8. Tag (14. Oktober 2019) – Zum Namib-Naukluft-Park

Das Frühstück im Canyon Roadhouse ist wieder ausgezeichnet und sehr phantasievoll auf alten Autos aufgebaut. Heute liegt ein sicher recht anstrengender Tag vor uns, der, außer 480 Kilometer Fahrtstrecke wohl meist auf Schotterstraßen, wenig zu bieten haben wird. Sicher werden wir wieder spannende Landschaften sehen, vielleicht auch Tiere. Aber ansonsten heißt es Kilometer machen. Wie dünn besiedelt Namibia wohl nicht nur hier ist, kann man ermessen, wenn man sich klar macht, dass wir auf unsrer Strecke heute gerade mal zwei Orte passieren werden: Bethanien und Helmeringhausen. Auch diese Orte sind eher Versorgungsstützpunkte als tatsächliche Dörfer. Butz scheint zu ahnen, dass er auf unsere Stimmung am heutigen Tag positiv Einfluss nehmen muss und deshalb schlägt er vor, in einer auf dem Weg liegenden Destille einen Stopp einzulegen und dort eine Probe der Brände zu nehmen. Dies wird zwar schon am Vormittag sein, aber alle stimmen zu, dass das wohl eine angenehme und sinnvolle Ergänzung unseres Programms ist.

So geht es nach dem üblichen morgendlichen Ritual wieder los. Butz hat die Wasserkanister füllen lassen, so dass wir nicht verdursten werden. Er verlädt wieder professionell das Gepäck und bevor er los fährt, kommen wieder die obligatorischen Fragen, ob wir an alles gedacht haben. Nach etwas mehr als einer Stunde erreichen wir dann die Naute Kristall Destillery ( http://www.nautekristall.com/?lang=de) mitten in einer Oase unweit des Naute-Damms gelegen, der volumenmäßig drittgrößten Talsperre des Landes. Die Staumauer staut hier den Löwenfluss, der später in den Fischfluss mündet. Die Naute Kristall bewirtschaftet etwa 900 Hektar und baut vor allem Datteln, Kaktusfeigen, Granatäpfel und Pekanüsse an. Seit einiger Zeit wird auch Wein angebaut. Vor allem die Datteln aber auch die Weintrauben werden exportiert. Ein Teil des Weines wird auch zu einem französischen Weißwein verarbeitet. Ansonsten nutzt man die geernteten Früchte für exquisite Obstbrände.

Wir statten der Brennerei einen Besuch ab und werden von Karin, der deutschstämmigen Besitzerin, durch die Verkostung geführt. Nach der sechsten Probe haben wir dann auch die Leichtigkeit, die heutige Fahrt fröhlich zu überstehen. Also, der Einfall von Butz hat sehr zum Gelingen des Tages beigetragen. Natürlich wird auch das ein oder andere Fläschchen erstanden und als Mitbringsel für daheim verstaut. Danach machen wir noch einen kurzen Spaziergang zur Talsperre und gerade in dieser kargen Savannenlandschaft mit der unweit gelegenen Oase von Naute Kristall und dem Stausee in der Nähe, bekommt man wieder einen Eindruck für die Berechtigung des von Butz sehr oft gebrauchten Satzes „Wasser ist Leben“.

Dann geht es weiter, stundenlang durch graubraune Savannenlandschaft. Irgendwann sind wir begeistert, nun auch die ersten Springböcke zu sehen und natürlich sind wir dann vor allem begeistert, als wir den ersten Ort Bethanien erreichen. Der Ort liegt übrigens rund 1000 Meter hoch. Wir sind also, seitdem wir in Namibia sind, ständig unmerklich hoch gefahren. Bethanien wirbt für sich damit, dass hier das erste von Europäern erbaute Steinhaus in Südwestafrika steht. Bethanien verdankt die Entstehung des Ortes, die Errichtung des Steinhauses und seinen Namen vor allem dem Missionar Heinrich Schmelen (1777-1848) von der Londoner Missionsgesellschaft. Schmelen stammt aus der Nähe von Bremen aus einem bürgerlichem Haus. Um dem Militärdienst zu entgehen, flüchtete er aber nach England und entschied sich für den Missionarsberuf.

