5. Tag (18. September 2020): Von Bad Königshofen nach Fladungen

Tagesdaten: 71,67 Km

Bad Königshofen

Das Wetter bleibt schön, mit etwas angenehmeren Temperaturen  als in den ersten Tagen. Nach dem Frühstück mache ich eine kurze Stadtrundfahrt im Zentrum von Bad Königshofen. Bad Königshofen ist zwar ein adrettes Städtchen, hat aber sonst wenig zu bieten. Herausragendes Gebäude ist sicher die spätgotische katholische Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt, die in ihrer heutigen Form in der zweiten Hälfte des 15. Jhdt. erbaut wurde. Es handelt sich um eine in Franken öfter vorkommende Mischform zwischen Basilika und Hallenkirche wie ich sie schon in Rodach gesehen hatte. Der Turm der Kirche hat eine Höhe von 63 Metern und ist das bereits von weitem sichtbare Wahrzeichen der Stadt. Auch der Marktplatz ist recht gefällig, wobei man bei Sonnenschein ja bekanntlich fast jeder Stadt etwas abgewinnen kann. Nach dem Besuch der Kirche decke ich mich noch mit Proviant für den Tag ein: zwei regionale Brötchen und drei Bananen.

Von Bad Königshofen nach Irmelshausen

Nach dieser kurzen Besichtigung in Bad Königshofen fahre ich los. Mein heutiges Ziel ist Fladungen am Fuße der Rhön. Vorher gibt es aber einige Zwischenziele, die ich mir vorgenommen habe. Mein erste Zwischenziel ist Irmelshausen. Angelockt wurde ich durch den Hinweis auf eine Wasserburg in meinem bikeline. Irmelshausen liegt nur etwa 10 Kilometer von Bad Königshfen entfernt. Dort steuere ich als erstes die evangelische Kirche St. Jakobus an, die mit ihren zahlreichen Grabmälern sehr sehenswert ist. Es handelt sich alles um Grabmäler der Familie von Bibra, die als Freiherrn seit 1511 mit dem Patronat über Irmelshausen belehnt waren. Sie führten auch um 1540 die Reformation in dem Ort ein. In der Kirche treffe ich dann einen älteren Herrn, der sich als ehemaliger Lehrer der Dorfschule vorstellt und mir ausführlich aus der Geschichte Irmelhausens erzählt. Man merkt an seinen Ausführungen, dass die Patronatsfamilie derer von Bibra hier einen guten Ruf genießt. Das wird besonders deutlich als er, nachdem ich ihn auf die Burg ansprach, die ich ja auch noch besuchen will, auch die Geschichte der Burg erzählt und vor allem, dass sie nicht zugänglich und auch geteilt sei, weil seit einigen Jahren durch einen Erbfall die Familie der Grafen von Stauffenberg eine Hälfte der Burg besäßen. Die Familie von Stauffenberg scheint aus diesem Grunde kein sonderlich hohes Ansehen im Dorf zu genießen.

Bei Wikipedia konnte ich dann recherchieren, dass sich die Burg seit 1376 im Besitz des Adelsgeschlechts von Bibra befindet, aber erst seit 1984 zur Hälfte auch im Besitz der Familie der Grafen Stauffenberg ist. Dazu kam es, dass Renate Freifrau von Bibra, geborene von Guttenberg, nach dem Tod ihres Mannes Sigismund von Bibra ihre Schlosshälfte (älteren Linie) ihrer Adoptivtochter Elisabeth Schenk Gräfin von Stauffenberg geborene Freiin von und zu Guttenberg vererbte, die die Ehefrau des Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg ist, also einem der Söhne von Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler versuchte. Seither befindet sich also das Schloss zur Hälfte im Besitz der Familie der Grafen von Stauffenberg.

Das Wasserschloss selbst konnte ich nun nur von außen besichtigen. Aber auch das lohnt sich. Die Fachwerkbauten des Wasserschlosses Irmelshausen erheben sich auf einer künstlichen Insel im Milzgrund. Die vollständig erhaltene mittelalterliche Veste gilt als schönste Wasserburg Frankens. Das Sumpfgelände, in dem sie liegt, war durch Anstauung der Milz, einem Nebenfluss der Fränkischen Saale, zu einem Weiher mit Insel in der Mitte umgestaltet worden. Die unregelmäßige fünfeckige Burg wirkt mit ihren steinernen Untergeschossen und Fachwerkaufsätzen malerisch und wurde bereits als Filmkulisse benutzt. Der stattliche Fachwerkbau ist von einer fünfseitigen, weitläufigen Ringmauer mit Ecktürmchen und Torbau umgeben. Im Mittelalter war die geschlossene Festungsanlage nur von der Dorfseite her über eine Zugbrücke zu erreichen.

