56.-58. Tag: 03. – 5. Juni 2019 – Piedrafita – Portomarin – Arzúa

Die letzten drei Tage waren sehr anstrengend und ich bin froh, dass sich meine Tour nun langsam dem Ende zuneigt. Vorgestern hatte ich noch Temperaturen von weit über 25 Grad, viel Sonne und es war trocken, gestern fing der Regen an und hat mich den ganzen Vormittag begleitet und heute sind die Temperaturen auf unter 15 Grad gefallen und ich wurde von heftigen Regenschauern verfolgt. Dazu kommt, dass ich in den drei Tagen über 3000 Höhenmeter absolvieren musste und ich mache keinen Hehl daraus, dass dies an den Kräften gezehrt hat. Morgen, der Tag an dem ich Santiago die Compostela erreichen werde, soll nun Dauerregen bringen, weil vom Atlantik ein große Regengebiet heranzieht. Meine Einfahrt nach Santiago wird also sicher nicht strahlend. Ich hatte sie mir auf jeden Fall anders vorgestellt.

Aus dem trockenen Kastilien bin ich nun im feuchten Galicien angekommen. Es ist die letzte Region auf meiner Reise. Auch die Landschaft hat sich hier deutlich verändert. Nicht mehr die trockene, steppenartige Meseta ist hier zu sehen, sondern viel Grün, Wälder, Wiesen und Weiden. Es ist ein etwas anderes Spanien, in das man hier kommt. Durch die Bergketten ist das Land von seinen östlichen Nachbarn quasi abgeschnitten, während im Westen die zerklüfteten Klippen der Küste in den Ozean fallen. Die geografische Lage und die wenig einladende Landschaft Galiciens hat den Landstrich allerdings vor der maurischen Besetzung im Mittelalter bewahrt. Die Mauren „besuchten“ die Galicier immer nur auf gelegentlichen Raubzügen, ließen sie sonst aber in Ruhe. Auch sonst spielte die Region in der spanischen Geschichte eine eher untergeordnete Rolle. Galiciens wichtigster Beitrag war der Jakobsweg und die mythische Kraft, die die propagierte Entdeckung der Grabstätte des Jakobus im Mittelalter entwickelte.

Was den Jakobsweg betrifft, so sieht man jetzt doch, welche Heerscharen aus aller Herren Länder sich hier entlang wälzen. Es sind hunderte, die ich täglich passiere und auch an Fahrradpilgern sind es viele geworden, die mich täglich überholen. Aber es wird auch deutlich, dass am Jakobsweg ein ganzer Industriezweig hängt und er auch eine Infrastruktur geschaffen hat, die sich im Wesentlichen wahrscheinlich seit dem Mittelalter kaum verändert hat. So findet man eine exzellente Infrastruktur an Herbergen, Bars und Restaurants, die gerade auf die Pilger ausgerichtet sind. Dort bekommt man auch immer gutes Essen zu vernünftigen Preisen. Man glaubt ja gar nicht, was so ein Pilger und ich nehme mich davon gar nicht aus, so am Tag verbraucht. Die Herbergen haben sich meines Erachtens den heutigen Bedürfnissen angepasst, zumindest die privaten. Sie bieten neben Mehrbettzimmern, die aber wohl auch nicht mehr den Charakter von Schlafsälen haben, auch Einzel- aber vor allem Doppelzimmer zu sehr niedrigen Preisen an. Wenn man ein Gemeinschaftsbad akzeptieren kann, dann kann man schon für 20 € sehr schöne Einzel- oder Doppelzimmer bekommen. In den kirchlichen und öffentlich Herbergen gibt es wohl immer noch überwiegend Schlafsäle.

Interessant ist aber auch wie sich offensichtlich das Pilgerverständnis verändert hat. So läuft inzwischen etwa ein Drittel der Pilger ohne Gepäck bzw. höchstens mit einem Tagesrucksack seinen Weg. Ich wunderte mich zunächst, warum morgens in den Unterkünften immer so viele Rucksäcke und auch für Fernreisen ausgerichtete Koffer herumstehen. Man kann inzwischen Gepäcktransport mieten. Im Laufe des Vormittags kommen dann immer wieder Transporter, deren Fahrer nach genauem Studium der Etikette das Gepäck verladen oder stehen lassen. Auch viele, die mit dem Fahrrad unterwegs sind, scheinen ihr Gepäck transportieren zu lassen. Aber es gibt noch anderes. Unzählige Taxen fahren auf den entsprechende Strecken hin und her. Auch ich habe mich in den letzten Tagen gelegentlich gefragt, warum tust Du Dir das eigentlich noch an? Es gibt offensichtlich eine nicht zu geringe Zahl an Pilgern, die bei dieser Frage zu dem Ergebnis kommen, wir tun uns das nicht mehr an. Dann ist ein erlösendes Taxi in der Regel unschwer zu ordern.

