Auch wenn ich mich schon auf Gemeindegebiet befinde, geht es heute in den Ort Soidankylä, der aber noch über 90 Kilometer entfernt liegt. Nach einem sehr guten Frühstück bucht meine Wirtin für mich auf dem Campingplatz in Sodankylä ein Cottage, so dass ich nach meiner Ankunft nicht groß suchen muss. Vom Tag selbst gibt es nicht allzu viel zu berichten. Das Wetter ist zum Fahrradfahren in Ordnung. Es ist zwar meistens bedeckt und deutlich kühler geworden. Aber bis auf ein paar kurze Schauer bleibt es trocken. Der Wind hat heute weiter nachgelassen. Es geht durch Wälder und Wiesen vorbei an Seen und Flüssen. Auf einer Wiese erlebe ich dann noch einmal eine Rentierherde. Die Wälder sind jetzt klassischer borrealer Nadelwald. Ein Gemisch aus Fichten, Kiefern und Birken und im Unterholz fast flächendeckend Heidelbeersträucher. Die Landschaft wird jetzt auch flacher und ich muss heute erfreulicherweise nicht so viele Höhenmeter zurücklegen.

Etwas hat sich am Bild der Landschaft verändert und ich brauche eine Weile bis mir klar wird was es ist. Ja, es ist nicht die Natur, nicht die Landschaft, sondern es ist die Bebauung. Bei den Samen baute man bedeckt, das heißt, die Häuser waren von der Straße aus selten zu sehen. Seitdem ich das Gebiet der Samen verlassen habe, ist es wieder genau andersherum. Die Finnen scheinen wie andere auch, doch wert daraufzulegen, dass ihre Häuser gesehen werden. Obwohl nur unwesentlich dichter besiedelt als Inari, sieht Sodankylä doch besiedelter aus. Bei den Samen scheint mir die Bauweise entweder genetisch oder empirisch basiert zu sein. Auf jeden Fall ist man unsichtbar sicherer als wenn man sichtbar ist. Wenn man dagegen meint, man brauche keine Angst mehr zu haben, sichtbar zu sein, kann man sich natürlich entsprechend besser präsentieren.

Einem Tipp des bikeline folgend, mache ich einen Stopp am Ilmakkiaapa-Sumpfland, das zum nordfinnischen Torfmoorgürtel gehört. Viel abgewinnen kann ich dem nicht, aber es ist ja für Radfahrer auf jeden Fall auch gut, wenn sie sich mal die Beine vertreten. Auf dem Parkplatz vor dem Sumpfland treffe ich auf eine finnische Familie. Der Vater spricht mich auf Finnisch an und als er damit nicht weiterkommt, nimmt er Nachhilfe bei seiner etwa 15 jährigen Tochter, was dann zu der Frage führt: „Wer fromm?“ Ich interpretiere das als eine Frage nach meiner Herkunft. Als ich ihm meine Herkunft aus Deutschland vermittelt habe, erzählt er mir begeistert, dass er mit seiner Familie wild campen würde und dass er das sehr gut fände. Früher hätten sie immer Hotels gebucht. Aber da müsse man immer wieder zum Hotel zurück. Nun sei man frei. Ob seine Familie über das wilde Zelten genauso glücklich war wie er, ließ sich schwer ermitteln.

Schließlich erzählte er mir noch auf dem an manchen Stellen schon etwas fragilen Bohlenweg durch das Moor von seiner Autosammlung. Ob es sich um echte Oldtimer oder Spielzeugautos handelte konnte ich nicht eruieren. Aber ich wurde darüber aufgeklärt, dass das älteste Auto aus dem Jahre 1908 stamme, dass er auch einen Ford A habe und den Wagen, den auch mal ein Präsident soundso gefahren habe, seiner aber ein Jahr älter sei. Schließlich erzählte er mir noch die herzzerreißende Geschichte eines argentinischen Ehepaars, das seit 16 Jahre mit einem alten Auto durch die Welt fahre und dabei 4 Kinder bekommen hätte. Er habe sie getroffen und die Kinder hätten sich mit seinen Kindern angefreundet. Während ich mir das anhören durfte, war der Rest der Familie wohl froh, dass das Familienoberhaupt mal mit jemandem anders beschäftigt war als mit ihnen. Ich war dann froh als ich wieder auf mein Fahrrad steigen zu durfte.

Auf dem Campingplatz in Sodankylä sehe ich nun auch die ersten Zelte. Hier treffe ich auf einen Berliner, der mit seinem Auto unterwegs ist und hier campt. Er ist sicher um einiges älter als ich. Ich kann mich leider überhaupt nicht aufraffen abends mein Zelt aufzubauen. Bisher hatte ich die schöne Ausrede, dass ich noch überhaupt keinen gesehen habe, der sein Zelt aufgebaut habe. Ich hielt es auch für zu kalt. Beide Ausreden fielen nun in sich zusammen. Aber ich habe noch immer keine Lust richtig zu zelten.

Tagesdaten: 100,554 Km; 07:13:56 Std, Fz.; 13,80 Km/h; 317 Hm

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