23. Tag (30. September 2021): Von Wloclawek (Leslau) nach Torun (Thorn)

Beim Blick aus dem Fenster heute Morgen ist der Himmel grau und bedeckt. Im Laufe des Tages wird er sich aber wieder aufheitern und so wird es insgesamt wieder ein recht schöner Tag. Nach einem sehr schönen Frühstück mit einem üppigen Buffet mache ich mich auf den Weg. Auch heute ist die Fahrt nicht besonders spannend, sieht man davon ab, das es einmal einen kleinen Höhenzug von etwa 25 Höhenmetern zu passieren gilt. Ansonsten kann ich mich über einige Sand- und damit Schiebepisten ärgern, aber das nützt ja auch nichts. Der einzige Ort, den ich auf dem Weg nach Torun durchfahre, ist Nieszawa. Nieszawa mit seinen knapp 2.000 Einwohnern wäre eigentlich nicht weiter erwähnenswert, wenn er nicht im Jahr 1422 kurzzeitig internationale Bedeutung erlangt hätte, als der Deutsche Ritterorden, der seit 1226 in Ostpreußen, Livland (im heutigen Lettland), Teilen Estlands und dem nördlichen Polen ein großes Reich erobert hatte, laut dem Frieden von Melnosee nach langen Verhandlungen u. a. Nieszawa an das Königreich Polen abtreten musste. Hier setzte sich der weitere Niedergang des Deutschen Ritterordens nach der 1410 verlorenen Schlacht bei Grunwald fort. Bedeutender für Polen selbst war freilich das in diesem Ort gewährte und von König Kasimir IV. vor einem weiteren Krieg mit dem Deutschen Orden 1454 bestätigte Statut von Nieszawa, das dem polnischen Adel weitere Privilegien einräumte. Im Text für Großpolen verpflichtete sich der König unter anderem, nur nach Zustimmung der Landschaftsversammlungen neue Gesetze zu erlassen und das Ritterheer einzuberufen. Das Privileg für Kleinpolen festigte die Stellung des Adels, indem es die Leibeigenschaft der Bauern verschärfte, die 1453 erlassenen Judenrechte wieder aufhob, die Zuständigkeit der adligen Landgerichte für die Stadtbürger erklärte, den Landschaften ein Mitwirkungsrecht bei der Wahl der Gerichtsbeamten einräumte und die Salzsteuer abschaffte. Die Statuten von Nieszawa öffneten den Weg zur Bildung des Zweikammersystems und damit zur polnischen Adelsdemokratie. Diese wurde dann endgültig erreicht als König Johann Albrecht 1496 einen einheitlichen, ganz Polen umfassenden Text der Statuten beschwor.

Ansonsten gibt es über den Weg nach Torun wirklich nicht viel zu berichten, außer dass er wegen der Sandstrecken recht beschwerlich ist und das bestätigt, was ich schon auf meiner letzten Reise durch Polen feststellen musste, dass in Polen ausgewiesene Radwege nicht unbedingt fahrradtauglich sein müssen. Am Nachmittag erreiche ich Torun. Ich habe mich im Motel Tower gegenüber dem Bahnhof auf der linken Weichselseite einquartiert, weil die Preise in der am rechten Ufer gelegenen Altstadt am Wochenende in eine Höhe geschnellt sind und ich sie meinem Budget doch nicht antun wollte. So bleibe ich auch nur zwei Nächte in Torun, obwohl ich ursprünglich drei geplant hatte. Das Motel Tower macht einen recht urigen Eindruck, ist aber bei genauerer Betrachtung recht schmuddelig. Mein Zimmer ist aber recht groß und geräumig. Das Bett ist leider sehr durchgelegen und verspricht wenig Bequemlichkeit. Nachdem, ich mich eingerichtet habe, mache ich mich zu Fuß auf den Weg in die Altstadt von Torun.

