10. Tag (16. Oktober 2019): Windhoek

Heute geht es nach Windhoek, die Hauptstadt Namibias. Fast 400 Kilometer liegen wieder vor uns und Spektakuläres scheint nicht auf dem Weg zu sehen zu sein. Butz schlägt dann eine etwas andere Route vor als die in unserem Reiseplan angegebene. Es geht auf der C 24 bis nach Rehoboth wieder über 300 Kilometer Schotterstrecke. Aber wir haben uns inzwischen an die Straßenverhältnisse gewöhnt.

Gegen Mittag, nach etwa 250 Kilometern, machen wir Halt bei Conny´s Coffee Shop in Klein Aub. Hier hat uns Butz wohl bereits angemeldet. Klein Aub soll etwa 3.000 Einwohner haben. Davon sieht man wenig. Der Coffee Shop wirkt sehr entlegen. Hier ist auch keine Conny Inhaberin, sondern Günther Martens, ebenfalls ein deutschstämmiger Namibier, der aber viele Jahre als Chauffeur bei einer renommierten Familie in Hamburg gearbeitet hat. Doch Günther liebte den Großstadtrummel nicht und es zog ihn offensichtlich zurück nach Namibia. 2017 übernahm er dann das Restaurant und eröffnete abseits jeglichen Trubels sein Kaffeespezialitätengeschäft. Er lebt wohl von vorbeifahrenden Reisegruppen wie der unseren, die er mit Bobotie und anderen Speisen versorgt, die im Freien in seinem Sonnenofen zubereitet werden. Aber seine Spezialität ist der Kaffee, den wir nun auch verkosten können, bevor wir zum Mittagessen mit Bobotie gebeten werden. Während der Kaffee mich nicht besonders anmacht, ist das Bobotie köstlich.

Nach etwa anderthalb Stunden geht es weiter. Bei Rehoboth geht es auf die asphaltierte B 1, die uns nach etwa 90 Kilometern nach Windhoek führt. Hier haben wir als erstes einen Termin in der Township Katutura, was in der Sprache der Hereros sinngemäß „der Ort, wo wir nicht leben wollen“ bedeutet. Bei der Durchfahrt durch diese Township habe ich ein großes Verständnis für diese Namenswahl. Unser Ziel ist hier die Fraueninititive Penduka (http://penduka.com), die offensichtlich von Pack Safari, unserem namibischen Subunternehmer, gefördert wird. Penduka ist eine nichtstaatliches soziales Entwicklungs- und Ausbildungsunternehmen für benachteiligte Frauen in Namibia. Durch Training sollen die Frauen einkommensschaffende Aktivitäten entwickeln. Hier hätte ich mir im Vorfeld gerne ein paar mehr Informationen gewünscht. So steht in unserem Reiseplan zwar, dass man hier „genauere Vorstellungen von der ehemaligen Apartheidpolitik“ erhält und im Gespräch erfährt, „was die Frauen hier bewegt“. Davon konnte leider keine Rede sein. So haben wir uns lediglich angeschaut, was die Frauen im Produktionsbereich schufen. In einem Raum wurde Geschichten-Stickerei vorgestellt, in einem anderen afrikanische Batik hergestellt, in einem dritten Recycling-Glasperlen gefertigt und im vierten Raum getöpfert. Durch eine Ausbildung können die Frauen selbst Kleinunternehmerinnen oder Teil des Penduka Teams werden und dadurch Einkommen erwerben. Schließlich besuchen wir noch den Shop, wo die erstellten Produkte zum Kauf angeboten werden. Heidrun erwirbt ein Stoffpuppe für unsere Enkelin.

Ich verlasse diesen Ort etwas unzufrieden, weil ich denke, dass die Initiative schon wert gewesen wäre, sich etwas näher mit ihr zu befassen. Leider war hier einmal wieder die Sprachbarriere die erste Hürde, die nicht genommen werden konnte. So fahren wir nun in das moderne Windhoek und kommen über die Bahnhofsstraße zum Bahnhof. Das heutige Empfangsgebäude des Bahnhofs wurde 1912 eingeweiht. Es wurde im wilhelminische Stil mit Jugendstilelementen von der deutschen Kolonialmacht in Deutsch-Südwestafrika erbaut. Wir machen einen kurzen Rundgang und erfreuen uns vor allem an einem Fotoshooting mit einem sehr attraktiven schwarzen Model vor dem Hintergrund eines alten hölzernen Eisenbahnwagons wie sie vor dem Bahnhof aufgestellt sind. Natürlich haben wir nicht gewagt, selbst diesen wirklich reizvollen Anblick zu fotografieren.