Berkach und Schwickershausen

Nach dem Besuch in Irmelshausen geht es nun weiter und wieder nach Thüringen über Behrungen und Berkach nach Schwickershausen, wo es ein weiteres Wasserschloss gibt. Kurz vor Behrungen passiere ich wieder einmal ein sogenanntes Deutsch-Deutsches Freilandmuseum mit original erhaltenen Grenzbefestigungsanlagen und einem alten Wachturm der DDR-Grenztruppen. Vor Berkach verpasse ich allerdings einen Abstecher zum jüdischen Friedhof und der dort 1991 wieder geweihten jüdischen Synagoge. Berkach selbst gefällt mir wegen seiner Fachwerkarchitektur. Das Wasserschloss in Schwickershausen ist vor dem Hintergrund des malerischen Wasserschlosses in Irmelshausen eher eine Enttäuschung. Das ist aber sicher ungerecht, weil wäre ich in umgekehrter Richtung gefahren, hätte ich seine Reize wohl eher würdigen können. So mache ich nur schnelle einige Fotos und fahre weiter.

Skulpturenpark Deutsche Einheit

Weiter geht es nun in Richtung Henneberg. Kurz vor Henneberg fahre ich dann vom Deutsch-Deutschen Radweg auf eine vielbefahrene Landstraße hinauf zum Skulpturenpark Deutsche Einheit. Ich war gespannt, was mich hier erwartet. Der Skulpturenpark liegt auf einer Anhöhe direkt auf der dem Streifen der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Der Künstler und Bauingenieur Jimmy Fell initiierte und konzipierte den Skulpturenpark auf der ehemaligen innerdeutschen Grenze zwischen Bayern und Thüringen, am einem ehemaligen Grenzübergang. Weitgehend von Fell selbst realisiert, verknüpft er die Barbarossa-Sage mit der europäischen Integration des demokratischen Deutschlands. Die Brücke über der Landesgrenze soll „innere Gräben“ überwinden. Man kann auch sagen Jimmy Fell hat sich hier ein eigenes Denkmal gesetzt. Dennoch hatten für dieses Projekt namhafte Politiker die Schirmherrschaft übernommen. Für das Denkmal für Einheit mit der Skulptur „Goldene Brücke“ übernahm Helmut Kohl die Schirmherrschaft, für das Denkmal für Freiheit mit der Skulptur „WIR SIND DAS VOLK“ war es der damalige Innenminister Lothar de Maiziere.

Ich muss zugeben, dass es mir recht schwer fällt, dem Skulpturenpark viel abzugewinnen. Während ich mich auf einen Stein setze und meinen mitgebrachten Proviant verzehre, überlege ich, was der Künstler uns eigentlich sagen will. Mir fällt aber nichts Konkretes darauf und dazu ein. Wahrscheinlich fehlt es mir wieder einmal an der notwendigen Phantasie bei der Interpretation von Kunstwerken.

Über Henneberg, Stedtlingen, Wilmars, Weimarschmieden nach Fladungen

Nach meiner Mittagspause geht es zurück auf den Deutsch-Deutschen Radweg. Zunächst fahre ich über Henneberg. Ich mache kurz Station an der Dorfkirche in Henneberg und versuche über booking.com ein Quartier in Fladungen zu bekommen. – Leider erfolglos. Es scheint alles ausgebucht zu sein, zumindest auf booking.com. Das erstaunt mich zwar, ist aber nicht zu ändern. Vielleicht bin ich dann vor Ort doch erfolgreicher. Weiter geht es nun über Hermannsfeld und Stedtlingen. Vor Hermannsfeld übersehe ich fast das von Gotthilf Fischer 1991 errichtete Weltfriedenskreuz. Der Leiter der Fischer-Chöre ließ solche Kreuze seit 1980 in Washington, Rom, Jerusalem, im Bregenzer Wald und in Rhens errichten. Das Kreuz hier in Hermannsfeld soll auch an die „Aktion Ungeziefer“ erinnern. Danach wurden 1952 mehre Tausend Menschen zwangsweise aus der Sperrzone ausgesiedelt. Mit der Zwangsaussiedlung von 18 Familien gehörte Hermannsfeld zu den DDR-Gemeinden, die am stärksten von der „Säuberung der Grenzkreise“ betroffen war. Der Begriff „Aktion Ungeziefer“ war zwar kein offizieller, aber wohl offiziell verwendetet Begriff der DDR-Verantwortlichen. Offiziell wurde wohl der Begriff „Festigung“ der innerdeutschen Grenze verwendet. Dennoch zeigt die Verwendung des Begriffs „Ungeziefer“, welche menschenverachtende Einschätzung hier gegen als „politisch unzuverlässig“ stigmatisierte Bürger zum Ausdruck kam.