Es soll aber auch noch die ganz Ausgebufften geben wie mir Marcel erzählte. Da man auf den letzten 200 Kilometern mindesten 2 Stempel in Santiago vorweisen muss, um die Compostela also die Pilgerurkunde zu erhalten, machen das einige auch mit dem Taxi. Die Stempel zu bekommen ist nicht weiter schwierig. In den meisten Unterkünften, Bars und Restaurants liegen sie einfach aus und man kann sich bedienen und so fährt man dann, nachdem man genügend Stempel gesammelt hat, mit dem Taxi im Pilgerbüro in Santiago de Compostela vor und holt sich seine Urkunde ab. Die größten Stempelfetischisten, die ich getroffen habe, sind übrigens die Asiaten. Sie nehmen Stempel mit, wo sie sie nur bekommen können. Die Europäer beschränken sich dagegen auf einmal am Tag. Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass ich noch keinen Asiaten mit dem Taxi habe fahren sehen und sie auch meistens ihr Gepäck mitschleppen.

Nun geht es also morgen für mich endlich nach Santiago de Compostela. Ich werde dort zwei Tage und drei Nächte bleiben, bevor ich mich dann in Richtung Kap Finisterre begebe. In Santiago muss ich aber dann erst einmal meine Rückreise organisieren. Das ist für mich nun doch das Wichtigste. Der Rückreisemodus hat nun doch begonnen.

Tagesdaten: 

03. Juni 2019: 52,47 Km; 05:11:20 Std. Fz.;  10,11 Km/h; 866 Hm

04. Juni 2019: 78,14 Km; 06:29:19 Std. Fz..; 12,02 Km/h; 1186 Hm

05. Juni 2019: 58,34 Km; 05:35:15 Std. Fz.; 10,41 Km/h; 1035 Hm

 

03. Juni 2019

04. Juni 2019

06: Juni 2019

3 Kommentare

  • Françoise sagt:

    „Der galizische Getreidespeicher (hórreo galego auf Galizisch) ist ein landwirtschaftliches Gebäude, das gemäß einer für die Region Galizien in Spanien spezifischen Architektur als Getreidespeicher verwendet wird. Es wird zur Getreidelagerung nach der Ernte verwendet, insbesondere für Mais. Es besteht aus einer schmalen Kammer, die die Luft durchlässt, aber vom Boden isoliert ist, um das Getreide vor Feuchtigkeit und Tieren zu schützen.“

    (ich gebe es zu, ich habe kein wikipedia Artikel auf deutsch gefunden, und Google translator benützt)

    Schön, schön, und so gute Errinerungen (ausser der schrecklicher Aufstieg bis O Cebreiro, der sicher viel besser mit 15 grad war, als mit 25).

    Leider habe ich kein Zeit, alles zu lesen

    Buen camino Wolfgang!

  • Regina Sakowitz sagt:

    Lieber Wolfgang, nun hast Du es also geschafft. Herzlichen Glückwunsch. Eine tolle Leistung und bestimmt ganz viele Erlebnisse, Begegnungen und bleibende Erinnerungen.
    Vielen Dank für die sehr ausführlichen Berichte und die schönen Fotos.
    Viel Vergnügen noch in Santiago de Compostela.

    Herzliche Grüße aus Düsseldorf.

    Regina Sakowitz

  • Werner Hempel sagt:

    Lieber Wolfgang,
    herzlichen Glückwunsch. Eine beeindruckende Leistung nicht nur physisch. Ich glaube auch psychisch. Es gab bestimmt Tage, an denen Du mit Dir gerungen hast. Aber Du bist wieder auf den Sattel gestiegen und hast die nächste Etappe unter die 2 Räder deines Fahrrades genommen. Du hast Dir wirklich jeden Stempel mehr als verdient. Molto complimenti auch von Doris, vor allem wenn man sieht, wie die Kommerzialisierung dieses Pilgerweges einschließlich der unverdienten Stempel sich entwickelt hat. Hat das noch etwas mit innerer Einkehr, Buße und Spiritualität zu tun? Oder überwiegen andere Motive bei den Pilgern ( kann man sie überhaupt noch so nennen?) ? Und wenn ja,
    welche?
    Wie dem auch sei, es ist vollbracht und der Wunsch Heidrun in die Arme schließen zu können und einmal wieder im eigenen Bett zu schlafen, mehr als verständlich.
    Wir drücken Dir die Daumen, daß die Rückreise möglichst problemlos vonstatten geht.
    Ci vediamo
    Doris und Werner

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