03. Juli 2017: Vom Fichtelberg nach Wolkenstein – 58,11 km, 656 Höhenmeter

Schon lange steht diese Tour auf meinem Programm. Erstens liegen auf der Strecke einige der schönsten Schlösser und Burgen hier in Sachsen und zweitens verspricht das Zschopautal auch einen interessanten Blick in die Wirtschaftsgeschichte Sachsens. Ausgangspunkt meiner Tour ist Oberwiesenthal bzw. der Fichtelberg, wo der Radweg beginnt, weil die Zschopau am Nordhang des Fichtelbergs entspringt.

Die Bahnfahrt nach Oberwiesenthal erwies sich als etwas beschwerlich. Normalerweise braucht man mit zweimal Umsteigen in Chemnitz und Cranzahl ca. 3 Stunden mit der Bahn nach Oberwiesenthal. Zurzeit braucht man fünf Stunden, weil auf der Strecke Leipzig – Chemnitz gebaut wird und der Schienenersatzverkehr keine Fahrräder mitnimmt. So musste ich über Riesa nach Chemnitz fahren und dreimal umsteigen. Ich wollte um 6 Uhr von Leipzig losfahren, erreichte aber noch den Zug von 5 Uhr, der erst mit 40 Minuten Verspätung abfuhr. Das entspannte meinen Umstieg in Riesa, der sich nun von 4 Minuten auf 25 Minuten verlängerte. Auch ansonsten lief die Fahrt überraschend problemlos. Interessant ist immer wieder die Fahrt mit der Schmalspurbahn von Cranzahl hinauf nach Oberwiesenthal. Für die 11 Kilometer braucht der noch von einer Dampflokomotive gezogene Zug etwas mehr als eine Stunde. Dennoch hat diese 1897 eingeweihte Strecke auch wirtschaftlich eine gewisse Bedeutung dadurch erlangt, weil sich dadurch der Tourismus nach Oberwiesenthal deutlich verstärkte. Allerdings erfüllte die Strecke wohl nie die Erwartungen, denn sie blieb ein Zuschussgeschäft, weil sich der lukrative Ausflugsverkehr auf eine kurze Zeit im Jahr beschränkte.

Dennoch überstand die Schmalspurbahn mehr oder weniger unbeschadet bis 1990. Danach wurde sie privatisiert und als Fichtelbergbahn weitergeführt. Dabei hat die Strecke heute besonders einen touristischen Reiz. Am Bahnhof Oberwiesenthal stärke ich mich erst einmal mit einer Bratwurst. Dann geht es hoch zum Fichtelberg. Mein Navi weist eine Strecke von 2,6 Kilometern aus, die sich aber als zu steil entpuppt und über recht holprige Feldwege führt. Ich nehme dann eine etwas längere und asphaltierte Alternativstrecke. Anstrengend bleibt es trotzdem und einige Male muss ich absteigen und schieben. Immerhin sind noch einmal 300 Höhenmeter zu bewältigen. Schließlich erreiche ich um die Mittagszeit das Fichtelbergplateau. Hier tummeln sich hunderte von Touristen, die aber zum Teil mit der Schwebebahn von Oberwiesenthal hier heraufgekommen sind. Aber auch viele Wanderer und einige Radfahrer sind hier hochgekommen. Nicht zuletzt als mit 1215 Metern höchster Berg Ostdeutschlands ist der Fichtelberg ein Touristenmagnet.

Als ich mich so auf dem Plateau des Fichtelbergs umschaue spricht mich eine Frau an und bekundet ihre Überraschung mich hier zu sehen. Es ist eine ehemalige Mitarbeiterin und Kollegin. Sie ist im Personalrat und wir hatten uns selten Freundlichkeiten zu sagen. Nun erzählt sie mir euphorisch von ihrem großen Respekt für das, was ich nach meinem Ausscheiden so mache und dass sie meine Touren auch auf meiner Webseite verfolge. Sie ist mit ihrem Enkel hier oben. Wir halten ein wenig small talk. Ich erzähle, was ich so vorhabe. Schließlich verabschieden wir uns freundlich voneinander.