Hinter Stedtlingen geht es dann wieder über die Landesgrenze nach Bayern und dann durch ein größeres hügeliges Waldgebiet über Wilmars, Filke und Weimarschmieden nach Fladungen am Fuße der Rhön. In Weimarschmieden komme ich am Gasthaus „Zur Weimarschmiede“, dem nördlichsten Gasthaus Bayerns vorbei. Ich überlege kurz, hier wegen einer Übernachtung nachzufragen, aber da es erst kurz nach 15 Uhr ist, beschließe ich doch weiterzufahren. Bevor man dann hinunter nach Fladungen fährt hat man einen wunderschönen Blick auf die Stadt und im Hintergrund auf die Rhön, die nun vor mir liegt.

In Fladungen erreiche ich den Marktplatz der Stadt, wo sich dann zu meiner Freude eine Ladestation für E-Bikes befindet. Der Akku meines E-Bikes ist durch die hügelige Streck doch schon ziemlich leer. Da ich nicht weiß, wo ich heute noch hin muss und vor mir immerhin der Anstieg auf die Rhönhöhen liegt, schließe ich erst einmal man E-Bike hier zum Aufladen an. Eventuell  muss ich ungünstigsten falls tatsächlich noch in die Rhön hinauf. Auch über google habe ich bei den Unterkünften wenig Glück. Dann schaue ich, ob es eine Touristeninformation gibt. Die gibt es zwar, ist auch gleich gegenüber auf der anderen Seite des Platzes. Laut google ist sie aber geschlossen. Vorsichtshalber, weil ich so gar nicht mehr weiter weiß, gehe ich doch mal vorbeischauen und siehe da, die Touristeninformation ist doch offen. Ich werde auch sehr freundlich empfangen und schildere dem Mitarbeiter mein Problem. Ihm fällt allerdings auch nichts anderes ein als die Sennhütte oben auf dem Kamm der Rhön unweit des Schwarzen Moores. Freundlicherweise ruft er dort für mich an und es ist auch noch ein Zimmer zu einem ordentlichen Preis verfügbar. So Freunde ich mich mit dem Gedanken an, nun doch noch auf die Höhen der Rhön zu fahren. Ich bedanke mich und beschließe, meinem E-bike noch eine halbe Stunde Ladezeit zu geben und mache eine kurzen Spaziergang durch das Zentrum von Fladungen.

Eine nette Episode zu Fladungen lese ich bei Wikipedia. Fladungen ist die nördlichste Stadt in Unterfranken. Der Ortsteil Leubach ist der nördlichste Ort im Freistaat Bayern. Er ist zudem mit 288 km der am weitesten von seiner Landeshauptstadt entfernte Ort in Deutschland. Mit Hannover, Magdeburg, Erfurt, Dresden, Stuttgart, Mainz, Wiesbaden, Saarbrücken und Düsseldorf liegen 9 deutsche Landeshauptstädte näher an Fladungen als die bayerische Landeshauptstadt München. Fladungen liegt im Tal der Streu, einem Nebenfluss der Fränkischen Saale.

Die Altstadt ist noch weitgehend mit einer Stadtmauer aus dem Jahr 1335 in ihrer ursprünglichen Höhe umgeben. Die Stadtmauer wurde damals mit fünf Türmen und 16 Reitertürmchen erbaut. Alle Türme in der Stadtmauer und die Reitertürmchen auf der Mauerkrone sind erhalten geblieben. Die Altstadt hat viele Fachwerkbauten. In der Altstadt steht auch das Fürstbischöfliche Würzburgische Amtshaus und die katholische Stadtpfarrkirche Sankt Kilian. Soviel nach einem kurzen Stadtrundgang. Gegen 16:30 Uhr mache ich mich dann auf meine heutige letzte Etappe. Es liegen acht Kilometer vor mir und es geht steil bergauf. Da ich keine Lust mehr habe, nur im Ecco-Gang zu fahren, drehe ich die Unterstützung ziemlich hoch. Die Steigungen machen nicht selten 10 Prozent aus und bei der Unterstützung bis in den Turbobereich sieht man den Strom förmlich aus dem Akku fließen. So komme ich sozusagen mit nur noch eine sehr geringen Restladung in der Sennhütte an. Das Zimmer dort ist nicht das schönste, aber es reicht für eine Nacht. Abendessen gibt es im Hotel und es ist auch ordentlich. So findet dieser Tag doch noch einen positiven Abschluss.

 

Schreibe eine Antwort

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.