16. Tag (19. August 2019) – Wolgast – Peenemünde

Natürlich fühle ich mich noch etwas schwach und schlapp. Mit meinem Vermieter kläre ich, dass ich doch noch zwei Tage länger in meiner Strandkoje bleiben kann. Ich habe also noch zwei Tage Zeit, wieder zu Kräften zu kommen. Da in den Strandkojen derzeit noch keine Kartenzahlung möglich ist, nehme ich dies als willkommene Gelegenheit, meine Verfassung zu testen und nach Wolgast zu fahren, weil dort ein Geldautomat meiner Bank ist. Mal sehen wie ich die neun Kilometer dorthin verkrafte.

Das schöne Wetter trägt sicher dazu bei, dass ich die Fahrt als angenehm empfinde. In Wolgast angekommen, fühle ich auch wieder mehr Energie und beschließe, mir endlich einmal die Petrikirche anzuschauen. Wolgast war von 1295 bis 1625 nach Teilung des Herzogtums Pommern in Pommern-Stettin und Pommern-Wolgast Sitz der Herzöge der Wolgaster Linie. Leider ist das Residenzschloss, das einer der bedeutendsten norddeutschen Renaissancebauten gewesen sein soll, bei einem Beschuss durch brandenburgische Truppen weitgehend zerstört worden und schließlich wurde die Ruine im 19. Jahrhundert dadurch beseitigt, dass sie als Steinbruch benutzt wurde. Heute weist lediglich eine Informationstafel noch auf den Standort des Schlosses auf einer kleinen Insel zwischen der Stadt Wolgast und Usedom hin.

Die Petrikirche war daher auch Herzogskirche und enthält auch eine Gruft und eine Grabkapelle, die sogenannte Greifenkapelle, der Herzöge von Pommern. Besonders sehenswert in der Petrikirche ist sicher der Wolgaster Totentanz, eine 24 bildrige Totentanzdarstellung, die um 1700 von dem Reeder und Maler Caspar Siegmund Köppe angefertigt wurde. Die Bilder sind eine freie Nachahmung der Holzschnittserie von Hans Holbein dem Jüngeren aus dem Jahre 1538. Sie haben aber meines Erachtens durch ihre Farbigkeit eine viel lebendigere Ausstrahlung als Holbeins Totentanz. Die Bildserie ist – wie auch für andere Totentanzdarstellungen üblich – Ausdruck einer etwas makabren und zum Teil humorvollen Phantasie. Sie zeigen den Alltag um 1700, aber auch Ansätze von Sozialkritik und erzeugen ein Bewusstsein für die Gleichheit aller Menschen vor dem Tod.

Vor dem Totentanz verweile ich ziemlich lange, aber der Detailreichtum ist kaum vollständig zu erfassen. Interessant ist auch die Greifenkapelle mit den Särgen von Herzog Philipp I. und seiner Frau Maria von Sachsen. Die gesamte gegenüber dem Zugang liegende Wand wird von einem Teppich beherrscht der die Hochzeit des Fürstenpaares darstellt, die Martin Luther 1536 als erste evangelische Hochzeit eines pommerschen Fürstenpaares zelebrierte. Sehenswert sind auch noch die mittelalterlichen Gewölbemalereien im Chorumgang.

Nachdem ich mir die Kirche recht intensiv angeschaut und studiert habe und sogar den Turm bestiegen habe, mache ich noch einen kleinen Gang über den Rathausplatz und zur nahe gelegenen Schlossinsel. Inzwischen fühle ich mich doch wieder recht fit und radle von daher schon recht frohgemut nach Trassenheide zurück in meine Strandkoje.

Nachmittags fahre ich noch einmal Richtung Peenemünde, weniger um mir etwas Konkretes anzuschauen, sondern einfach um etwas in Bewegung zu bleiben. Ich fahre noch einmal am Flugplatz vorbei, besichtige den als Marina neugestalteten Nordhafen, verschnaufe in einem der neuen Cafés am Haupthafen und trinke in Nachbarschaft des sowjetischen U-Boots, das hier vor Anker liegt und inzwischen zum Museum hergerichtet wurde, einen Cappuccino. Ich genehmige mir sogar ein Eis und kann feststellen, dass auch dieses wieder verträglich ist. So habe ich es heute doch schon wieder auf 50 Kilometer mit dem Fahrrad gebracht und denke, dass ich dann am Mittwoch meine Rückfahrt angehen kann.

Tagesdaten: 53,2 Km; 03:59:19 Std. Fz.; 13,33 Km/h; 141 Hm

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