Heute also in Novi Sad. Als ich aufwache stecken mir noch immer die über 1000 Höhenmeter von gestern in den Knochen. Ich bekomme aber erst einmal ein hervorragendes Frühstück im Restaurant meines Vermieters. Spiegelei mit Bacon, Brot, Wurst, Käse und Marmelade. Dazu Espresso mit Milch so viel ich mag. Danach geht es auf die direkt oberhalb liegende Festung. Sie hat nur einen Aufgang. Schon hier sieht man, dass Novi Sad noch viel an Entwicklung aufzuholen hat. Aber es ist natürlich schwierig eine Stadt zu beurteilen, die noch vor nicht einmal 20 Jahren von der NATO mit Bomben belegt wurde. Hier entstanden damals so verharmlosende Bezeichnungen wie Kollateralschäden, also unbeabsichtigte zivile Opfer und davon hat es in Novi Sad durchaus zahlreiche gegeben als die NATO insbesondere die Brücken sprengte, dabei aber auch die Zivilbevölkerung, Krankenhäuser und Kindereinrichtungen traf. Auch ich habe das damals für notwendig gehalten, um dem Milosevic-Regime ein Ende zu bereiten.

Die Festung Petrovaradin ist eigentlich nichts Besonderes, sondern eine Festung wie man sie aus dem 18 Jahrhundert kennt. So etwas gibt es beispielsweise in Erfurt mit der Festung Petersberg in ähnlicher Form. Sie zeichnen sich durch kilometerlange unterirdische Gänge, tausende Schießscharten und Plattformen für Kanonen aus. Außerdem sind sie durch meterdicke, meist aus Ziegeln bestehenden Mauern abgesichert und verfügen nur über eine überschaubare Zahl von Zugängen. Dennoch galt Petrovaradin im 17. Jahrhundert als größte Festung Europas und hat eine Originalität, nämlich den Uhrenturm, der von Maria Theresia gestiftet wurde. Dieser weit ins Land hinein sichtbare Glockenturm, zeigt nämlich mit dem großen Zeiger die Stunden und mit dem kleinen die Minuten an. Hintergrund soll gewesen sein, dass die vorbeifahrenden Seeleute die Uhrzeit ohnehin nur grob erkennen wollten und dass dafür der große Zeiger geeigneter gewesen sei als der Kleine.

Die Festung ist heute von einem Fest des Roten Kreuzes belegt und so wuseln Tausende insbesondere Jugendliche herum, was mir den Ort nicht gerade reizvoll erscheinen lässt. Es ist laut und die Wege und Sitzgelegenheiten sind verstopft bzw. besetzt. So drehe ich eine Runde durch das Gelände und kehre wieder in meine Unterkunft zurück. Nachmittags mache ich mich dann auf den Weg zu einem Stadtrundgang. Zunächst geht es über die Brücke nach Novi Sad. Schon vorher habe ich festgestellt, dass es wenige herausragende Sehenswürdigkeiten in Novi Sad gibt. Immerhin hatte die Stadt im 19.Jahrhundert den Beinamen serbisches Athen und galt als geistiges und kulturelles Zentrum. Davon merke ich derzeit wenig. Vielleicht bringt ja die Entscheidung zur Kulturhauptstadt Europas 2021 neue Perspektiven. Anders als beispielsweise in Osijek und Vucovar sieht man der Stadt die Kriegsschäden nicht so direkt an. Hier hat sich die NATO wohl tatsächlich primär darauf beschränkt, strategische Ziele anzugreifen. Aber die Stadt wirkt noch merkwürdig restaurierungsbedürftig. Dabei geht es nicht um die Beseitigung der Kriegsschäden, die zerstörten Brücken sind entweder schon wieder oder werden gerade wiederaufgebaut. Aber die Stadt ist nicht nachgekommen, zeitlich notwendige Restaurierungen und Infrastrukturmaßnahmen tatsächlich im notwendigen Maß durchzuführen. Wahrscheinlich fehlte das Geld.

Allerdings gibt es auch andere Beispiele. So sind die Fußgängerzonen wieder sehr schön restauriert und hier herrscht auch an diesem sonnigen und warmen Samstagnachmittag ein reges Treiben. Durchaus sehr sehenswert ist der Freiheitsplatz, dem Hauptplatz der Stadt mit dem Rathaus und der katholischen Kirche und dem martialischen Standbild des 1848er Revolutionärs und späteren Bürgermeisters Svetozar Miletic. Ein Straßenlokal schließt an das nächste an und sie sind gut besucht. Abschließend schaue ich mir noch die Synagoge an, die vom gleichen Architekten entworfen wurde, der auch die Synagoge in Budapest und viele andere in Europa geplant hat.

Insgesamt kann ich mit Novi Sad nicht so sonderlich viel anfangen. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich heute mit mir nicht sonderlich viel anfangen kann. Ich empfinde so etwa wie zunehmende Einsamkeit auf meiner Tour. Man hat niemanden, mit dem man sich austauschen kann und es ist auch sehr schwer sich verständlich zu machen. Das wird sicher auf den nächsten Abschnitten nicht weniger. Mal sehen, ob und wie ich das bewältige.

Tagesdaten: 6 km Fußmarsch

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