Kanzel in reichen Spätrenaissanceformen wurde von Jürgen Fischer 1610 geschaffen und 1694 von Moritz Mewes bemalt. Sie zeigt am Korb über einer Büste des Paulus in Architekturnischen zwischen schlanken Ecksäulen figürliche Darstellungen Christi und der Apostel. Der zweigeschossige Schalldeckel trägt Darstellungen der Tugenden und der Evangelisten. Als Bekrönung zeigt er den Pelikan als Symbol für den Opfertod Christi.

Der Taufstein von 1712 besteht aus einer sechseckigen Kuppa auf einem runden Fuß und ist mit Engeln zwischen Akanthuslaubwerk verziert. Die zugehörige Taufschale aus Messing ist ebenfalls erhalten. Von einer Triumphkreuzgruppe des späten 15. Jahrhunderts ist noch ein „guter“ Kruzifixus und eine Figur des trauernden Johannes erhalten.

Ich wandle einige Zeit durch die Kirche und lasse die Ausstattung auf mich einwirken. Dann geht es weiter zum nächsten Ziel nach Kyritz. Die Stadt ist mit über 9 Tsd. Einwohnern fast doppelt so groß wie Wusterhausen. Sie ist zumindest im Alt- und Innenstadtbereich wieder schön saniert und sieht adrett aus. Herausragend auch hier Stadtpfarrkirche St. Marien, Ursprung im 12. Jahrhundert, dreischiffige gotische Stufenhalle des 15. Jahrhunderts, die durch die Feldsteinsockelmauern älter wirkt, nachgotischer Wiederaufbau 1710, historistische Umgestaltung im 19. Jahrhundert. 1848 wurde an Stelle des abgebrannten Turms eine neugotische Fassade mit Doppelturm nach Plänen von dem bereits bekannten August Stüler errichtet. Ins Auge fällt auch der Marktplatzt von Kyritz, der sich über mehrere 100 Meter durch die Altstadt zieht. Da die Kirche leider verschlossen ist, schlendere ich ein wenig durch die Innenstadt. In einem Café am Markt gönne ich mir eine Soljanka und danach einen Cappuccino und einen Streuselkuchen. Auffallend sind auch hier die zahlreichen Fachwerkhäuser. Kyritz trägt im Volksmund den Beinamen „an der Knatter“. Für den Beinamen Knatter war das Geräusch der früher zahlreichen knatternden Wassermühlen namensgebend. Von den fünf Wassermühlen existiert heute nur noch von einer das Gebäude.

Von Kyritz geht es einer recht befahrenen, überwiegend durch Wald führenden Straße nach Tornow. Auch das Gut Tornow hat eine lange Geschichte. Ab 1560 residierte hier die Familie von Brunn, in deren Besitz Dorf und Gut bis 1817 verblieben. Nach mehreren weiteren Besitzerwechseln kaufte die Familie von Dallwitz das Anwesen im Jahre 1877 und bewirtschaftete es bis 1945. Nach dem Zweiten Weltkrieg enteignete die sowjetischen Militärverwaltung das Gut Tornow. Im Jahr 1946 teilte sie im Zuge der Bodenreform insgesamt 645,7 Hektar Land unter 44 Neubauern auf. Nach der Enteignung nutzte die sowjetische Militärverwaltung das Herrenhaus ab 1945 als Flüchtlingsunterkunft. Im Herrenhaus waren anschließend bis 1990 ein Kindergarten, ein Konsum-Laden, eine Bibliothek, eine Post und das Bürgermeisteramt untergebracht. Im Jahr 1994 kaufte die Familie von Dallwitz das Gutshaus mit den umliegenden Ländereien zurück und begann mit der bis heute andauernden Renovierung des Anwesens. Ansonsten entwickeln sie das Gut wohl behutsam zu einem Betrieb mit ökologischer Landwirtschaft und einem Reiterhof.