Obwohl nur 3,4 % der Bevölkerung Englisch als Muttersprache sprechen, wurde nach der Unabhängigkeit Englisch als „neutrale“ Weltsprache zur Amtssprache in Namibia. Hintergrund war, keine der Bevölkerungsgruppen durch alleinige Verwendung ihrer Sprache zu bevorzugen und damit neue Konflikte heraufzubeschwören. Dennoch haben noch viele Straßen die deutschen Namen behalten. Das liegt auch daran, das neben der Amtssprache Englisch eine Reihe weiterer Sprachen als sogenannte Nationalsprachen eine bevorzugte Stellung genießen. Dazu gehört auch die deutsche Sprache. Bis 1990 führte die Hauptmagistrale von Windhoek übrigens noch den Namen Kaiser-Wilhelm-Straße. Heute führt sie den sicher zeitgemäßeren Namen Independence Avenue. Eine Bismarckstraße gibt es aber immer noch. Aber auch eine Fidel Castro Street und eine Robert Mugabe Avenue. So erzählen die Straßennamen in Windhoek viel über die jüngere Geschichte Namibias in den letzten 150 Jahren.

Butz fährt uns nun zur evangelischen Christuskirche im Zentrum der Stadt, wo es einen guten Parkplatz gibt, und lässt uns etwa eine Stunde, um die Sehenswürdigkeiten der Umgebung anzuschauen. Windhoek ist nicht sonderlich reich an Sehenswürdigkeiten. Insofern braucht man auch nicht allzu viel Zeit dafür einzuplanen. Butz empfiehlt uns aber zum Restaurant des gegenüberliegenden Unabhängigkeitsmuseums hinaufzufahren, weil man von dort oben einen sehr schönen Blick auf die Stadt habe. Heidrun und ich sind die ersten, die sich auf den Weg machen. Die anderen schauen sich noch holzgeschnitzte Schlüsselanhänger an, die von schwarzen fliegenden Händlern angeboten werden.

Vom Restaurant des Unabhängigkeitsmuseums, dessen Besuch wir mit der Bestellung von je einer Cola rechtfertigen, hat man dann wirklich einen sehr guten Blick auf das moderne Windhoek, in dem sich aber immer wieder versprengt auch Gebäude aus der deutschen Kolonialzeit finden. Als erstes hat man natürlich von hier oben einen sehr schönen Blick auf die neoromanische Christuskirche, die in den Jahren 1907 bis 1910 errichtet wurde. Dann schweift der Blick nach rechts über den Sitz des Parlaments von Namibia. Das Gebäude wurde in den Jahren 1912-1913 als Verwaltungsgebäude der Deutschen Regierung errichtet und trägt seitdem die spöttische Bezeichnung „Tintenpalast“. Auf der anderen Seite schaut man dann direkt auf die Alte Feste der Deutschen Schutztruppen hinunter, auf deren Innenhof nun das überall mit Wegweisern noch ausgewiesene Reiterstandbild versteckt wurde, dass einst an der Stelle stand, wo heute das  Unabhängigkeitsmuseums steht. So ist das Unabhängigkeitsmuseum ohnehin das wohl umstrittenste Gebäude in Windhoek und zusammen mit der Umsetzung des Reiterstandbildes erzählt es schon, wie wenig aufgearbeitet die Geschichte Namibias noch bei ihren Bürgern ist und dass man von einer gemeinsamen Identität weit entfernt ist.

Über den Bau des Museums waren wohl die meisten Namibier schon deshalb verärgert, weil der Auftrag an ein nordkoreanische Bauunternehmen ging, dass das neue Museum sowohl plante als auch baute. Angesichts einer Arbeitslosigkeit in Namibia, die offiziell schon über 20 Prozent liegt und tatsächlich auf über 50 Prozent geschätzt wird, findet es natürlich wenig Verständnis, dass die Regierung noch nicht einmal bei staatlichen Baumaßnahmen versucht hat, dem entgegenzuwirken. Das galt nicht nur für das Unabhängigkeitsmuseum, sondern auch für das sogenannte State House, dem Amts- und Wohnsitz des Präsidenten von Namibia und dem Sitz der namibischen Regierung, sowie für den sogenannten Heldenacker, ein offizielles Kriegsdenkmal der Republik Namibia. Alle drei Bauwerke wurden ohne Ausschreibung mit der Begründung an das nordkoreanische Unternehmen vergeben, weil kein namibisches Unternehmen die technischen Möglichkeiten für ein solches Projekt habe. Die Öffentlichkeit wurde auch im Übrigen nicht über das Projekt informiert. Die Geschichte dieser Projekte deutet nicht gerade auf einen sensiblen Umgang der Regierenden mit der eigenen Bevölkerung hin.

Eine weitere Kontroverse löste die Umsetzung des Reiterdenkmals aus, das 1912 an der Stelle errichtet wurde, wo heute das Museum steht. Es war dem Andenken der deutschen Krieger gewidmet, die bei der Niederschlagung des Aufstandes der Herero und Nama 1903 bis 1907 gefallen waren. Diese Denkmal war natürlich nach der Unabhängigkeit immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen, weil es wohl nicht unberechtigt als Sinnbild der deutschen Kolonialzeit angesehen wird. Das Denkmal wurde 2009 abgebaut, als mit dem Neubau des Unabhängigkeitsmuseums begonnen wurde. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt den rechtlichen Status eines Nationaldenkmals hatte, sollte es abgerissen und vernichtet werden. Der Deutsche Kulturrat hat unter Hinweis auf den rechtlichen Status als Nationaldenkmal dann einen Umzug auf eigene Faust initiiert und organisiert. Nun wurde das Reiterdenkmal 2010 100 Meter weiter südlich vor dem Haupteingang der Alten Feste wiedererrichtet.