Dann mache ich mich bald auf den Weg. Das Wetter ist ordentlich, heiter bis wolkig und hier oben etwas kühl. Das wird sich aber sicher ändern, wenn man weiter unten ist. Der Zschopautalradweg führt auf den ersten Kilometern auf dem Zschopautalwanderweg entlang. Das wird sich auch noch häufiger wiederholen. Dies sind dann die Teilabschnitte, die nicht auf asphaltierten Straßen oder Wegen führen, sondern auf Wald- und Feldwegen. Die ersten Kilometer geht es also auf einem Waldweg am Nordhang des Fichtelberges recht steil nach unten. Etwa 100 Meter unterhalb des Gipfels beginnt das Zschopauquellgebiet. Eine ausgewiesene Quelle scheint es nicht zu geben. In 1060 Metern gibt es dann am Wegesrand einen kleinen überdachten hölzernen Rastplatz, der als Zschopauquellhütte firmiert. Daneben rinnt ein kleines Bächlein den Berg hinunter. Da die offiziellen Angaben zur Quellhöhe zwischen 1070 und 1125 Metern schwanken, muss der Rastplatz also kurz unterhalb der Quelle liegen. Weiter geht es dann vorbei am Schwarzen Teich, in den die Zschopau schon als Bach hinein- und auch wieder herausfließt, bis der Weg dann auf die von Oberwiesenthal kommenden Zschopaustraße mündet, die entlang der Zschopau nach Crottendorf und dann auf der Annaberger Straße nach Schlettau führt.

Schlettau war wohl im Mittelalter eine wichtige Kreuzung zwischen der Alten Salzstraße und der sich durch das Erzgebirge ziehenden Silberstraße. Hier befindet sich auch das erste Schloss auf meiner Tour entlang der Zschopau. Es steht nicht an exponierter Stelle, sondern mitten im Ort umgeben von einem schönen Park mit zwei Teichen. Man erkennt sofort, dass hier in den letzten Jahren viel an Restaurations- und Sanierungsarbeit geleistet wurde. Sehr schön ist die Periodeneinteilung, die ich auf einer Informationstafel an dem Schloss Schlettau finde. Man unterscheidet dort zwischen einer Besiedlungsperiode, der Schönburger Periode, der Grünhainer Periode, der Jagd- und Forstperiode, der industriellen Periode und der Museumsperiode. Didaktisch ist das eine der besten Zusammenfassungen einer Schlossgeschichte, die ich bisher gesehen habe. Sie verliert sich nicht in Details, sondern fasst zusammen, was zusammengehört. Im 13. Jahrhundert wird die Gegend von einem Günther von Crimmitschau besiedelt und es werden der Wohnturm und der heutige Schlosshof errichtet. Wer die Hebammenbücher von Sabine Ebert kennt, wird sich hier sofort an die Besiedlung von Freiberg erinnern.

Im 14. Jahrhundert wird Bernhard von Schönburg vom böhmischen König mit der Herrschaft Schlettau belehnt. Der Schlettauer Winkel gehört zu dieser Zeit zu Böhmen. Es beginnt der Bau der Burg mit Palas, Ringmauer und Wehrturm. Einer der Nachfolger des ersten von Schönburg verkauft Ende des 14. Jahrhunderts die gesamte Herrschaft aus Geldnot an das ebenfalls im Erzgebirge gelegene Zisterzienserkloster Grünhain. Einer der Äbte lässt die Burg als seine Residenz zum Schloss um- und ausbauen. Nach der Reformation wird das Kloster Grünhain aufgelöst und das Schloss geht in den Besitz des Kurfürstentums Sachsen über. Kurfürst August nutzt das Schloss als Jagdresidenz, im 30-jährigen Krieg wird Schlettau und das Schloss durch durchziehende Truppen mehrfach geplündert bevor es bis Ende des 18. Jahrhunderts Sitz einer kurfürstlichen Oberforst- und Wildmeisterei wird. In dieser Zeit werden die Herrenhäuser unter Verwendung der alten Ringmauer im Stil der Renaissance und des Barock gebaut.