Tagestrecke: 61,01 Km

 

 

Spaziergang durch Torun

Der Weg in die Altstadt ist etwa 2,5 Kilometer, wovon man die Hälfte der Strecke über die Brücke geht, auf der ich schon einen schönen beginnenden Sonnenuntergang über der Weichsel bewundern kann. Mein Weg führt mich dann in die Altstadt zum Rynek mit dem sehr typisch für viele polnische Städte in der Mitte stehenden Altstädtische Rathaus. Davor befindet sich in Thorn das Denkmal für Nikolaus Kopernikus, den sicher bedeutendsten Sohn der Stadt. Das Rathaus in Thorn soll übrigens Vorbild für das Rote Rathaus in Berlin gewesen sein. Nachdem ich mich am Marktplatz umgeschaut habe, mache ich noch einen kurzen Besuch in der noch geöffneten Marienkirche, die eine höchst wechselvolle Geschichte aufweist. Die Kirche war Bestandteil des Franziskanerklosters Thorn, das um 1239 in der gerade entstandenen Stadt gegründet worden war. Von der ersten Kirche sind noch Reste vorhanden. Im späten 13. Jahrhundert wurde mit einem Neubau begonnen, der im 14. Jahrhundert abgeschlossen wurde. Seit 1557 war die Marienkirche die wichtigste Kirche des Protestantismus in Polen. 1724 wurde sie nach den Unruhen in der Stadt als Akt der Strafe enteignet und an den katholischen Orden der Bernhardiner, ein Reformorden der Franziskaner, der eigens dafür in Thorn angesiedelt wurde, übergeben. Dieser entfernte die 160 Jahre zuvor für den evangelischen Gottesdienst entworfene Ausstattung und gestaltete die Kirche im Sinne der Gegenreformation um. Der Bernhardinerorden nutzte die Kirche bis 1821. Seit 1830 ist die Kirche eine römisch-katholische Pfarrkirche. Die Innenausstattung wurde im 18. Jahrhundert barock umgestaltet. Bemerkenswert sind Wandmalereien von etwa 1380 mit Heiligendarstellungen. Das Chorgestühl ist aus dem 15. Jahrhundert. Der Hochaltar wurde im 18. Jahrhundert angefertigt.

Nach dem Besuch der Marienkirche mache ich noch einen Besuch in der ebenfalls am Altmarkt gelegenen Heilig-Geist-Kirche. Sie ist ein  dreischiffiges spätbarockes Bauwerk und war ehemals die evangelische Stadtpfarrkirche. Wegen der städtischen Auflagen wurde der Kirchturm erst Ende des 19. Jahrhunderts neobarock ergänzt. Seit 1945 ist die Kirche im Besitz der Jesuiten. Nach dem Besuch der beiden Kirchen verspüre ich dann doch einen ziemlichen Appetit und Hunger und mache mich auf die Suche nach einem meinen Wünschen entsprechendem Restaurant. Das ist in der Altstadt von Thorn insofern schwierig, weil man die Qual der Wahl hat. Schließlich werde ich in der Pierogarnia Stary Torun (Alte Pierogeria Thorn) fündig, weil es hier nicht nur Piroggen, sondern auch köstlich aussehende Reibekuchen gibt. So lasse ich es mir bei einer sauren Roggensuppe mit hausgemachten Würstchen, Eiern, Kartoffeln und Speck sowie Reibekuchen mit Champignons und einem zünftigen Bier schmecken.

So gesättigt mache ich noch einen Rundgang durch die Altstadt. Inzwischen ist es dunkel geworden und die Altstadt strahlt damit einen besonderen Reiz aus. Es herrscht ein buntes und turbulentes Treiben, aber da ich ja noch einmal auf die andere Seite der Weichsel muss, mache ich mich doch bald auf den Rückweg. Im Dunkeln einsam über eine etwa einen Kilometer lange Brücke zu gehen, ist mir doch immer etwas unheimlich, vor allem weil ich bei den meisten Brücken die Befürchtung habe, dass sie gerade dann, wenn ich drüber laufe, einstürzen könnten. So bin ich aber zumindest teilweise beruhigt als mir doch einige Menschen entgegenkommen. Unterwegs fällt mir auf, dass es unweit von meinem Motel eine Stelle geben müsste, von der man einen wunderschönen Blick über die Weichsel auf die Altstadt haben müsste. So erkunde ich diesen Weg, der aber nun auch noch durch ein dunkles Waldstück führt. Meine Angst wird aber belohnt, als ich am Ufer der Weichsel stehe und einen phantastischen Blick auf die Altstadt von Thorn habe. Hier mache ich natürlich mehrere Fotos und suche das schönste für diese Seite aus. Damit endet der Tag und ich wandere zurück ins Motel.

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