In der Nacht war wieder ein Regengebiet über Ruse hinweggezogen. Aber schon nachdem ich das Frühstück beendet hatte, brach die Sonne wieder durch. Aber es war windig und wohl dadurch auch deutlich kühler als die letzten Tage. Gegen 10 Uhr kam ich los. Ruse hat übrigens durchaus ein gutes Radwegenetz. Ich hatte es gestern nicht erwähnt, weil ich da eine andere Perspektive hatte. Es ist zwar nicht mit unseren Großstädten vergleichbar, aber für Bulgarien sicher sehr gut. Denis sagte mir ja schon, dass die Bulgaren dem Fahrrad nicht soviel abgewinnen können wie beispielsweise die Deutschen. Die Zahl derer, die ich in Ruse mit einem Fahrrad sehe, ist auch durchaus überschaubar. Dennoch ist es begrüßenswert, dass hier die Innenstadtringe aber auch die Hauptausfallstraßen Radwege haben.

So fahre ich zunächst also durch Industrie- und Gewerbegebiete bis in die Nähe der Brücke der Freundschaft, die in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts gebaut wurde und bis vor zwei Jahren die Brücke bei Vidim dazukam die einzige Brücke über die Donau zwischen Bulgarien und Rumänien war. Da ich ja heute nicht nach Rumänien möchte, biege ich kurz vorher ab und fahre die nächsten 60 Kilometer weiter auf der Nationalstraße 21.

Über die Fahrt lässt sich nicht viel berichten. Es ist sozusagen Kilometerfressen. Nationalstraßen fahren ist sicher nicht das Highlight einer Radtour. Allerdings war der Lastwagenverkehr nicht ganz so intensiv wie vor drei Tagen als ich nach Ruse kam. Die Straße ist gut asphaltiert, so dass es auch von daher keine Probleme gibt. Erfreulich verändert sich die Landschaft hinter Ruse, insofern Hügel flacher werden, über weite Strecken ist es nur wellig. Weiter dominiert die Landwirtschaft. Die Rapsfelder werden jetzt richtig kräftig gelb und das Getreide ist noch nicht als solches erkennbar, aber die Felder strahlen ein saftiges Grün aus. Auch sieht man hier mehr Obstplantagen, wobei die Obstblüte inzwischen vorbei zu sein scheint. Auch die Ortschaften verändern sich. Ruinen sehe ich nur noch selten. Auch wenn die Farbe oft noch fehlt, sehen diese Ortschaften doch erheblich ansprechender aus als die im Nordwesten bis kurz vor Ruse. Das bestätigt auch Denis Einschätzung, dass der Nordwesten wohl tatsächlich das absolute Armenhaus Bulgariens ist. Dem Nordosten ginge es schon etwas besser. Weit besser wäre es natürlich in Sofia aber auch an der Schwarzmeerküste und im Süden Bulgariens.

So könnte ich eigentlich zügig vor mich hinfahren, mich daran erfreuen, dass die Strecke wenig Steigungen hat und einige Blicke in die Ferne genießen, wenn da der Wind nicht wäre. Er wird zunehmend stärker, kommt aus Nordosten, also genau aus der Richtung, in die ich fahre. Manchmal habe ich den Eindruck ich trete auf der Stelle. Mehr als 10 km/h sind meistens nicht drin. Der Wind kommt mir mit 30 bis 40 km/h entgegen. So brauche ich dann für die Fahrt statt 4 bis 5 Stunden über 6 Stunden. Leider werden dann kurz vor Tutrakan auch die Hügel wieder höher und um mich das spüren zu lassen, schickt mich dann mein Navi auch gleich in Tutrakan steile Berge hoch, weil das von mir gebuchte Hotel nicht direkt an der Donau, sondern wohl an der höchsten Stelle des Ortes liegt.

Der Empfang im Family Hotel Palermo war auch nicht gerade überwältigend. Erstens war wohl bisher noch niemand mit einem Fahrrad hier hoch gekommen. Deshalb wusste man erst einmal gar nicht, wohin damit. Nachdem dieses Problem dadurch gelöst wurde, dass das Fahrrad einfach in die Vorratskammer des Restaurants gestellt wurde, erfuhr ich, dass man mir ein Frühstück erst ab 10 Uhr anbieten könne, weil das Hotel erst dann öffne. Da wurde es mir zu viel und ich kündigte an, dass ich weiterziehen wolle. Gott sei Dank konnte ich noch 25 Minuten stornieren. Das tat ich dann bei booking.com und buchte auch schon ein anderes Hotel. Inzwischen hatte sich das Hotel es aber auch wohl anders überlegt und bot mir an, wenn ich die Stornierung zurücknehme, sie mir wie von mir gewünscht um 7:30 Uhr das Frühstück servieren würden. Da ich das gerade neu gebuchte Hotel auch noch stornieren konnte und natürlich nach der Tour auch keine große Lust verspürte, noch einmal zu wechseln, willigte ich also ein und blieb. – Nur: Was mache ich, wenn morgen früh niemand da ist? Den Hotelpreis habe ich schon mit dem Abendessen bezahlt. Aber man soll ja positiv denken. Deshalb gehe ich nun erst mal davon aus, dass man sich an die Versprechungen hält.

Tagesdaten: 63,71 km; 6:07:57 Std. Fz; 10,38 km/h; 314 Hm

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