1814 erwirbt Johann Traugott Lohse das Schloss und errichtet eine Baumwollspinnerei. Nachdem Carl Friedrich Nauman, ein Nachfahre Lohses, das Schloss erbt, errichtet er hier eine Landmaschinefabrik und restauriert das Schloss unter Einbeziehung neogotischer Elemente. Natürlich wurde nicht im Schloss selbst produziert, sondern diente es mehr dem Wohnsitz des Fabrikanten und der Verwaltung. Die Produktionsstätten sind heute nicht mehr vorhanden, wurden aber in den Schlosspark gebaut. Ein Modell lässt erkennen wie es damals hier aussah. Es entsprach durchaus der damaligen Industriearchitektur, dass die Villa des Fabrikbesitzers in unmittelbarer Nähe der Produktionsstätte lag. Hier ist es keine Villa, sondern ein Schloss. Hatte man also ein Schloss, musste man die Produktionsstätten in der Nähe des Schlosses bauen. Im Möbelzimmer kann man sich ein Bild vom damaligen Ambiente machen. 1919/1923 verkauft Naumann die Landmaschinenfabrik und das Schloss und 1931 übernimmt die Stadt Schlettau das Schloss. Sie nutzt das Schloss als Museum und das Herrenhaus für Wohnungen. 1964 wird das Museum geschlossen. Schon in den 80er Jahren hatte sich eine Interessengemeinschaft Schloss Schlettau gebildet, die in freiwilliger Arbeit den Turm und den Südgiebel des Schlosses erneuert. 1995/96 wird der Förderverein Schloss Schlettau gegründet, der, vermutlich mit entsprechenden Fördermitteln, mit den Sanierungsarbeiten und der musealen und kulturellen Nutzung beginnt. 2006 sind die Sanierung und die denkmalgerechte Restaurierung sowie der Ausbau von Schloss und Herrenhaus abgeschlossen. Die Webseite des Schlosses zeigt sehr anspruchsvoll, mit was man sich allem bemüht, um dieses Schloss für Einwohner und Gäste attraktiv zu gestalten und Einnahmequellen zu erschließen.

Am Ausgang von Schlettau mündet die Rote Pfütze in die Zschopau und lässt sie damit zu einem ein bis zwei Meter breiten Bach anschwellen. Leider ist der Weg nicht sehr gut ausgeschildert. So gerate ich nun auf den Wanderweg, der recht holprig ist und sich teilweise nur schwer fahren lässt. Auch beginnen nun wieder Steigungen und es folgen Abfahrten im laufenden Wechsel. Kurz vor Tannenberg hat man rechter Hand einen Blick bis Annaberg-Buchholz. Von Tannenberg geht es weiter die Straße entlang der Zschopau über Thermalbad Wiesenbad. Schon um 1500 entdeckte man hier eine warme Quelle und ließ sie vom Bischof zu Meißen als Bad weihen. Hinter Wiesenbad wird das Tal der Zschopau zunehmend enger und felsiger. Schon von Weitem kann man Schloss Wolkenstein sehen, das etwa 80 Meter oberhalb des Zschopautals auf einem Felsvorsprung liegt. Auch der Ort liegt größtenteils auf der Höhe und auch Schloss Wolkenstein liegt mitten im Ort. Also heißt es für mich wieder bergauf, aber mir kommt doch mein leichteres Gepäck zu Gute. Steigungen bis 8 Prozent kann ich jetzt durchaus fahren.