Aus Anlass des Heldentages am 26. August 2013 hat der damalige Staatspräsident Pohamba den endgültigen Abbau des Reiterdenkmals empfohlen. Es wird überliefert, dass er dies auch damit begründet habe, dass es ihm nicht zumutbar sei, an diesem Denkmal des Unrechts, dass die deutschen Kolonialherren den Schwarzen in Namibia angetan haben, jeden Tag vorbeizufahren. Am damaligen Standort des Reiterdenkmals sollten zwei Statuen durch das bereits bekannte nordkoreanische Bauunternehmen errichtet werden, die den Kampf der Schwarzen gegen die deutschen Kolonialherren würdigten. Nun sollte das Reiterstandbild in den Innenhof der Alten Feste verschwinden und sein rechtlicher Status als Nationaldenkmal aberkannt werden. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde das Reiterstandbild am Abend des 25. Dezember 2013 unter strengen Sicherheitsmaßnahmen erneut abgebaut und im Innenhof der Akten Feste mehr oder weniger abgestellt und durch Stangen gestützt, damit es nicht umfällt. Es sollte nun nur noch als einfaches Museumsstück gesehen werden. Die Gedenkplatte wurde dabei beschädigt und der Sockel vor der Feste zerstört. Am 1. September 2014 wurde diese Aktion, die erhebliche Verbitterung wohl nicht nur bei den deutschstämmigen Namibiern auslöste, durch den Namibischen Denkmalrat bestätigt. Gleichzeitig wurde die Alte Feste, die als Nationalmuseum diente, geschlossen und sollte für 50 Mio. N$ saniert werden. Mit der Sanierung ist bis heute noch nicht begonnen worden.

Dass dieses Reiterstandbild bei vielen schwarzen Namibiern als Provokation angesehen werden musste, ist aber verständlich, weil es immerhin dem ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts huldigte. So erhoben sich zwar die Hereros und Nama 1904 gegen die deutsche Kolonialmacht. Der Aufstand war aber durch Existenzängste geschürt und weil sich die Deutschen nicht an Vereinbarungen mit den Hereros hielten und sie auch immer wieder über den Tisch gezogen hatten, in dem sie beispielsweise bei den Vereinbarungen für die ersten Landüberlassungen die nur Meilen vereinbarten, die die Nama als englische Meilen von 1,6 Km interpretierten und die Deutschen als deutsche Meilen von 7,6 Km. Der Aufstand führte dazu, dass die deutsche Schutztruppe mit dem erklärten Willen auszog, das Volk der Hereros und Nama auszulöschen. Man muss davon ausgehen, dass die deutsche Schutztruppe damals 40 bis 60 Tsd. Herero sowie 10. Tsd. Nama umgebracht bzw. in den Tod getrieben haben. So flohen die Hereros nachdem sie geschlagen worden waren in die Omaheke-Wüste im Westen des heutigen Namibias. Aus dieser wurden sie von den deutschen Schutztruppen nicht mehr herausgelassen und es wurde verhindert, dass sie an die Wasserstellen herankamen.  Von den ursprünglich auf 60 bis 80 Tsd. geschätzten Hereros und Namas blieben nur noch 20 Tsd. am Leben (vgl. dazu den lesenswerten Artikel bei Wikipedia „Völkermord an den Herero und Nama“ https://de.wikipedia.org/wiki/Völkermord_an_den_Herero_und_Nama). Leider bekommt man über dieses dunkle Kapitel der deutschen Kolonialgeschichte keine Informationen auf unserer Reise.

Nach unserer kurzen Besichtigungstour geht es nun in unser heutiges Domizil, das Windhoek Gardens Boutique Hotel (https://www.windhoekgardens.com/), das im Herzen von Windhoek liegt. Die Zimmer sind ordentlich und auch das WLAN funktioniert hier etwas besser als in den bisherigen Unterkünften. Für den Abend hat Butz vorgeschlagen, dass wir mit einem Großraumtaxi in das Joe´s beerhouse (https://www.joesbeerhouse.com/) fahren. Die Gaststätte war relativ groß, aber durch ihre vielen kleinen rustikalen Séparées doch recht gemütlich. Leider konnten wir als Gruppe nicht an einem Tisch zusammensitzen, weil die Lokalität von Touristen sehr gut besucht und daher voll war. Insgesamt war die Mehrheit mit der Wahl ihres Essens zufrieden, nur Heidrun und Gabi, die sich für Salat entschieden hatten, waren nicht so überzeugt von ihrem Essen. Interessant fanden wir, dass einige unserer Reisegruppe vor dem Gaststättenbesuch noch Geld holen wollten und sie aus Sicherheitsgründen dabei von einem Securitymann dahin begleitet wurden.

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