Bevor ich den Hof erreiche gelange ich zum Friedhof. Hier soll die Gutskirche stehen. Vor dem Eingang zum Friedhof sitzen zwei Damen so etwa in meinem Alters und trinken jeder einen Piccolo Rotkäppchen formvollendet aus Sektgläsern. Sie sind in eine Gespräch vertieft, der Sekt scheint aber schon aufheiternd zu wirken. So beantworten sie meine Frage, ob ich hier richtig auf dem Weg zum Gut Tornow sie mit einer ausschweifenden fröhlichen Antwort, die aber bereits alle Informationen über das Schicksal des 60-Seelen-Dorfes der letzten Jahrzehnte zum Inhalt hat. Danach verwickeln sie mich in ein längeres Gespräch über meine Fahrradtour, weil sie erstaunt auf mein Gepäck schauen und meinen ich müsse wohl länger unterwegs sein. Sie geben mir auch den Typ, einen anderen Weg nach Wusterhausen zu fahren als den vorgesehenen, weil man dann direkter am See entlang führe und auch nicht so viel Verkehr sei.

Schließlich reiße ich mich dann doch los und betrete den Friedhof, der Teil des Gutsparks ist. Inmitten des Parks steht die Gutskirche, die in den Jahren 1827/1828 im Stil der italienischen Neugotik an der Stelle zweier Vorgängerbauten errichtet wurde. Sie ist ein kleiner, mit Ausnahme der Westfassade verputzter Saalbau aus Backstein. Die von turmartigen Eckpfeilern eingefasste unverputzte Westfassade ist als Schauseite gestaltet. In deren Zentrum befindet sich ein großes doppeltüriges Spitzbogenportal. Der ursprüngliche hölzerne Dachreiter wurde im Jahr 1965 entfernt, als bei einer Trauerfeier die Glocke abstürzte und schwere Schäden verursachte. Die Kirchengemeinde ließ sie daraufhin in einem Gestell vor der Kirche aufhängen. Dort sind auch drei klassizistische Grabdenkmäler der Patronatsfamilie von Brunn zu sehen. 

Nachdem ich mir die Kirche von außen und auch die Grabdenkmäler betrachtet habe, versuche ich über den Park auch das Gutshaus zu erreichen. Das geht aber zur Zeit nicht. Der Park ist dennoch urig. Er wurde von Peter Joseph Lenné im Jahre 1862 gestaltet. Er ist  aber inzwischen immer noch recht verwildert, so dass man von diesem Ursprung wenig erkennt.  Die erste Begegnung mit dem Hof ist eher ernüchternd. Den Glanz eines ehemaligen Herrenhauses strahlt es derzeit wirklich nicht aus. Es wirkt eher etwas verwahrlost, aber dennoch macht es einen belebten Eindruck als ich dann an der Vorderseite ankomme.

Nach kurzer Betrachtung des efeuumwucherten Hauses mach ich mich weiter auf den von den beiden Damen empfohlenen Weg. Er führt in Bantikow direkt an den See. Viel hat man jedoch davon nicht, weil das Seeufer bebaut ist und man nur an wenigen Stellen an den See herankommt. Die Straße, die dann zurück nach Wusterhausen führt ist allerdings tatsächlich weniger befahren. Allerdings muss ich in Wusterhausen noch einmal vier Kilometer in eine andere Richtung zurück, um das von dem Bildhauer Richard Drake geschaffenen Grabmal von Vater und Sohn von Romberg zu besuchen, dem Fontane in seinen Wanderungen einen Passus widmete. Es „erhob“ sich ursprünglich im „Schlosspark zu Brunn unter dunklen Tannen“. Fontane bezeichnete es als „schönes, von Drakes Hand herrührendes, Monument“. Heute steht es vor der Kirche von Brunn und wäre ohne Fontane sicher vergessen worden nachdem der Schlosspark inzwischen völlig verwildert ist.

Dann geht es wieder zurück ins Parkhotel nach Neustadt. Den Abend beschließe, ich nach den guten Erfahrungen von gestern, wieder in Olafs Werkstatt.

Tagesstrecke: 54,41 Km

 

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