Burg Wolkenstein ist seit dem 13 Jahrhundert urkundlich belegt und war im Besitz der Herren von Waldenburg, die ursprünglich aus der Nähe von Naumburg kamen. Nach dem Tod des letzten Waldenburgers fiel die Burg Wolkenstein als erledigtes Lehen an die wettinischen Landesherren. Die Burg Wolkenstein wurde zunächst von den nachgeborenen Wettinern Heinrich dem Frommen und seinem Sohn August genutzt, die Wolkenstein und Freiberg zu ihrer Versorgung übertragen bekommen hatten. Heinrich nutzte Wolkenheim als Jagdschloss und August richtete sich die Anlage um 1550 als Schloss im Stile der Renaissance zum Wohnsitz ein, nutzte sie aber, nach seiner Ernennung zum Kurfürsten von Sachsen im Jahre 1553 nur noch als Nebenwohnsitz. Dies führte in den folgenden Jahrhunderten zum zunehmenden Verfall. Allerdings wurde Schloss Wolkenstein bis ins 20. Jahrhundert als königlich-sächsisches Amtsgericht und als Strafanstalt genutzt. Bis in die 1990er Jahre wurde das Schloss zu Wohnzwecken genutzt. Nach 1990 fand hier das Museum Schloss Wolkenstein, das Standesamt und die Gaststätte zum Grenadier ihren Sitz. Letztere ist aber, wie ich bedauernd feststelle, Montag und Dienstag geschlossen.

Da es inzwischen 18 Uhr ist, schaue ich mich nach einem Quartier um. Auf meiner Fahrt zum Schloss bin ich an einer Pension „Zur Kurfürstin“ vorbeigefahren. Ich fahre also zurück und versuche Einlass zu finden. Die Klingel am Haus ist offensichtlich mit einem Telefon verbunden, denn nach kurzer Zeit fragt mich eine Stimme nach meinem Begehr. Ich erkläre, dass ich gerne die Nacht bei der Kurfürstin verbringen würde und bekomme ganz aufgeregt zur Antwort, dass ich mich aber etwa 20 Minuten gedulden müsste, bis sie kommen könnte. Also gedulde ich mich und kann schon einmal feststellen, dass es mit dem Abendessen schwierig werden wird. Alle Lokale, die ich über Google ermitteln kann und mehr scheint es auch nicht zu geben, haben heute am Montag geschlossen. Nach 20 Minuten kommt eine vollschlanke Mitvierzigerin mit sehr kurzen Jeansshorts, lächelt mich freundlich an und bejaht meine Frage, ob sie die Kurfürstin sei. Sie spricht mit starkem ausländischem Akzent und im Laufe des Gesprächs erfahre ich, dass sie aus Bulgarien stammt. Nachdem wir und über den Preis und die Frühstückszeit sowie über vorhandene Getränke verständigt haben, checke ich ein, bekomme den Schlüssel mit der Bemerkung, dass morgen ganz viele Gäste kämen, ich aber heute der einzige Gast sei. Die bulgarische Dame verlässt dann das Haus wieder mit der Bemerkung, dass das Frühstück morgen früh um 8 Uhr bereitstünde, sie aber nicht wisse, ob sie da noch anwesend sei, weil sie ihren Sohn irgendwohin fahren müsse. Spätestens gegen 8:30 Uhr sei sie aber zurück. Nun habe ich das Haus der Kurfürstin für mich.

Aus den ausgelegten Unterlagen erfahre ich, dass die Kurfürstin Amalie Auguste, die Gattin des ersten Königs von Sachsen, Friedrich August I., dem wohl wegen seiner Haltung unter Napoleon unglückseligstem sächsischen Herrscher, hier 1791/1792 wohnte als sie eine vierwöchige Badekur in Warmbad absolvierte. Zur Unterbringung der Kurfürstin und ihres Hofstaates wurden 5 Häuser an der Marktstraße, unter anderem auch dieses, in dem die Pension heute untergebracht ist, beschlagnahmt. Um eine guten Durchgang zu allen Räumlichkeiten zu haben, wurden die Zwischenwände der Häuser durchbrochen. – Und da regen wir uns über die Kosten des G 20-Gipfels in Hamburg auf.

Mein Abendessen bekomme ich dann doch noch bei einem nahegelegenen Pizzaservice. Danach mache ich noch einen kleinen Stadt- und Schlossrundgang und stelle fest, dass mich die Tour doch ganz schön geschafft hat. Das frühe Aufstehen und fast 700 Höhenmeter fordern nun doch ihren Tribut. Bei einem Bier im Biergarten der Pension, den ich für mich alleine habe, lasse ich den Abend ausklingen.

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