Heute fällt zum ersten Mal seit über zwei Wochen wieder etwas Regen. Es sind Schauer, die aber zum Teil kurz und heftig herunterkommen. Auf meiner Tour finde ich aber meistens wieder Unterschlupf in den russischen Bushaltestellenhäuschen. Nur einmal werde ich ziemlich nass. Die Temperaturen haben sich inzwischen bei 21 Grad eingependelt. Zum Fahren ist das sehr angenehm. Ab morgen soll es aber wieder mit dem Regen vorbei sein und die Temperaturen auch wieder ansteigen. Mir ist das erst mal recht. Der Natur täte es freilich hier auch gut, wenn etwas mehr Regen fiele. Der Boden ist inzwischen schon so festgebacken, dass das Wasser kaum eindringt, sondern einfach abfließt. So bilden sich bei jedem Schauer sofort Rinnsale, die das Wasser in die Kanalisation leiten und Pfützen, in denen die Nässe bald verdunsten wird. Schauen wir mal wie sich das weiterentwickelt.

Meine heutige Etappe ist recht kurz. Gerade mal 34 Kilometer. Die Landschaft wird ländlicher und man bekommt auch einen ersten Eindruck vom ländlichen Leben. Natürlich ist hier vieles anders als in Sankt Petersburg. Man kann aber nicht sagen, dass sich auf dem Land nichts tut. So stehen inzwischen neben alten verfallenden Holzhäusern immer mehr neue Holzhäuser. Hier auf dem Land, scheint das Holz der wichtigste Baustoff zu sein, was ja angesichts der weiten Wälder auch kein Wunder ist.

Das interessanteste Erlebnis ist heute allerdings meine Unterkunft. Ich habe sie über booking.com für etwas über 20 € gebucht. Es heißt Elenas Homestay und ist sozusagen mit Familienanschluss. Es ist ein größeres Einfamilienhaus in einer Neubausiedlung wie wir sie auch kennen und wie es sie in Russland inzwischen auch recht häufig gibt. Hier sind sie aber umzäunt und sichtgeschützt. Wie bei uns wohnen hier zwar natürlich nicht die Superreichen aber doch Menschen, die es zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben. Elena, die wohl das homestay managt, spricht gut Deutsch. Sie hat es in der Schule gelernt und sie und ihr Mann haben viele Freunde in Deutschland, mit denen sie Kontakt hält, auch um ihr Deutsch nicht zu verlernen. Die Kinder sind inzwischen aus dem Haus und heute sind gerade zwei Enkelkinder zu Besuch. Elena und Sascha sind noch berufstätig. Sie haben einen kleinen Großhandel in Sankt Petersburg für das, was ich Grundnahrungsmittel nennen würde. Hier vertreiben sie Salz, Reis, Mehl usw.

Aber das Geschäft scheint sich nicht mehr zu lohnen, weil die vielen neuen Supermärkte die Preise so drücken. Deshalb erwägen sie das Geschäft aufzugeben und in Rente zu gehen. Sie wollen dann eventuell noch zwei Häuser bauen, um noch mehr Angebote für Touristen machen zu können. Da sie in der Nähe von zwei Eurovelos, nämlich dem EV 10, dem Ostseeradweg, und dem EV 13, dem Iron Curtain Trail, aber auch dem Europaradweg R 1 liegen, scheint der Bedarf auch durchaus gegeben und steigend zu sein. Elena meint, es kämen immer mehr Fernradler, insbesondere aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Elena hat einen schönen Flyer erstellt, der ihre ganzen Serviceleistungen aufzählt und die sind schon beträchtlich. Neben der Übernachtung bieten sie einen Bring- und Abholservice zum Flughafen, zur Fähre oder zum Radweg nach Helsinki, einen Verpackungsservice für Fahrräder, die im Flugzeug von Sankt Petersburg mit heimgenommen werden sollen, ferner geführte Tagestouren mit dem Auto und deutschsprachiger Begleitung und organisierte Tagestouren in das Stadtzentrum von Sankt Petersburg. Elena und Sascha scheinen ein Ehepaar mit viel Unternehmergeist zu sein.

Ich werde zunächst von Elena und später auch Sascha sehr freundlich empfangen. So kann ich gleich erst mal duschen, danach bekomme ich einen Kaffee und einen Borschtsch. Abendessen gibt es auch noch. Insofern ein tolles und interessantes Erlebnis. Sobald die Gespräche politisch werden, spürt man eine gewisse Zurückhaltung. Natürlich findet bei Elena und Sascha die geplante Rentenreform keine Zustimmung. Auch sonst hat man den Eindruck, dass sie sich politisch einiges anders vorstellen könnten. Wer kann das freilich in unserer heutigen Welt nicht? Wenn Putin in Sankt Petersburg weilt, haben sie übrigens einen ganz anderen Eindruck als wir ihn am Tag der Kriegsmarine hatten. Dann läuft nämlich nach ihrem Dafürhalten nichts mehr in Sankt Petersburg. Wahrscheinlich ist ihr Eindruck doch authentischer als unserer.

Ich bin sehr froh über dies Begegnung, lernt man doch Russland so erheblich besser kennen als nur durch Besichtigungen oder Radfahren.

Tagesdaten: 34,48 Km; 03:05:44 Std. Fz.; 11,14 Km/h; 210 Hm

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