Nach Bethanien verschlug es ihn, als er mit einer größeren Gruppe Orlam (Gesellschaften, die aus den Verbindungen der Buren mit den Nama-Frauen entstanden sind) bessere Weidegründe suchte. Hier in Bethanien fanden sie eine Quelle und ließen sich nieder. Schmelen errichtete das Steinhaus und bemühte sich, die Orlam und die nachziehenden Nama hier sesshaft zu machen und zum christlichen Glauben zu bekehren. Trotz zunächst erfolgreicher Missionsarbeit, kam es wegen des zunehmend kriegerischen und räuberischen Verhaltens der Orlam zum Zerwürfnis mit Schmelen, so dass er schon 1822 seine Missionsarbeit in Bethanien beendete. Heute ist Bethanien ein kleiner, aber für die Farmer und Nama der Umgebung wichtiger Versorgungsstützpunkt, in dem es alles gibt, was für das tägliche Leben benötigt wird.

Leider ist das Steinhaus, dass doch mehr einer Hütte gleicht, verschlossen und derzeit nicht zugänglich. So vertreten wir uns hier nur die Füße. Butz verschwindet für kurze Zeit und kommt mit einer großen Tüte Trockenfleisch zurück, die nach der Weiterfahrt im Wagen rumgeht und auch reicht, um aufkommenden Hunger zu vermeiden. So fahren wir die nächsten Stunden weiter auf Schotterstrecken und kommen dann am Nachmittag nach Helmeringhausen. Zu Helmeringhausen finde ich im Baedeker den schönen Satz: „Bei dem 85 Km nördlich von Bethanien gelegenen Helmeringhausen handelt es sich um eine der Ortschaften in der Namib, die zwar sehr wenig bieten, aber für deren Existenz jeder Reisende dankbar ist. Ein Laden, eine Tankstelle, ein Hotel, eine Kapelle, ein Friedhof und ein Museum: willkommen in Helmeringhausen“. Wir lernen nur das Hotel kennen. Hier setzt Butz uns ab und verordnet Pause. Das Hotel wirbt damit, dass es hier den besten Apfelkuchen in Namibia gibt. Er ist wirklich recht passabel im Gegensatz zum Kaffee.

Interessant ist aber auch die Geschichte von Helmeringhausen und wahrscheinlich nicht ganz untypisch für Namibia. Hubert Hester, ein Mitglied der sogenannten deutschen Schutztruppe, der am 30. Oktober 1885 in der gleichnamigen Ortschaft im Hochsauerland geboren wurde, gründete Helmeringhausen während der Kolonialzeit. Nach Beendigung der Kampfhandlungen, also nach Niederschlagung des Aufstandes der Herero und Nama, verblieb Hester in der Kolonie Südwestafrika und arbeitete zunächst auf einer Farm. Im Jahre 1919 kaufte Hester die Farm, welche eine Gesamtfläche von über 10 Tsd. Hektar hatte, und nannte sie fortan Helmeringhausen. Heute besteht der Ort aus acht Gebäuden und wohl lediglich elf permanenten Einwohnern.

Während wir uns stärken und uns an dem sehr schön mit Kakteenpflanzen und buntblühenden Bäumen angelegten Freisitz vor dem Hotel erfreuen, fährt Butz den Flitzer auftanken. Immerhin haben wir immer noch etwa 200 Kilometer vor uns. Es geht also nach der Pause weiter – über Schotterstrecken. Allerdings können wir uns auch darüber freuen, einige Tiere zu beobachten. So sehen wir Springböcke, einen Schabrackenschakal und einige Zebras. Die Landschaft wird auch immer bergiger, weil wir uns nun den Naukluftbergen nähern, einer spektakulären Gebirgslandschaft, die sich noch einmal bis zu 1.000 Meter über die Hochebene erhebt.

Schließlich erreichen wir schon in der beginnenden Dämmerung unser Ziel mit dem passenden Namen Desert Homestead (Wüsten-Gehöft) (https://www.deserthomesteadlodge.com/), wo wir uns erfreulicherweise wieder für zwei Nächte einquartieren können. Die Unterkünfte bestehen aus riedgedeckten Bungalows. Einige von und nutzen nach dem Einchecken noch den obligatorischen Swimmingpool. Sehr erfreulich ist auch, dass es hier die Möglichkeit gibt, Wäsche waschen zu lassen, von der die meisten von uns dann Gebrauch machen. Das Waschen ist sogar kostenlos. Wir bekommen Leinenbeutel, in die wir die Wäsche hinein legen und sie dann an der Rezeption unter Angabe unserer Zimmernummer abgeben. Das Abendessen ist heute inbegriffen und so treffen wir uns gegen 20:30 im Haupthaus. Das Abendessen ist wieder sehr schmackhaft.

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